Deutschland reißt Klimavorgaben bei Corona-Hilfen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz
Der Bundesfinanzminister spricht davon, dass 40 Prozent der Corona-Hilfen in in Klimaschutz und Digitalisierung fließen. Die Untersuchung kommt aber nur auf einen Anteil von 34 Prozent. (Quelle: IMAGO / Future Image)

Die Bundesregierung bekommt von Klimaschützern schlechte Noten für die Pläne zur Nutzung der europäischen Corona-Hilfen. Anders als Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht das Climate Action Network Europe (CAN E) die EU-Vorgabe nicht erfüllt, mindestens 37 Prozent der Milliardenhilfen für den Klimaschutz auszugeben. Deutschland investiere zu wenig in klimafreundlichen Verkehr, erneuerbare Energien und Energiesparen, monierte das Netzwerk europäischer Umweltverbände am Dienstag in Brüssel.

CAN Europe hat die bisher bekannten nationalen Pläne für die Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds und anderer verfügbarer Mittel aus dem neuen EU-Haushaltsrahmen 2021 bis 2027 geprüft. Die ausgewerteten Daten wurden in Form eines Ampelsystems aufberereitet und können "auf einer eigenen Internetseite eingesehen werden. Für die deutschen Pläne leuchtet die Ampel derzeit “dunkelgelb”.

Die EU-Staaten müssen bis Ende April ihre Aufbau- und Resilienzpläne zur Verwendung der Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds vorlegen.
Ende April will CAN Europe Auszeichnungen für besonders sinnvoll eingesetzte EU-Hilfen vergeben.

Weniger Klimaschutz als draufsteht

Scholz hatte für den erwarteten deutschen Anteil von 22,7 Milliarden an den 750 Milliarden Euro im EU-Aufbaufonds erklärt, man wolle je 40 Prozent des Geldes in Klimaschutz und Digitalisierung stecken – mehr als die europäischen Vorgaben. Der Entwurf des deutschen Aufbauplans sieht unter anderem Projekte für erneuerbaren Wasserstoff, klimafreundliche Mobilität und klimafreundliches Bauen vor. Die Untersuchung kommt jedoch bei den geplanten deutschen Ausgaben derzeit nur auf einen Klimaanteil von 34 Prozent.

Da die Aufbaupläne noch nicht endgültig sind, versuchen die Klimaschützer, noch Korrekturen zu erreichen. Neben Deutschland werden auch Tschechien, Frankreich, Polen, Portugal, Slowenien und der belgische Landesteil Flandern kritisiert. Für mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten ist die Auswertung aber noch nicht abgeschlossen. Einige Länder haben ihre Pläne noch nicht veröffentlicht.

Gebäudesektor hinkt hinterher

Insgesamt sehen Experten Deutschland schlecht aufgestellt in Sachen Klimaschutz. “Der bisherige Entwurf des Aufbauplans bleibt insgesamt deutlich hinter dem Finanzierungbedarf zum Erreichen der Klimaziele zurück”, erklärte Klimaexpertin Audrey Mathieu von Germanwatch. “Abgesehen von positiven Ausnahmen, wie der Förderung grünen Wasserstoffs, geht die größte Volkswirtschaft der EU leider überhaupt nicht mit gutem Beispiel voran: eine viel zu niedrige Unterstützung der Gebäudesanierung, keine Mittel für den Erhalt der biologischen Vielfalt – in weiten Teilen verdient der Entwurf das Urteil ‘mangelhaft’”.

Auf die Probleme bei der klimagerechten Gebäudesanierung hatte auch das Umweltbundesamt (UBA) Mitte März hingewiesen: Der vom Bundesinnenministerium verantwortete Gebäudesektor war laut UBA 2020 der einzige Bereich, in dem das vorgegebene Einsparziel verfehlt wurde – um zwei Millionen Tonnen CO2. Zwar sanken die Emissionen um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 120 Millionen Tonnen; vorgegeben war aber ein Höchstwert von 118 Millionen Tonnen.

Das Bundesinnenministerium hat nun noch zweieinhalb Monate Zeit, geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, damit der Gebäudesektor in den kommenden Jahren die vorgesehenen Klimaziele einhält. Barbara Metz, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), nannte die Bilanz Mitte März im Gebäudebereich “dramatisch”.

Plug-in-Hybride schaden Mensch und Umwelt

Die Kaufprämie für Plug-In-Hybrid-Autos verletze laut Germanwatch zudem das “Do No Significant Harm”-Prinzip, nach dem keine Maßnahme Mensch und Umwelt schaden darf. Die Hybrid-Fahrzeuge mit Verbrennermotor und Elektroantrieb stehen regelmäßig in der Kritik, weil sie von Industrie und Politik gerne mit vollwertigen Elektroautos verglichen werden. So werden sie hierzulande auch über den sogenannten Umweltbonus beim Kauf gefördert.

Wegen der deutlich kleineren Batterien als bei reinen Elektroautos legen Plug-in-Hybride aber nur einen geringen Teil ihrer Fahrtstrecken rein elektrisch zurück und fahren den Großteil der Zeit mit Benzin oder Diesel. Auch der ADAC zweifelt die angeblich bessere Umweltverträglichkeit der Hybrid-Fahrzeuge an. Dennoch wird die Fahrzeugklasse momentan mit bis zu 6750 Euro Kaufprämie mit Steuergeldern bezuschusst. Auch in den CO2-Statistiken der Autohersteller erfahren sie eine Sonderbehandlung wie emissionsärmere vollelektrische Wagen.

Umweltschädliche Subventionen

Laut Greenpeace fließen viele deutsche Subventionen auch außerhalb des Corona-Hilfsprogramms in umweltschädliche – und oftmals sozial ungerechte – Maßnahmen. Eigentlich hat sich die Bundesrepublik gegenüber den G7-Staaten dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2025 klimaschädliche Unterstützungszahlungen zu beenden. Die Greenpeace-Studie “Zehn klimaschädliche Subventionen sozial gerecht abbauen” hatte Ende Februar aber gezeigt, dass bislang nichts unternommen wurde, um diese Verpflichtung zu erfüllen. (dpa / hcz)