US-Gericht macht Weg für Klage gegen NSO frei

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Im Jahr 2019 sollen mit der Spähsoftware Pegasus 1400 Personen über WhatsApp angegriffen worden sein. (Quelle: Pixabay)

Der Spionagesoftware-Anbieter NSO kann für sich keine Immunität vor einem US-Gericht beanspruchen. Das hat ein Berufungsgericht in Kalifornien am Montag entschieden. Eine Klage von WhatsApp und dessen Mutterkonzern Facebook gegen die israelische Firma ist daher zulässig.

Um ein Verfahren abzuwenden, hatte die NSO Group argumentiert, sie verkaufe Technologien zur Strafverfolgung an staatliche Behörden. Deshalb sei die Firma als staatlicher Akteur anzusehen und solle immun vor Strafverfolgung sein. Das Gericht wies dies jedoch einstimmig zurück. Im Urteil heißt es, es sei ein “einfacher Fall”: NSO sei eine private Firma. Der Einsatzzweck für die Überwachungstechnologie mache die Firma nicht zur Vertretung einer ausländischen Regierung.

Die Vorinstanz hatte NSO die Immunität bereits im Juli 2020 abgesprochen; das Unternehmen hatte dagegen Berufung eingelegt.

WhatsApp-Nutzer mit Pegasus infiziert

Hintergrund ist eine Klage von Facebook gegen NSO aus dem Jahr 2019: Facebook wirft dem Unternehmen vor, an Angriffen auf 1400 WhatsApp-Nutzer beteiligt gewesen zu sein. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen.

NSO hatte demnach eine damals bestehende Sicherheitslücke in der Anruffunktion von WhatsApp ausgenutzt, um seine umstrittene Spionagesoftware Pegasus in Smartphones einzuschleusen. Das angerufene Gerät wurde auch dann infiltriert, wenn der Anruf nicht angenommen wurde. Für diese Angriffe seien Server genutzt worden, die mit NSO in Verbindung stehen. Zudem konnte WhatsApp mehrere für die Attacken genutzte Benutzerkonten dem israelischen Unternehmen zuordnen.

Facebook wirft NSO vor, damit gegen US-Gesetze, wie den “Computer Fraud and Abuse Act”, sowie gegen die WhatsApp-Nutzungsbedingungen verstoßen zu haben. Der Fall kann nun vor dem US-Bezirksgericht im kalifornischen Oakland verhandelt werden.

“Wichtiger Schritt”

Ein WhatsApp-Sprecher bezeichnete das Urteil gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters als “einen wichtigen Schritt, um NSO für die Angriffe auf Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Regierungsvertreter zur Verantwortung zu ziehen”.

Auch die Bürgerrechtsorganisation Access Now begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Natalia Krapiva von Access Now sagte, im weiteren Verlauf des Prozesses werde es schwer für NSO, “den Missbrauch hinter dem Schleier der Geheimhaltung zu verstecken”.

NSO und die Spionagesoftware Pegasus stehen schon lange in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen. So soll beispielsweise der saudische Journalist Jamal Khashoggi vor seiner Ermordung im Jahr 2018 mit Pegasus ausspioniert worden sein.

Im Sommer hatten zudem die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit Pegasus überwacht wurden.

Festnahme in Mexiko

Die meisten potenziellen Überwachungsziele stammten aus Mexiko: Alleine zwischen 2016 und 2017 wurden dort 15.000 Menschen ins Visier genommen. In diesem Zusammenhang wurde in dieser Woche ein mexikanischer Geschäftsmann verhaftet: Er soll das Überwachungsprogramm gegen einen Journalisten eingesetzt haben. Medienberichten zufolge steht der Beschuldigte in Verbindung zu einem Unternehmen, das als Vermittler zwischen NSO und den mexikanischen Behörden diente.

In der vergangenen Woche hatten die USA den Spionagesoftware-Anbieter auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Zur Begründung hieß es, die Aktivitäten von NSO liefen “den nationalen Sicherheits- oder außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten” zuwider. Ohne eine Sondergenehmigung ist es US-Unternehmen verboten, bestimmte Technologien an Unternehmen auf der sogenannten Entity List zu verkaufen.

Mehrere UN-Menschenrechtsexpertinnen und ‐experten fordern inzwischen ein weltweites Moratorium für den Verkauf und die Weitergabe von Überwachungstechnologien. Sie erklärten, durch Spionagesoftware würden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre verletzt – und die Technik sei “lebensbedrohlich”. Auch Organisationen wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen fordern ein solches Moratorium. (js)