COP29: Kritik an unzureichenden Klima-Finanzhilfen
Die Weltklimakonferenz COP29 ist am Wochenende nach 32 Stunden Verlängerung in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku zu Ende gegangen. Knapp 200 teilnehmende Staaten haben sich auf neue Ziele zur Klimafinanzierung geeinigt. Weitere Beschlüsse zum Klimaschutz wurden jedoch vertagt – und sowohl einige Staaten als auch NGOs üben Kritik.
Die finanzielle Unterstützung für sogenannte Entwicklungsländer steht im Mittelpunkt des diesjährigen Beschlusses. Das Geld soll in erster Linie von den reicheren Industriestaaten mobilisiert werden und in den ärmeren Ländern sowohl in die Energiewende als auch in die Anpassung an die Folgen der Klimakrise fließen. Die bisher zugesagte Summe von 100 Milliarden US-Dollar soll nun auf 300 Milliarden US-Dollar bis 2035 aufgestockt werden.
Die Summe ist zwar dreimal so hoch wie bisher, der Bedarf liegt laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe jedoch bei rund einer Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 und sogar bei 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035.
Die sogenannten Entwicklungsländer hatten während der Konferenz unter anderem entsprechende Beiträge bis zum Jahr 2035 gefordert. Diese Summe wird im Beschluss nun auch als Zielgröße genannt, jedoch ohne genaue Angaben zur Herkunft der Mittel. Außerdem werden Entwicklungsländer ermutigt, freiwillig Beiträge zu leisten – denn nach der UN-Kategorisierung zählen dazu beispielsweise auch China und Öl-Staaten wie Saudi-Arabien.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lobte die Beschlüsse in Baku dennoch als wichtiges Signal in einer schwierigen geopolitischen Lage. Nun seien aber alle Wirtschaftsnationen der Welt gefragt, um “eine halbwegs verlässliche Lebensversicherung für die Ärmsten” auf die Beine zu stellen. “Das kann Europa nicht alleine leisten”, sagte sie.
UN-Generalsekretär António Guterres erwartet, dass die Staaten ihr Versprechen nun “vollständig und fristgerecht” einlösen. Er forderte, die Zusagen müssten nun “schnell zu Bargeld werden”.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte, die Konferenz läute “eine neue Ära der Klimafinanzierung” ein.
“Betrug”
Kritik kommt hingegen von der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder: “Das ist nicht nur ein Scheitern, das ist ein Betrug”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Bereits in der Nacht zu Sonntag, als der aserbaidschanische Konferenz-Chef den Kompromiss mit dem traditionellen Hammerschlag besiegelt hatte, gab es Kritik. Die Vertreterin Indiens nannte die Zusagen im Plenum viel zu gering. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete sie als “Witz” und “Beleidigung”.
Ein Vertreter Boliviens beklagte zudem, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise alleingelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle.
Nichtregierungsorganisationen üben ebenfalls Kritik. Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland, sagte: “Mit den Beschlüssen von Baku lassen die Verursacher der Klimakrise Millionen Menschen mit den Folgen dieser Krise allein. Zwischen der zugesagten Unterstützung für die verletzlichsten Länder und deren dringenden Bedarfen klafft nach Baku eine beschämend weite Lücke. Die klimabedingten Stürme und Überflutungen nehmen Menschen Haus und Hof, oft auch Angehörige, aber dieses Ergebnis nimmt ihnen jede Hoffnung, die Klimakrise deutlich abzuschwächen.”
Auch Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, kritisierte: “Die in Aussicht gestellten Gelder sind nicht mehr als ein Schluck Wasser vorm Verdursten.” Das neue Finanzierungsziel stehe in keinem Verhältnis zum enormen Bedarf, “um Minderung von Treibhausgasemissionen, Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise und entstandene Schäden und Verluste abzufedern”. Zwar tauche auch die Zahl 1,3 Billionen US-Dollar im Entscheidungstext auf, dies sei zunächst aber nicht mehr als eine leere Hülle.
Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam, kritisierte außerdem, das neue Finanzierungsziel decke nur Unterstützung für Programme zum Klimaschutz und zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen ab. “Hilfe bei der Bewältigung von kommenden Verlusten und Schäden ist nicht vorgesehen – wegen des Widerstands der Industrieländer. Das ist bitter für jene Länder, die jetzt schon schwer mit dem Klimawandel zu kämpfen haben und nun auch in Zukunft kaum mit Unterstützung rechnen können, etwa für den Wiederaufbau nach Katastrophen oder wenn die Ernten auf den Feldern verdorren”, so Kowalzig.
Entscheidung vertagt
Im vergangenen Jahr hatten sich die COP-Teilnehmerstaaten noch auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen geeinigt – die grundsätzlich begrüßt und teils als historisch gewertet wurde. In diesem Jahr konnten sich die Staaten allerdings auf keine weiteren Schritte zur Senkung der klimaschädlichen Treibhausgase verständigen. Die angepeilten Beschlüsse zum Klimaschutz wurden nach Widerstand im Plenum in letzter Minute ins kommende Jahr vertagt.
Martin Kaiser von Greenpeace konstatierte: “Es ist skandalös, dass es der Öl- und Gaslobby mit Hilfe einiger Öl-Staaten in Zusammenarbeit mit dem Gastgeberland gelungen ist, alle notwendigen Beschleunigungen zum Ausstieg von Kohle, Öl und Gas zu blockieren. Damit treten sie das Grundrecht auf Leben von Millionen von Menschen mit Füßen. Niemand kann mehr ignorieren, dass sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität von Wetterextremen steigen und ihre Folgen für die Menschen immer verheerender werden.”
Viviane Raddatz vom WWF sagte: “Es ist absurd, erst Energie und Zeit dafür aufwenden zu müssen, dass bereits Beschlossenes nicht wieder ausgehöhlt wird, und Entscheidungen dann zu vertagen.” Das sei ein fatales Signal für die Erstellung der nationalen Klimabeiträge und die Umsetzung der in Dubai beschlossenen Energieziele. Sie forderte daher, die Staaten müssten auch ohne Rückenwind aus Baku an ambitionierten Klimaplänen und Zielen arbeiten.
Oxfam-Klimaexpert Jan Kowalzig resümierte: “Es ist ernüchternd, dass in Baku nicht mehr zu erreichen war – für die Unterstützung einkommensschwacher Länder und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Mit diesem Ergebnis kann niemand zufrieden sein.”
Auch Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), urteilte: “Der Klimagipfel von Baku war kein Erfolg, sondern allenfalls die Vermeidung eines diplomatischen Desasters.”
Die UN Klima-Konferenz findet jährlich statt. Die COP30 findet im November 2025 in Belém im brasilianischen Amazonasgebiet statt. Der Regenwald spielt eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt. (dpa / js)