Eritrea: 20 Jahre ohne Pressefreiheit

Isaias Afewerki steigt aus einem Flugzeug
Reporter ohne Grenzen bezeichnet den eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki als einen “der größten Feinde der Pressefreiheit”. (Quelle: IMAGO / Xinhua)

Vor 20 Jahren wurden in Eritrea sämtliche unabhängige Medien verboten. Auch zahlreiche Medienschaffende sowie reformorientierte Politiker wurden im September 2001 verhaftet. Anlässlich des Jahrestags der Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit fordern Reporter ohne Grenzen (RSF) und Amnesty International die Freilassung derer, die noch am Leben sind.

Eritrea hatte im Jahr 1993 die Unabhängigkeit vom Nachbarland Äthiopien erlangt. Im Sommer 2001 hatten mehrere Politikerinnen und Politiker den seit 1993 regierenden Präsidenten Isaias Afewerki in offenen Briefen aufgefordert, wie versprochen Wahlen abzuhalten und die Verfassung in Kraft zu setzen. Doch die Reformen wurden nicht angegangen. Stattdessen ließ die politische Führung am 18. September 2001 elf der Politiker verhaften – darunter den früheren Vizepräsidenten Mahmoud Ahmed Sheriffo.

Auch unabhängige Medien wurden verboten, nachdem diese die offenen Briefe veröffentlicht hatten. Wenige Tage später wurden zudem mindestens zwölf Journalistinnen und Journalisten festgenommen – von ihnen gibt es seitdem kein Lebenszeichen.

Deprose Muchena, Regionaldirektor von Amnesty International für das östliche und südliche Afrika, kritisierte: “Es ist unverzeihlich, dass diese mutigen Gefangenen aus Gewissensgründen 20 Jahre nach ihrer Verhaftung wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte immer noch im Gefängnis sitzen, ohne dass die Behörden etwas zu ihrer aktuellen Situation sagen. Und dass das Verbot unabhängiger Medien weiterhin besteht.”

Einige Gefangene wahrscheinlich gestorben

Nach Angaben von Amnesty International gibt es Berichte, nach denen neun der vor 20 Jahren festgenommenen Politiker und Journalisten mittlerweile im Gefängnis verstorben sind. Die Regierung weigere sich jedoch, dies zu bestätigen. Reporter ohne Grenzen berichtet, von den festgenommenen Journalisten seien wahrscheinlich nur noch drei am Leben.

Darunter der schwedisch-eritreische Journalist Dawit Isaak: Er war kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Eritreas in das Land zurückgekehrt und hatte begonnen, für die unabhängige Zeitung Setit zu schreiben, deren Miteigentümer er wurde. Er hatte sowohl über die Demokratiebewegung als auch über Kritik am autoritären Regierungsstil des Präsidenten berichtet.

Im November 2005 wurde Dawit Isaak zum letzten Mal öffentlich gesehen: Nach vier Jahren ohne Anklage im Gefängnis wurde er kurzzeitig aus der Haft entlassen. Mediziner sollten seine durch Folter entstandenen Verletzungen behandeln. Zwei Tage später wurde er jedoch erneut inhaftiert und ist seitdem spurlos verschwunden. Nach Angaben von RSF wird er höchstwahrscheinlich unter katastrophalen Bedingungen in einem Straflager in einer Wüstengegend festgehalten, wo aufgeheizte Container als Gefängniszellen dienen. Im Jahr 2010 hatte ein aus Eritrea geflohener Gefängnisaufseher über diese Unterbringung sowie über Folter berichtet.

Vereinte Nationen fordern Freilassung

Nach Angaben der Vereinten Nationen gibt es glaubwürdige Berichte, nach denen Dawit Isaak im September 2020 noch am Leben war. Erst im August hatten UN-Expertinnen und Experten seine Freilassung gefordert.

