Datenschutzsorgen: Arzt klagt gegen verpflichtenden Telematikanschluss

Richterhammer
Bisherige Klagen gegen die Honorar-Kürzungen wurden abgewiesen. (Quelle: IMAGO / imagebroker)

Update 27. Januar 2023: Das Sozialgericht München hat die Klage noch am Donnerstag abgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass die einschlägigen Vorschriften gegen die Datenschutzgrundverordnung verstießen, begründete das Gericht nach Angaben einer Sprecherin die Entscheidung am Donnerstagnachmittag. Vorausgegangen war eine etwa fünfstündige Verhandlung, anschließend hatte das Gericht gut eine Stunde hinter verschlossenen Türen beraten. Petzold kündigte Berufung an. Notfalls werde er bis zum Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof ziehen, sagte er nach der Verhandlung.

Ärzte und Psychotherapeuten sind seit 2019 dazu verpflichtet, Patientendaten über die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI) weiterzuleiten. Weigern sich die Medizinerinnen und Mediziner, werden ihnen 2,5 Prozent der vierteljährlich überwiesenen Kassen-Vergütungen gestrichen. Mit der Rechtmäßigkeit dieser Kürzung beschäftigt sich am heutigen Donnerstag das Sozialgericht München.

Geklagt hat der Augenarzt Gernot Petzold gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB). Er will die Honorarkürzung nicht hinnehmen und macht sich nach eigener Aussage Sorgen um die Sicherheit der übertragenen Patientendaten und Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht. Zudem hätten auch Personen Zugang zu den Daten, die nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden sind. Dadurch könnten die Persönlichkeitsrechte der Patienten verletzt werden.

Telematikinfrastruktur

Das sogenannte Telematik-Netzwerk verbindet Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen digital miteinander, um Patientendaten wie elektronische Rezepte oder Patientenakten (ePA) auszutauschen. Für den Zugang wird spezielle Hardware benötigt, sogenannte Konnektoren.

Der Arzt, der auch im Vorstand des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV) sitzt, strebe eine Musterklage an. Er sieht die “gesamte ärztliche Behandlung in Gefahr, wenn die Menschen nicht mehr vertrauensvoll mit dem Arzt reden können”, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Die Patientendaten dürften nicht “quer durch die Republik” geschickt werden.

Petzsolds Sorge gelte auch der eventuellen Weitergabe der Daten an Institutionen, Pharmafirmen, IT-Unternehmen und Gerätehersteller, so die dpa weiter. Auch auf die Gefahr von IT-Angriffen wies der Arzt hin.

Sicherheitsprobleme in der TI

Spätestens seit der verpflichtenden Einführung der TI wird regelmäßig Kritik an dem System geübt – von Medizinern, Datenschutzexperten und IT-Sicherheitsforschern. Anfang 2021 fanden Sicherheitsforscher des Chaos Computer Clubs unter anderem zahlreiche ungeschützte Konnektoren frei zugänglich im Internet – Hardware, die für den Zugang zur TI benötigt wird. Über diesen Weg hätten sich unter anderem elektronische Patientenakten einsehen lassen.

Mitte 2020 konnten rund 80.000 Arztpraxen sieben Wochen lang nicht mehr auf die TI zugreifen. Der Grund waren Mängel in der Sicherheitsarchitektur. Um den Fehler zu beheben, mussten Service-Techniker manuell Updates an jedem einzelnen der betroffenen Konnektoren einspielen.

Auch 2019 hatte der Chaos Computer Club schon Schwachstellen in dem Gesundheitsdatennetzwerk gefunden. Damals war es möglich, Arzt- und Praxisausweise mit Daten Dritter zu bestellen. Diese Ausweise ermöglichen den Zugriff auf die Telematikinfastruktur.

Frühere Klagen gescheitert

Man gehe davon aus, dass das Thema schlussendlich höchstrichterlich vom Bundessozialgericht geklärt werden müsse, sagte eine Gerichtssprecherin. So müsse unter anderem entschieden werden, ob die Verpflichtung zur Nutzung der TI mit dem Grundgesetz und der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. 

An dem Sozialgericht München seien weitere Klagen bezüglich der Telematik-Pflicht eingegangen. Im November habe das Gericht bereits eine ähnliche Klage wie die aktuelle abgewiesen – damals hatte sich ein Zahnarzt hatte sich an das Gericht gewandt.

Im Februar 2022 lehnte das Sozialgericht Stuttgart eine Klage gegen den Honorarabzug ab. Der klagende Allgemeinmediziner sah im Anschlusszwang an die TI einen Verstoß gegen die DSGVO, wie unter anderem der an der Klage beteiligte MEDI Verbund berichtete

Nach Angaben der BFAV sind in Bayern bis heute rund 2800 Mediziner nicht an die TI angeschlossen. Sie alle seien bei jeder quartalsweisen Auszahlung der Honorare von dem Abzug betroffen. (dpa / hcz)