EU-Kommission will Produkte aus Zwangsarbeit verbieten
Die EU-Kommission plant, den Import und Export sowie den Verkauf von unter Zwangsarbeit hergestellten Produkten in der EU zu verbieten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dies bereits im vergangenen Jahr angekündigt – am Mittwoch hat die Kommission nun ihren Verordnungsentwurf veröffentlicht. Nichtregierungsorganisationen sehen aber Schwächen in dem Vorschlag, etwa weil keine Entschädigung für Opfer von Zwangsarbeit vorgesehen ist.
Das von der EU-Kommission angestrebte Verbot soll für sämtliche Produkte gelten, unabhängig davon, ob sie in der EU hergestellt oder aus Drittstaaten eingeführt werden. Die Kommission nennt unter anderem die Textilbranche, Bergbau und die Landwirtschaft als Branchen, in denen Fälle moderner Sklaverei häufig bekannt werden. Das Verbot soll aber nicht auf bestimmte Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt sein.
Der Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für die Durchsetzung der Verordnung zuständige Behörden benennen. Sie müssen Ermittlungen zu Produkten aufnehmen, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass diese unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Hinweise können etwa von anderen EU-Staaten oder aus der Zivilgesellschaft kommen. Zudem will die Kommission eine Datenbank über Risikobereiche und -produkte einrichten, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen könnten.
Produkte müssen vom Markt genommen werden
Die Behörden sollen auch Informationen von Unternehmen anfordern sowie Kontrollen und Inspektionen durchführen können – auch in Ländern außerhalb der EU. Wenn etwa Behörden außerhalb der EU nicht kooperieren, sollen die EU-Behörden ihre Entscheidung anhand der verfügbaren Informationen treffen.
Bestätigt sich der Verdacht auf Zwangsarbeit, müssen die Produkte vom Markt genommen und beispielsweise entsorgt werden. Sie dürfen dann auch nicht weiter in den Handel gebracht oder ausgeführt werden. Für die Durchsetzung des Verbots an den EU-Außengrenzen sind die Zollbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten zuständig. Halten sich Unternehmen nicht an die Entscheidung, können die Mitgliedstaaten Strafen nach nationalem Recht verhängen.
Die Vorsitzende des EU-Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Anna Cavazzini (Grüne), wertete es als großen Erfolg, dass die Kommission nun ihren Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt hat. Positiv zu bewerten sei der Verzicht auf Ausnahmen für bestimmte Unternehmen. Unzureichend sei aber, dass Produkte nicht schon beim Verdacht von Zwangsarbeit beschlagnahmt werden, sondern “erst nach einer langen Ermittlung”. In den Verhandlungen mit der EU-Kommission werde sie sich für eine Verbesserung des Vorschlags einsetzen.
Das Parlament hatte die Kommission im Juni in einer Resolution aufgefordert, ein Gesetz zum Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auszuarbeiten. Die Parlamentarier hatten vorgeschlagen, dass Behörden Produkte beschlagnahmen sollen, wenn ihnen genügend Beweise vorliegen, “dass Zwangsarbeit zur Herstellung oder Beförderung der Waren genutzt wurde” oder wenn Produkte aus einem Gebiet stammten, “in dem staatlich verordnete Zwangsarbeit vorherrscht”. Die Unternehmen sollten dann nachweisen, dass keine Zwangsarbeit vorliegt, damit die Produkte wieder freigegeben werden.
Zwangsarbeit vor allem im Privatsektor
Wegen Verstößen gegen Menschenrechte befindet sich etwa das Exportland China schon lange im Fokus. Menschenrechtler haben in den vergangenen Jahren dokumentiert, wie Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang Zwangsarbeit leisten müssen und in Internierungslager gesteckt werden. Zuletzt hatte auch das UN-Menschenrechtsbüro in einem Bericht Menschenrechtsverstöße in der Region festgestellt – darunter Zwangsarbeit. Auch deutsche Unternehmen wie BASF und Volkswagen haben Fabriken in der Region.
Doch auch in anderen Teilen der Welt – unter anderem in Europa – werden manche Arbeiter etwa auf dem Feld oder auf dem Bau nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen als moderne Sklaven ausgebeutet. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden weltweit knapp 28 Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen; alleine 17,3 Millionen Menschen im privaten Sektor.
Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut, das zu gerechten Wirtschaftsbeziehungen forscht, begrüßt daher, dass es sich um ein allgemeines Verbot handelt – und nicht nur gegen Produkte aus staatlich verordneter Zwangsarbeit wie in der chinesischen Region Xinjiang. “Denn der größte Teil der Zwangsarbeit findet im Privatsektor, verteilt über viele Branchen, statt”, erklärte sie auf Anfrage von Posteo. Bezüglich der Umsetzung hat sie jedoch Bedenken: “Angesichts der bisher fehlenden Transparenz in den meisten Lieferketten wird es schwierig sein, das gute Vorhaben effektiv umzusetzen.”
Die Menschenrechtsorganisation Anti-Slavery International begrüßte den Vorschlag ebenfalls, kritisierte aber zugleich, es fehle eine Verpflichtung zur Wiedergutmachung.
Auch die Organisation European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) kritisiert, der Vorschlag gehe nicht auf Forderungen der Zivilgesellschaft ein. So gebe es keine Bestimmung, um Opfer von Zwangsarbeit in globalen Wertschöpfungsketten zu entschädigen. Ein ähnliches US-Gesetz zeige aber, dass dies möglich ist. Die Rückgabe von Pässen und “gestohlenen Löhnen” sei “der Schlüssel”, um Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zu befreien.
Die ECCJ kritisiert darüber hinaus, dass die Beweislast bei den EU-Behörden und nicht den Unternehmen liegt: So müssten die Behörden Beweise dafür erbringen, dass Produkte unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden – und nicht die Unternehmen das Gegenteil beweisen. Die EU solle sich die “Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten” zum Vorbild nehmen. Der am Dienstag vom EU-Parlament angenommenen Verordnung zufolge müssen Firmen belegen, dass Waren im Einklang mit den internationalen Menschenrechten hergestellt wurden.
Ben Vanpeperstraete vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) merkte außerdem an, der Vorschlag behebe nicht den derzeitigen Mangel an Transparenz in Lieferketten. Um ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten zu erreichen, seien Nachbesserungen am Verordnungsentwurf erforderlich.
Die EU-Staaten und das Parlament müssen sich nun jeweils auf eine Haltung zu dem Entwurf verständigen. Anschließend müssen beide Seiten miteinander über eine gemeinsame Position verhandeln. Gültig wird die Verordnung dann nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren. (dpa / js)