“Bis heute wurde Dawit Isaak nie wegen eines Verbrechens angeklagt, hat nie einen Tag vor Gericht verbracht oder mit seinem Anwalt gesprochen”, kritisierte Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern. Mohamed Abdelsalam Babiker, UN-Sonderberichterstatter für Eritrea, sagte: “Die eritreische Regierung hat in all den Jahren weder seinen Aufenthaltsort bestätigt noch handfeste Beweise für seinen Zustand vorgelegt. Sie hat Foltervorwürfe zurückgewiesen, aber niemandem erlaubt, ihn zu besuchen.”

Im Oktober 2020 hatte RSF wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Strafanzeige in Schweden gegen Eritreas Präsidenten und sieben weitere hochrangige Verantwortliche gestellt. Schweden sollte Ermittlungen zum Verbleib des Journalisten einleiten. Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft allerdings entschieden, keine Ermittlungen aufzunehmen – da die eritreischen Behörden voraussichtlich nicht kooperiert hätten.

Arnoud Froger, Chef der Afrika-Abteilung bei RSF, forderte nun die Partnerländer Eritreas auf, den Druck auf die Regierung zu erhöhen und die Freilassung von Journalisten zu erwirken. Eritrea müsse außerdem “schnellstmöglich den Nachweis erbringen, dass die seit zwei Jahrzehnten in Isolationshaft gehaltenen Journalisten noch am Leben sind”.

Deprose Muchena von Amnesty forderte außerdem die Freilassung aller “Politiker, Journalisten und Aktivisten, die vor September 2001 und danach ohne Anklage verhaftet und inhaftiert wurden.” So wurde im Jahr 2018 beispielsweise der frühere Finanzminister Berhane Abraha festgenommen. Er hatte in einem Buch zu demokratischen Reformen aufgerufen. Ciham Ali, die Tochter des ehemaligen Informationsministers Ali Abdu, wurde im Jahr 2012 im Alter von 15 Jahren verhaftet, als sie aus dem Land fliehen wollte.

Mindestens elf inhaftierte Journalisten

Nach Angaben von RSF befinden sich aktuell mindestens elf Medienschaffende in Eritrea ohne Prozess in Haft – sie haben keinen Zugang zu Anwälten. Einige würden in einer Haftanstalt festgehalten, die speziell für Menschen erbaut wurde, die wegen ihrer Meinung inhaftiert werden. Amnesty International kritisiert, die Gefängnisse seien chronisch überfüllt. Gefangene würden nicht ausreichend mit Wasser versorgt und die Gefängnisse hätten teilweise keine oder nur sehr wenige Toiletten für eine Vielzahl von Insassen.

Die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum appellierte an die Europäische Union, die Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in Eritrea nicht länger zu ignorieren. PEN-Vizepräsident Ralf Nestmeyer kritisierte: “Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das die Pressefreiheit so sehr einschränkt wie Eritrea. Die eritreischen Behörden müssen das Schicksal sämtlicher Personen aufklären, die verschwunden sind, sowie diejenigen unverzüglich und bedingungslos freilassen, die einzig aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung seit Jahren inhaftiert sind.”

Die Organisation Committee to Protect Journalists hatte 2019 festgestellt, dass Eritrea der Staat mit der weltweit weitreichendsten Zensur ist: So wird beispielsweise ein von Reporter ohne Grenzen unterstützter Exilradiosender immer wieder blockiert. Die staatlich kontrollierten Medien folgten aus Angst vor Repressalien der offiziellen Linie. Internetsperren seien “unnötig”, da der autoritäre Staat so “brutal und beherrschend” sei. Dennoch hatte die BBC im Jahr 2019 über eine Social-Media-Sperre in dem Land kurz vor den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag berichtet. Nur knapp sieben Prozent der 3,6 Millionen Einwohner haben einen Internetzugang.

Reporter ohne Grenzen nennt Eritreas Präsidenten Isaias Afewerki einen “der größten Feinde der Pressefreiheit”. Journalisten würden systematisch verhaftet, gefoltert und gezwungen, das Land zu verlassen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation steht das diktatorisch regierte Land auf Platz 180 – dem letzten Platz, hinter dem Iran (Platz 174) und Nordkorea (Platz 179). (js)