Iran: Erneut Demonstrierende zum Tode verurteilt

Poster als Protest auf der Straße ausgelegt
Seit langem kritisieren Menschenrechtler, der Iran setze die Todesstrafe als Mittel politischer Repression ein. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Im Iran wurden nach Angaben von NGOs im November vermehrt Todesurteile verhängt. Unter den Verurteilten sind demnach erneut auch Demonstrierende.

Wie die in Oslo ansässige Organisation Iran Human Rights (IHRNGO) berichtet, wurden in der vergangenen Woche mindestens acht Todesurteile gegen Personen verhängt, die im Zusammenhang mit den “Frau, Leben, Freiheit”-Protesten angeklagt waren oder bei denen es sich laut der Organisation um politische Gefangene handelt.

Als Reaktion auf den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini waren im Herbst 2022 landesweite Proteste gegen das Regime im Iran ausgebrochen. Amini war wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleidungsvorschriften von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden und wenig später gestorben. Die Behörden waren monatelang während Demonstrationen immer wieder brutal gegen Teilnehmer vorgegangen und hatten Zehntausende verhaftet.

Todesurteile gegen Protestteilnehmer

Laut IHRNGO und Human Rights Watch (HRW) wurden am 13. November sechs Demonstrierende zum Tode verurteilt. Angeblich sollen sie bei den Protesten im Oktober 2022 ein Mitglied der Islamischen Revolutionsgarde verletzt haben, was zu dessen Tod geführt habe. Insgesamt wurden 14 Menschen wegen dieser Tat angeklagt.

Vor der Verurteilung sollen unter Folter erzwungene Geständnisse von mindestens vier Angeklagten im iranischen Fernsehen ausgestrahlt worden sein. Der Iran hat bereits Todesurteile im Zusammenhang mit den Protesten vollstreckt. Gegen die jetzt ergangenen Urteile kann laut HRW noch Berufung eingelegt werden.

Sowohl HRW als auch IHRNGO berichten zudem, Warisha Moradi sei von einem Revolutionsgericht in Teheran wegen angeblicher “bewaffneter Rebellion gegen den Staat” zum Tode verurteilt worden. Die kurdische Aktivistin ist Mitglied der “Free Women’s Society of Eastern Kurdistan” und hat sich Berichten zufolge für Frauenrechte engagiert. Während des Prozesses soll ihren Anwälten nicht erlaubt gewesen sein, sie zu verteidigen.

Moradi wurde bereits im August 2023 verhaftet und später in das berüchtigte Ewin-Gefängnis gebracht. Dort verbrachte sie den NGOs zufolge mehrere Monate in Isolationshaft und soll auch gefoltert worden sein. Die Behörden hätten ihrer Familie seit Monaten keine Besuche mehr erlaubt.

Nahid Naghshbandi von HRW sagte: “Die iranischen Behörden setzen die Todesstrafe ein, um Angst zu schüren – insbesondere gegen ethnische Minderheiten und politische Dissidenten nach unfairen Gerichtsverfahren. Diese brutale Taktik zielt darauf ab, jegliche Opposition gegen die autokratische Regierung zu unterdrücken.”

Den NGOs zufolge wurden in den vergangenen Wochen auch weitere Todesurteile gegen Kurden und Belutschen gesprochen. Im August hatten UN-Menschenrechtler berichtet, ethnische und religiöse Minderheiten im Iran seien von dem harten Vorgehen der Regierung gegen Demonstrierende seit dem Jahr 2022 “unverhältnismäßig stark” betroffen – insbesondere Kurden und Belutschen.

Warnung vor neuer Hinrichtungswelle

Nach Einschätzung von IHRNGO ist die jüngste Welle von Todesurteilen als Warnung vor unmittelbar bevorstehenden Hinrichtungen zu verstehen. Ziel des Regimes sei es, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Menschenrechtsorganisation befürchtet zudem, dass im Iran weitere Hinrichtungen vollstreckt werden könnten, während die internationale Aufmerksamkeit auf nationalen und internationalen Krisen liegt.

IHRNGO-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam sagte, die Islamische Republik befinde sich in der kritischsten Phase ihrer Herrschaft und könne nur durch Repressionen und Hinrichtungen überleben. Die Hinrichtung Hunderter wegen einfacher Straftaten Verurteilter habe politisch nur geringe Folgen gehabt – das habe die Behörden dazu veranlasst, vermehrt Demonstrierende und politische Gefangene hinrichten zu lassen. Er forderte daher stärkere Reaktionen der internationalen Gemeinschaft, um die “Hinrichtungsmaschinerie des Staates” zu stoppen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit langem, dass iranische Regime lasse systematisch Menschen hinrichten, die in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden.

UN-Expertinnen hatten im September berichtet, vermehrt würden Frauen, die sich aktivistisch engagiert hatten, im Iran wegen angeblicher Verstöße gegen die nationale Sicherheit zum Tode verurteilt. In den vergangenen zwei Jahren sei die Todesstrafe eingesetzt worden, um Iranerinnen und Iraner von Protesten und Meinungsäußerungen abzuhalten.

Zahlen des Abdorrahman-Boroumand-Zentrums zufolge hat das Regime im Jahr 2024 bereits 740 Todesurteile vollstrecken lassen – im August wurden 29 Menschen an nur einem Tag getötet. Die Organisation gibt in Zusammenarbeit mit Amnesty International jährlich einen Bericht zu den Hinrichtungen im Iran heraus. (js)