EuGH erklärt bulgarische Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig

EuGH-Verhandlung (Archiv)
Erst im September hatte der EuGH auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig befunden. (Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der vergangenen Woche erneut eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt. Eine entsprechende Vorschrift im bulgarischen Gesetz über elektronische Kommunikation verstößt demnach gegen Unionsrecht.

Das höchste europäische Gericht urteilte, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nicht mit Unionsrecht vereinbar ist. Mithilfe solcher Daten lassen sich nach Auffassung des Gerichts sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben von Personen ziehen. Es ließen sich etwa Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte oder ausgeübte Tätigkeiten ablesen – auch bei einer kurzen Speicherdauer.

Ferner bemängelten die Richter das Fehlen einer Vorschrift, um Personen zu informieren, auf deren Daten zugegriffen wurde. Auch sehe das bulgarische Gesetz kein Rechtsbehelf gegen einen unrechtmäßigen Zugriff auf die Daten vor.

Verfassungsgericht hatte ursprüngliche Regelung gekippt

Bulgarien hatte die Vorratsspeicherung erstmals im Jahr 2010 eingeführt und Telekommunikationsanbieter und Internetprovider dazu verpflichtet, Telefon- und Internetverbindungsdaten für mindestens ein Jahr aufzubewahren. Das bulgarische Verfassungsgericht hatte diese Regelung jedoch im Jahr 2015 gekippt – dabei aber hauptsächlich die lange Speicherdauer kritisiert.

Nur wenig später hatte das Parlament in Sofia eine überarbeitete Regelung zur Vorratsspeicherung verabschiedet. Darin wurde die Speicherdauer auf sechs Monate verkürzt. Telekommunikationsanbieter und Internetprovider müssen demnach unter anderem die Quelle und das Ziel einer Verbindung sowie Datum, Uhrzeit und Dauer der Verbindung speichern. Auf richterliche Anordnung hin können Strafverfolgungsbehörden Zugang zu diesen Daten erhalten, unter anderem bei der Aufklärung schwerer Straftaten.

In dem aktuellen Verfahren hatte ein bulgarisches Strafgericht den EuGH angerufen. Die bulgarische Staatsanwaltschaft hatte bei dem Gericht die Herausgabe der Kommunikationsverkehrsdaten mehrerer Personen in einem Strafverfahren beantragt. Nach bulgarischem Recht hätten die Daten herausgegeben werden müssen – das Gericht hatte jedoch Zweifel, ob die nationalen Vorschriften mit EU-Recht vereinbar sind.

Der Europäische Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit, die nationalen Gerichte sind aber an seine Rechtsprechung gebunden.

EuGH hat anlasslose Vorratsdatenspeicherung mehrfach verboten

Die Vorratsdatenspeicherung steht seit Jahren in der Kritik, weil sie einen tiefen Eingriff in die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger darstellt und weil eine große Gefahr zum Missbrauch besteht.

In Dänemark sorgte die Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2019 zudem für eine der größten Justizpannen des Landes: Falsch ausgewertete Verbindungs- und Bewegungsdaten waren über mehrere Jahre hinweg in Tausenden Gerichtsprozessen als Beweismittel angeführt worden.

Der EuGH hat die allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung in der Vergangenheit bereits mehrfach verboten: Dies betraf unter anderem die Regelungen in Estland, Frankreich, Großbritannien und in Belgien sowie in Irland. Mehrfach hat der Gerichtshof in diesen Verfahren klargestellt, dass nationale Vorschriften, die präventiv eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen, nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Die Speicherung solcher Daten stelle einen Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten dar.

Erst im September hatte das höchste europäische Gericht auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung gekippt – sie war bereits seit dem Jahr 2017 ausgesetzt. Auch in diesem Urteil hatte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung bekräftigt.

Das FDP-geleitete Bundesjustizministerium hatte daraufhin im Oktober einen Vorschlag für ein auf konkrete Verdachtsfälle beschränktes Verfahren zur Sicherung von bei den Providern vorhandenen Telekommunikationsdaten vorgelegt. Zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität oder zum Schutz der nationalen Sicherheit hat der EuGH ein solches Verfahren in der Vergangenheit als zulässig bezeichnet. Im Bundesinnenministerium ist man der Auffassung, dass ein solches “Quick Freeze”-Verfahren nicht ausreicht. (js)