Datteln 4: Umstrittenes Kohlekraftwerk ans Netz gegangen
Der Klimawandel mag während der Corona-Krise nicht mehr so prominent in den Medien auftauchen, doch das Problem ist alles andere als beseitigt: Die Weltwetterorganisation rechnet für das Jahr 2020 mit einem weiteren Hitzesommer auf der Nordhalbkugel.
In Deutschland hat die Kohlekommission der Bundesregierung den Kohleausstieg beschlossen, trotz alledem ist am 30. Mai 2020 das Kraftwerk Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet offiziell ans Netz gegangen – und das löste weiterhin starke Proteste von Klimaaktivisten aus. “Es ist ein postfaktisches Kraftwerk, alle Fakten sprechen dagegen”, sagte Luisa Neubauer von Fridays for Future der dpa. Es sei eine Provokation, den Kohleausstieg mit einem neuen Kohlekraftwerk einzuleiten. Datteln 4 müsse wieder vom Netz gehen und das deutlich vor 2037.
Proteste von Umweltorganisationen
Neben Fridays for Future waren auch zahlreiche Anhänger von Greenpeace, Ende Gelände und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor Ort. Bereits in der Nacht zum Samstag hatten Aktivisten das Kraftwerk mit Schriftzügen wie “Klimakrise made in Germany” angestrahlt. “Wir richten beste Grüße an die offensichtlich inkompetente Regierung”, sagte die Klimaaktivistin Neubauer.
Unter den Protestierenden waren auch ehemalige Bergleute. “Wir kritisieren, dass der Steinkohlebergbau in Deutschland eingestellt und den Arbeitern gekündigt wurde, nun aber Kohle aus dem Ausland importiert wird, um Datteln 4 zu betreiben”, sagte Sebastian Suszka, selbst ehemaliges Betriebsratsmitglied.
Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg meldete sich via Twitter zu Wort. “Heute ist ein beschämender Tag für Europa, da wir ein brandneues Kohlekraftwerk eröffnen. Wir haben uns verpflichtet, den Weg zu ebnen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden – und doch ist dies das Signal, das wir an den Rest der Welt senden?”, schrieb die Schwedin auf Twitter.
Kraftwerk hat bereits Strom erzeugt
Der Beginn des kommerziellen Betriebs war nur ein formaler Schritt: Das Kraftwerk hatte im Probebetrieb in den vergangenen Monaten bereits erhebliche Mengen Strom ins Netz eingespeist.
Das vom Energieversorgungsunternehmen Uniper betriebene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ist zum Symbol der Auseinandersetzung um die Energie- und Umweltpolitik in Deutschland geworden. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hatte empfohlen, für bereits gebaute aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke eine Verhandlungslösung zu suchen, um sie nicht in Betrieb zu nehmen. Die Umweltverbände werfen der Bundesregierung deshalb vor, mit dem Ja zu Datteln 4 von den Beschlüssen der Kommission abzuweichen.
Die Bundesregierung und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen argumentieren, dass im Gegenzug für Datteln 4 ältere Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Dadurch würden die zusätzlichen CO2-Emissionen von Datteln 4 kompensiert.
Erhebliche Mehremissionen durch Datteln 4 erwartet
Dem widersprechen jedoch Berechnungen, die im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt wurden. So soll es durch Datteln 4 selbst dann zu mehr CO2-Emissionen kommen, wenn andere Kohlekraftwerke mit gleicher Leistung abgeschaltet werden, berichtete die Tageszeitung taz im Januar.
Demnach rechnet das Bundesumweltministerium mit Mehremissionen von etwa 10 Millionen Tonnen CO2 über die Laufzeit des Kraftwerkes. Nach taz-Informationen geht das an der Berechnung beteiligte Öko-Institut sogar von etwa 14 Millionen Tonnen aus. Im Vergleich zu einer Berechnung des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung wirkt das noch immer wenig: Das Institut rechnet laut Greenpeace mit 40 Millionen zusätzlichen Tonnen CO2 durch Datteln 4. Ursächlich sind laut BUND unter anderem Abnahmeverträge mit der Deutschen Bahn und RWE, die eine sehr hohe Auslastung des Kraftwerkes zur Folge hätten. (dpa / js)