COP27: Kritik an Ergebnissen der Weltklimakonferenz

Eingang zur COP27
Die Weltklimakonferenz war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen und endete schließlich am Sonntag. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Nach einer Verlängerung ging die Klimakonferenz COP27 in Ägypten am Sonntag mit einer Abschlusserklärung zu Ende. Doch Aktivisten, Wissenschaftler, Umweltverbände und Politiker kritisieren vor allem, das keine Entscheidung zum Ausstieg aus Öl und Gas getroffen wurde.

Nach jahrelangen Debatten einigten sich die Teilnehmer der Klimakonferenz in Scharm El-Scheich erstmals auf einen gemeinsam Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern. Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch den steigenden Meeresspiegel und Wüstenbildung. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind.

Die Entwicklungsorganisation Care sprach von einem “historischen Schritt”, bemängelte aber, das wesentliche Fragen erst 2023 ausgearbeitet werden. So werden bisher keine Geldsummen genannt und es ist ungeklärt, wer in den Fonds einzahlen muss.

Auch Ottmar Edenhofer, einer der zwei Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), kritisierte am Sonntagabend im ZDF: “Es ist nicht klar, wer einzahlt. Es ist auch nicht klar, nach welchen Kriterien das Geld verteilt werden soll. Also da ist noch viel zu verhandeln.”

Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser nannte den Beschluss einen “Erfolg für die am stärksten von der Klimakrise betroffenen Menschen, die nun endlich auf verbindliche finanzielle Unterstützung zur Bewältigung von Klimafolgeschäden hoffen können”. Er mahnte aber auch, die Verursacher der Klimakrise müssten nun zu ihrer Verantwortung stehen “und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen”. Die Industriestaaten seien bis heute Geld für Klimaschutz und Klimaanpassung schuldig geblieben, das “eigentlich seit 2020 jährlich verbindlich fällig” gewesen wäre. Das Misstrauen gegenüber den reichen Staaten sei daher verständlicherweise groß. Am Ende der Konferenz klebe somit “ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde”.

“Fonds für das Ende der Welt”

Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, kritisierte zudem, der Finanzrahmen drohe zu einem “Fonds für das Ende der Welt” zu werden. Denn die COP27 stehe für ein “weiteres verlorenes Jahr beim klaren Adressieren der Ursache der Klimakrise: dem Verbrennen fossiler Energien”.

Die Staaten bekräftigten auf der Klimakonferenz zwar ihre im Vorjahr in Glasgow getroffene Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Die Abschlusserklärung erwähnt den Abschied von Öl und Gas allerdings nicht. Das hatten etliche Staaten gefordert, doch einige wenige Staaten leisteten “erbitterten Widerstand”, wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) berichtete.

Greenpeace-Vorstand Kaiser sagte: “Es ist ein Skandal, dass die ägyptische COP-Präsidentschaft Petrostaaten wie Saudi-Arabien den Raum geboten hat, jeden wirksamen Klimaschutz zu torpedieren”. Die Klimakonferenz riskiere “in fahrlässiger Weise die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits”.

Viviane Raddatz vom WWF sagte: “Es ist die Enttäuschung dieser COP, dass es nicht gelungen ist, ein Bekenntnis zum schrittweisen Ausstieg aus allen fossilen Energien zu verankern. Obwohl das viele Länder gefordert hatten.”

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), warnte, es gehe “wieder einmal wertvolle Zeit verloren”. Obwohl das 1,5-Grad-Ziel bekräftigt wurde, fehle “von konkreten Taten erneut jede Spur”.

Freiwillige Nachbesserungen beim Klimaschutz

Die Staaten werden in der Abschlusserklärung zwar aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben jedoch freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht. 

Die Klimabewegung Fridays for Future nannte das Ergebnis der COP27 “eine Farce”. Die Staaten würden “ihre globale Verantwortung für den Ausstieg aus fossilen Energien” nicht anerkennen.

