EU: Kosmetik- und Pharmafirmen müssen Abwasserreinigung künftig mittragen
Pharmaunternehmen und Kosmetikhersteller müssen sich in der Europäischen Union künftig stark an der Abwasserreinigung beteiligen. Die EU-Länder haben am Dienstag der entsprechend überarbeiteten Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser zugestimmt, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Wie der Europäische Rat am Montag mitteilte, sind Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika die Hauptverursacher von sogenannten Mikroschadstoffen im Abwasser. Deshalb müssen sie im Rahmen einer “erweiterten Herstellerverantwortung” künftig mindestens 80 Prozent der zusätzlichen Kosten für eine vertiefte Reinigung tragen. Auch Kosten für “die Erhebung und Überprüfung von Daten über in Verkehr gebrachte Produkte” müssen die Hersteller in Zukunft übernehmen.
Die Richtlinie sieht aber auch Ausnahmen von der erweiterten Herstellerverantwortung vor, beispielsweise wenn nachgewiesen werden kann, dass die Produkte im Abwasser “rasch biologisch abbaubar” sind.
Mikroschadstoffe schon in geringer Menge gefährlich
In der überarbeiteten Richtlinie heißt es, Mikroschadstoffe könnten heutzutage in der Regel in allen Gewässern der EU nachgewiesen werden. Einige dieser Schadstoffe würden selbst in geringen Konzentrationen, im Mikrogrammbereich pro Liter oder darunter, eine “Gefahr für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt” darstellen.
Auch die Umweltschutzorganisation BUND erklärt, dass von den sogenannten Mikroschadstoffe schon in geringen Konzentrationen eine Gefahr für Tiere und Pflanzen in Gewässern ausgeht. Mikroschadstoffe können demnach unter anderem Rückstände von Arzneimitteln oder Kosmetikprodukten sein – aber beispielsweise auch Haushaltschemikalien oder Pestizide.
Die Organisation nennt ein Beispiel: Das Schmerzmittel Diclofenac sei etwa in verschiedenen bekannten Salben oder Tabletten enthalten und werde “breitflächig” beworben. Der größte Anteil der Salbe werde beim Duschen ins Abwasser gespült oder mit dem Urin wieder ausgeschieden. Er könne nicht von der Kläranlage entfernt werden und lande im Gewässer, wo er Fische und Gewässerorganismen erheblich schädige. Verbraucherinnen und Verbrauchern sei das aber meist nicht bewusst – auch weil sich auf dem Beipackzettel kein entsprechender Hinweis finde. Erst die sogenannte vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen könne solche Mikroschadstoffe eliminieren. Sie muss in bestimmten kommunalen Kläranlagen nun bis zum Jahr 2045 eingeführt werden.
Die überarbeitete EU-Richtlinie sieht zudem vor, dass Abwasser künftig auch streng hinsichtlich etwa antibiotikaresistenter Erreger, Viren oder Mikroplastik überwacht werden soll. Die EU-Länder werden außerdem verpflichtet, die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser aus allen kommunalen Kläranlagen zu fördern, wo dies angebracht ist – insbesondere in Gebieten mit Wasserknappheit.
Die EU-Richtlinie war ursprünglich im Jahr 1991 in Kraft getreten. Die EU-Kommission hatte sie im Jahr 2019 evaluiert und Bedarf für eine Überarbeitung festgestellt – Ende 2022 hatte sie einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt.
Das EU-Parlament hatte die überarbeite Richtlinie im Frühjahr 2024 verabschiedet – die Zustimmung der EU-Länder war nun der letzte notwendige Schritt im Gesetzgebungsverfahren. Die neuen Regeln werden nun im EU-Amtsblatt veröffentlicht und treten anschließend in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten haben dann 31 Monate Zeit, um sie in nationales Recht umzusetzen.
Kritik und Lob
Kritik an den neuen Regeln kommt etwa vom Pharma-Interessenverband Pro Generika: Es sei völlig unstrittig, dass Klärwerke ausgebaut werden müssten, um auch Spurenstoffe aus dem Abwasser zu filtern – es sei aber nicht nachvollziehbar, warum nur zwei Branchen belangt würden, obwohl die zu entfernenden Verunreinigungen auch aus anderen Bereichen stammen würden. Der Verband warnte vor Milliardenkosten.
Doch Umwelt- und Wasserwirtschaftsverbände begrüßen die Neuregelung ausdrücklich.
Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sagte auf Anfrage von Posteo: “Wir begrüßen die Beteiligung der Pharma- und Kosmetikindustrie an den Kosten der Abwasserreinigung.” Sie mahnte aber auch: “Gleichwohl müssen diese Regeln für alle weiteren Verursacher der Abwasserverschmutzung wie die Düngemittelindustrie gelten. Wichtiger noch als die Kostenbeteiligung ist die Eindämmung der Einleitung von schädlichen Stoffen ins Abwasser. Insbesondere nicht abbaubare Stoffe wie Trifluoressigsäure (TFA), die großflächig nicht mehr entfernt werden können, dürfen gar nicht erst in Gewässer gelangen.”
Kritik übte Saar explizit an der Lage hierzulande: “Deutschland ist bei der Umsetzung der rechtlichen Verpflichtungen zur Wasserqualität schwer im Verzug.” Die DUH habe aus diesem Grund bereits die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Quecksilber-Belastung im Rhein und die Landesregierung von Schleswig-Holstein auf Reduzierung der Gewässerbelastung durch TFA und Pflanzenschutzmittel verklagt.
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Einigung. Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, sagte: “Die finale Verabschiedung der kommunalen Abwasserrichtlinie ist ein umweltökonomischer Meilenstein. Denn mit ihr wird endlich eine erweiterte Herstellerverantwortung auch in der Abwasserwirtschaft verbindlich eingeführt. Zukünftig werden die Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetikprodukten dazu verpflichtet, für die Kosten der Einführung und des Betriebs der vierten Reinigungsstufe aufzukommen.” Damit werde das Verursacherprinzip rechtskräftig umgesetzt und es würden Anreize geschaffen, Schadstoffe an der Quelle zu vermindern und umweltschonende Grundstoffe und Produkte zu entwickeln. Weyand konstatierte: “Damit gibt es keine Lizenz zur Verschmutzung mehr.” (dpa / js)