Deutsche Umwelthilfe: Hälfte der Lkw stoßen mehr Stickoxid aus als erlaubt

Lastwagen
Bereits seit 2017 wisse das Bundesamt für Güterverkehr über mögliche Abgasmanipulationen Bescheid, kritisierte die Schutzgemeinschaft Camion Pro e.V. (Quelle: Frank Sorge)

Ein Großteil der auf europäischen Straßen fahrenden Lastkraftwagen verstößt laut einer neuen Studie gegen europäische Abgasnormen. Rund die Hälfte von 545 untersuchten Fahrzeugen stieß mehr gesundheitsgefährdende Stickoxide (NOx) aus als gesetzlich erlaubt. Die DUH führt die Abweichungen auf Defekte und Manipulationen der Abgasanlagen zurück. Es seien außerdem mehrere Dutzend Lastkraftwagen aufgefallen, die die Grenzwerte besonders “dramatisch” überschritten.

Die Untersuchung hatte das von der Umweltorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) betriebene Emissions-Kontroll-Institut (EKI) durchgeführt. Zwischen Januar 2020 und September 2021 sammelte die Einrichtung Daten auf Autobahnen in den europäischen Ländern Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen und der Slowakei.

Zusammen mit der Logistik-Schutzgemeinschaft Camion Pro e.V. macht die DUH die Politik für die hohen Abgaswerte verantwortlich. Auf den Straßen fehle es an Kontrolle durch die Behörden. “Unsere Messungen belegen klar, dass die Untätigkeit von Verkehrsministerium (BMVI) und dem ihm unterstellten Bundesamt für Güterverkehr (BAG) Gesundheit und Leben der Menschen in Deutschland gefährdet”, schreibt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Er ruft die neue Bundesregierung auf, anders als deren Vorgänger wirksame Kontrollen einzuführen.

Hierzulande sollten “die realen Emissionen von gesundheitsschädlichen Luftschadstoffen durch Lkw endlich” überwacht werden, fordert die DUH.

Illegale Abschaltungen in Verdacht

Die untersuchten Fahrzeuge mit Euro V dürfen laut EU-Gesetz 2000 Milligramm Stickoxide pro Kilowattstunde (mg NOx/kWh) ausstoßen; Fahrzeuge mit Euro VI dürfen auf der Straße 690 mg NOx/kWh emittieren.

Im Schnitt wurden bei den untersuchten Euro-V-Lkw aber 3.338 mg NOx/kWh gemessen. Nur 37 Prozent der Fahrzeuge hielten den Grenzwert ein. Die Euro-VI-LKW stießen im Schnitt 1067 mg NOx/kWh aus. Hier hielten 46 Prozent der Fahrzeuge den Grenzwert ein.

Selbst wenn mögliche äußere Einflüsse und die daraus resultierenden Toleranzen in die Messwerte einberechnet werden, hätte immer noch ein Drittel der untersuchten Fahrzeuge mit der Schadstoffklasse Euro-VI und fast die Hälfte der Euro-V-Fahrzeuge mehr NOx ausgestoßen als eigentlich erlaubt.

Als Ursachen für Grenzwertüberschreitungen vermutet die DUH Fahrlässigkeit oder kriminellen Vorsatz. Im ersten Fall wären die Abgasreinigungen defekt. Sollte es sich um Vorsatz handeln, könnten illegale Abschalteinrichtungen installiert sein. Sie würden die Zufuhr des nach Abgasnorm Euro 6 vorgeschriebenen Harnstoffs (“AdBlue”) verringern oder komplett abstellen. Das Mittel verringert den Ausstoß umwelt- und gesundheitsschädigender Stoffe von Dieselmotoren, indem es Stickoxide in Wasser und Stickstoff aufspaltet.

Der Straßenkontrolldienst (SKD) des Bundesamtes für Güterverkehr stellt regelmäßig bei Überprüfungen solche Manipulationen an Lastwagen fest. Zweck der illegalen technischen Veränderungen ist es, Harnzusatzstoff einzusparen. Geräte zur Umrüstung lassen sich nach Recherchen des ZDF frei im Internet bestellen.

Aus Sicht der DUH und Camion Pro werden solcherlei Verstöße in Deutschland nicht angemessen verfolgt.

Bundesamt zeigte kein Interesse

“Die neue Untersuchung belegt dabei nicht zum ersten Mal das Versagen deutscher Behörden beim Schutz der Bevölkerung für Stickoxiden von Lkw”, erklärte DUH. Bereits im Mai 2019 hatte das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg und Anfang 2020 die DUH den Stickstoffausstoß von Lkw im Betrieb überprüft und Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt. Die Ergebnisse seien “alarmierend” gewesen.

Die Erkenntnisse wurden beide Male an das BMVI übermittelt. Zudem äußerten die DUH und Camion Pro gegenüber der Behörde damals schon die Forderung, “effektive Kontrollen sowie wirksame Sanktionen hinsichtlich sogenannter AdBlue-Emulatoren bei Lkw” einzuführen. Obwohl Camion Pro das BAG bereits 2017 auf die frei verfügbaren Manipulationsgeräte hinwies, sei auch an dieser Stelle keine wirksame Reaktion erfolgt.

Camion Pro erhebt schwere Vorwürfe gegen das Güterverkehrsamt. Vorstand Andreas Mossyrsch kritisierte: “Das BAG wurde informiert, aber unternahm kaum etwas und spielte den Skandal sogar herunter. Meinem Verband liegen Unterlagen vor, die nahelegen, dass das BAG zu dem Skandal bewusst irreführende Daten veröffentlichte. Somit hat die Behörde nicht nur einen ausgewachsenen Abgasskandal verschlafen sowie wirksame Kontrollen verhindert, sondern auch kriminellen Akteuren jahrelang den Rücken freigehalten.” (hcz)