EU verabschiedet strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe

Kohlekraftwerk
An 300.000 Todesfällen pro Jahr in der EU soll die Luftverschmutzung ihren Anteil haben.(Quelle: IMAGO / Future Image)

Der Rat der Europäischen Union hat eine überarbeitete Richtlinie angenommen, die künftig strengere Grenz- und Zielwerte für verschiedene Schadstoffe in der Luft vorschreibt. Ab dem Jahr 2030 müssen alle EU-Mitgliedsländer die neuen Grenzwerte einhalten – allerdings sind unter bestimmten Voraussetzungen Fristverlängerungen um bis zu 10 Jahre vorgesehen. Zudem erhalten Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte bei Verstößen gegen die in der Richtlinie festgelegten Luftqualitätsvorschriften. Das teilte der Rat am Montag mit.

Bei der Festlegung der neuen Grenzwerte hat sich die EU zwar stärker als zuvor an den Luftqualitätsleitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert, doch bleiben die Ziele weiterhin deutlich hinter diesen zurück. Der Jahresgrenzwert für Feinstaub in Partikelgröße PM2,5 wird auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter reduziert, der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dem Rat zufolge wirken sich diese Stoffe am stärksten auf die menschliche Gesundheit aus. Die WHO empfiehlt einen maximalen Wert von 5 (PM2,5) beziehungsweise 10 (NO2) Mikrogramm pro Kubikmeter.

Der von der EU beschlossene Wert für Schwefeldioxid (SO2) bleibt mit 50 Mikrogramm pro Kubikmeter ebenfalls hinter der WHO-Empfehlung von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter zurück, ebenso Feinstaub in der Partikelgröße PM10 (20 gegen 15 Mikrogramm pro Kubikmeter).

Die neuen Vorschriften sollen dabei helfen, den sogenannten Null-Schadstoff-Aktionsplan der EU-Kommission bis zum Jahr 2050 zu erreichen, der die Luftverschmutzung auf ein Niveau zu senken soll, das nicht mehr als gesundheits- oder umweltschädlich gilt. Die Luftverschmutzung sei das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa, schreibt der Rat. Jährlich seien in Europa etwa 300.000 vorzeitige Todesfälle auf sie zurückzuführen.

Fristverlängerungen möglich

Unter gewissen Umständen können die Staaten Verlängerungen der Fristen zur Einhaltung der Grenzwerte bis maximal zum 1. Januar 2040 beantragen.

Gründe für eine Fristverlängerung können der Richtlinie zufolge etwa besondere äußere Bedingungen sein. Dazu zählen demnach “ungünstige klimatische Bedingungen”, regionale Bedingungen oder wenn zur Reduzierung der Schadstoffe in der Luft ein erheblicher Teil der bestehenden Haushaltsheizungen ausgetauscht werden muss.

Bei einer Fristverlängerung sollen die jeweiligen Staaten die Überschreitung so kurz wie möglich halten und den Grenzwert spätestens am Ende des Verlängerungszeitraums einhalten. Bis dahin müssen die Mitgliedstaaten ihre Fahrpläne regelmäßig aktualisieren und über deren Umsetzung Bericht erstatten.

Mehr Rechte für Betroffene

Die neue Richtlinie stärkt auch die Rechte von Betroffenen. Die Mitgliedsstaaten müssen sicherstellen, dass sie einen fairen und gerechten Zugang zu Gerichten erhalten. Bürgerinnen und Bürger sollen dort die Möglichkeit haben, Schadenersatz zu verlangen und zu erhalten, wenn ihre Gesundheit durch einen Verstoß gegen die in der Richtlinie festgelegten Luftqualitätsvorschriften geschädigt wurde.

Die Luftqualität soll nach der Reform in allen Mitgliedsstaaten nach einheitlichen Methoden und Kriterien kontrolliert werden. Dazu enthält die Richtlinie Verbesserungen bei der Überwachung der Luftqualität. Alle fünf Jahre wird die Europäische Kommission überprüfen, ob die Luftqualitätsnormen im Einklang mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den jüngsten WHO-Leitlinien stehen. Auch soll die Kommission Richtlinien wie die zur Verschiebung der Fristen alle fünf Jahre überprüfen.

Umweltbundesamt hätte WHO-Werte begrüßt

Das Umweltbundesamt (UBA) hatte die strengeren Grenzwerte für Luftschadstoffe in einer Stellungnahme Anfang März zum Schutz der menschlichen Gesundheit begrüßt. Allerdings kritisierte die Behörde die deutliche Diskrepanz zwischen den ausgehandelten Grenzwerten und den Richtwerten der WHO – insbesondere für die Luftschadstoffe Feinstaub (⁠PM10⁠ und ⁠PM2,5⁠) und Stickstoffdioxid.

Ebenso monierte das UBA, dass der Gesetzestext keine Frist mehr vorsieht für das Erreichen der WHO-Richtwerte – so wie es das Europäische Parlament ursprünglich vorgeschlagen hatte. Die Behörde wies erneut auf die wesentliche Rolle von Luftverschmutzung bei der Entstehung von chronischen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten, bestimmte Krebserkrankungen und Typ 2-Diabetes hin.

Deutschland muss ohnehin nachbessern

Die Bestätigung durch den Rat der Europäischen Union war der letzte notwendige Schritt hin zum neuen Regelwerk. Zuvor hatte bereits das Europaparlament grünes Licht für die neuen Grenzwerte gegeben. Der verabschiedete Text wird nun im Amtsblatt veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Ab dann haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre lang Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte letzte Woche eine ambitionierte Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht bis spätestens 2025. Zudem sollten die neuen EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe in der Außenluft bis 2028 und die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Grenzwerte bis spätestens 2035 in Deutschland umgesetzt werden. Auf der Plattform X nannte die DUH die Ankündigung der Bundesregierung, “wirksame Maßnahmen wie Fahrverbote oder Betriebsbeschränkungen für Industrie verhindern” zu wollen, einen “Kniefall der Umweltministerin vor BMW, Mercedes & VW”. Die Umweltschutzorganisation kündigte an, notfalls mit Klagen dagegen vorzugehen.

Deutschland muss ohnehin bereits sein Luftreinhalteprogramm aktualisieren. Ende Juli hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die Bundesregierung die bisherigen Pläne gegen gesundheitsgefährdende Schadstoffe in der Luft nachbessern muss. Die Richter bemängelten, das Programm entspreche nicht den Vorgaben der EU und sei unter anderem mit veralteten Daten unterlegt. (hcz)