EU-Kommission: Gesichtserkennung ist risikoreich

Kamera zur Gesichtserkennung
Laut EU-Kommission lässt die DSGVO den Einsatz von Gesichtserkennung in der Regel nicht zu. Quelle: Public Domain

Die EU-Kommission hat ihre Strategie für Daten und künstliche Intelligenz vorgestellt und sich in diesem Rahmen mit dem Einsatz automatischer Gesichtserkennung beschäftigt. So schreibt die Kommission, dass sich künstliche Intelligenz zur Massenüberwachung einsetzen lässt. Spezielle Risiken für die Grundrechte gingen vom Einsatz automatischer Gesichtserkennung im öffentlichen Raum aus, weshalb die EU-Kommission die Technik als Hochrisiko-Anwendung einstuft.

Die EU-Kommission verweist in dem Papier auf die DSGVO, nach der biometrische Daten zur Identifizierung eines Menschen ohnehin nur unter bestimmten Voraussetzungen verarbeitet werden dürfen: etwa, wenn betroffene Personen einwilligen. Daher kann Gesichtserkennung nach den Empfehlungen der Kommission derzeit nur eingesetzt werden, wenn dies verhältnismäßig ist, der Datenschutz berücksichtigt wird und es angemessene Schutzmaßnahmen gibt. Dies gilt demnach auch für die Strafverfolgung: es muss eine absolute Notwendigkeit vorliegen.

EU-Kommission hatte temporäres Verbot diskutiert

In einem im Januar vom Magazin Politico veröffentlichten Entwurf des Papiers hatte die EU-Kommission noch vorgeschlagen, den Einsatz von Gesichtserkennungssystemen durch öffentliche und private Stellen für drei bis fünf Jahre zu verbieten. In dieser Zeit sollten die Risiken der Technik näher untersucht werden. In einem Entwurf von Ende Januar fehlte dieser Abschnitt bereits und ist auch nicht in der offiziellen Version des Papiers zu finden.

Vestager steht Gesichtserkennung kritisch gegenüber

Vor wenigen Tagen hatte die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, gegenüber dem Spiegel gesagt, dass sie automatischer Gesichtserkennung kritisch gegenüber stehe. Beim öffentlichen Einsatz der Technik gebe es noch viele ungelöste Probleme.

Laut der Organisation Euractiv stellte Vestager klar, dass die DSGVO den Einsatz von Gesichtserkennung in der Regel nicht zulasse, es aber Ausnahmen in Bezug auf die öffentliche Sicherheit gebe. Die EU-Kommission werde sich etwas Zeit nehmen, um Vorschriften für die Gesichtserkennung zu entwickeln. In der Zwischenzeit könne die Technik eingesetzt werden, sofern die existierenden Gesetze berücksichtigt werden. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es im Januar, Minister Seehofer (CDU) sehe noch offene Fragen bei der Gesichtserkennung.

Die Organisation European Digital Rights schreibt in einer ersten Reaktion, es sei äußerst wichtig, dass die EU den Einsatz von Techniken zur Massenüberwachung und Identifizierung verhindert, solange die Auswirkungen auf Menschen und ihre Rechte nicht vollständig geklärt sind.

EU-Kommission ruft zu Kommentaren auf

Bis zum 19. Mai 2020 sammelt die EU-Kommission nun Kommentare der Öffentlichkeit zu den in dem Papier behandelten Themen. Damit soll auch geklärt werden, ob es Umstände gibt, die den Einsatz von automatischer Gesichtserkennung rechtfertigen. Das vorliegende Papier enthält nur Vorschläge, aber keine Vorschriften. Man wolle eine Debatte anstoßen, heißt es.

Ende Januar 2020 hatte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) eine Leitlinie zum Einsatz von Videoüberwachung beschlossen. Der EDSA verweist darin ebenfalls auf die Auswirkungen, die automatische Gesichtserkennung auf die Grundrechte hat und empfiehlt, auf andere Methoden zu setzen.

In Deutschland hatte das Innenministerium zuletzt noch einen Passus aus dem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz entfernt, der Gesichtserkennungssysteme an sicherheitsrelevanten Orten wie Bahnhöfen erlauben sollte.

Ethik-Leitlinie fordert gesetzliche Regelung

Bereits im April 2018 hatte die hochrangigen Expertengruppe für künstliche Intelligenz im Auftrag der EU-Kommission Ethik-Leitlinien veröffentlicht. Darin ist in Bezug auf Gesichtserkennung von starken Bedenken “sowohl rechtlicher als auch ethischer Art” die Rede. Daher müsse der Einsatz solcher Techniken “im geltenden Recht eindeutig geregelt werden”, hatte die Expertengruppe gefordert.

Ein Gesetzentwurf soll nun basierend auf dem Papier und den dazu abgegebenen Kommentaren entstehen. Die EU-Kommission will den Entwurf später in diesem Jahr vorlegen. (js)