Auch die Aktivistin Luisa Neubauer kritisierte das Ergebnis der Konferenz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): Zwar sei der Durchbruch auf Ausgleichszahlungen für Klimaschäden “ein ganz dringender Erfolg” für ein Mindestmaß an Gerechtigkeit. Gleichzeitig sei es zynisch, Ländern einerseits bei Schäden und Verlusten zu helfen “und auf der anderen Seite hier gemeinsam etwas zu entscheiden, was so unendlich viel mehr Schäden und Verluste verursachen wird”.

Kritik kommt auch aus der Politik: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, das Ergebnis der COP27 bleibe insgesamt “hinter dem Notwendigen” zurück – das sei “extrem bitter”. Robert Habeck (Grüne), Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, kritisierte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Konferenz sei mit einem Ergebnis zu Ende gegangen, “das uns nicht wirklich zufrieden machen kann”.

Unzufrieden äußerte sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: “Auf der COP27 wurde am 1,5-Grad-Ziel festgehalten. Leider haben sich jedoch weder die größten Emittenten der Welt dazu verpflichtet, fossile Brennstoffe schrittweise abzubauen, noch wurden neue Verpflichtungen zum Klimaschutz eingegangen.”

Reform der Klimakonferenzen

PIK-Direktor Johan Rockström bemängelte im Gespräch mit der dpa, das 1,5-Grad-Ziel sei zwar noch vorhanden. Auch die Notwendigkeit, dafür den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent zurückzufahren, sei erwähnt – “aber mit keinem konkreten Plan, dies auch zu erreichen”. Die Beschlüsse, in denen nicht einmal der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen genannt werde, gingen nicht über die Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow hinaus, was längst nicht ausreichend sei. “Bei dem, was auf dem Spiel steht, sind die Ergebnisse des Gipfels einfach nicht gut genug”, bilanzierte der Forscher.

Deutschland und die EU müssten nun versuchen, mit den USA und China zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen. Auf den Klimakonferenzen werde mit so vielen Ländern wie möglich um Einigung gerungen. Das sei zwar gut, aber eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen möglicherweise effizienter.

Rockström beklagte darüber hinaus, die Wissenschaft habe “eine viel zu schwache Stimme in den Verhandlungen der Klimakonferenzen”. So sei vielen Diplomaten nicht klar, wann welche Klimafolgen in welchem Ausmaß zu erwarten seien. Die Forschung der letzten Jahre habe gezeigt, dass Klimarisiken eher unterschätzt würden und der Klimawandel schneller voranschreite als befürchtet. “Stürme, Hitzewellen, Fluten und Dürren treten häufiger und intensiver auf als wir vorhergesagt haben”, sagte Rockström. Gefährliche Kipppunkte mit unumkehrbaren Folgen seien näher als zuvor angenommen.

Es sei daher sehr beunruhigend, dass einige Stimmen in den Verhandlungen die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage stellten. “Die Entscheider brauchen vermutlich eher mehr Wissenschaft am Verhandlungstisch, nicht weniger”, so Rockström. “Ich denke, dass wir den ganzen Prozess der Klimakonferenzen reformieren müssten, um gehaltvollere Ergebnisse in den Verhandlungen zu bekommen.” Unter anderem müsse in den Arbeitsgruppen auf den Klimakonferenzen ein engerer Austausch zwischen Verhandlern und Wissenschaftlern stattfinden.

Der Klimaexperte Mojib Latif hält Klimakonferenzen in ihrer derzeitigen Form ebenfalls nicht für zielführend. Weil bei UN-Verhandlungen stets das Prinzip der Einstimmigkeit gelte, könne man sich immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, beklagte Latif, der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) forscht. Länder wie Deutschland oder die USA, die wirklich Klimaschutz betreiben wollten, müssten sich zu einer Allianz der Willigen" zusammentun und Maßnahmen umsetzen, forderte er am Montag im Deutschlandfunk.

Auch Luisa Neubauer kritisierte: “Falls irgendwer gehofft hatte, dass das hier der Ort ist, wo die Klimakrise bewältigt wird, können wir verkünden, dass das nicht der Fall ist. Das ist hart.” (dpa / js)