EuGH erlaubt weiterhin Fingerabdrücke auf Personalausweis
Fingerabdrücke dürfen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weiterhin auf Personalausweisen gespeichert werden. “Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken in Personalausweisen ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar”, entschied das höchste europäische Gericht am Donnerstag in Luxemburg.
Allerdings stütze sich die Verordnung, die die Speicherung regele, auf eine falsche Rechtsgrundlage. Deswegen erklärten die Richter sie für ungültig. Bis maximal zum 31. Dezember 2026 darf die Verordnung aber noch wirksam sein, damit die EU genug Zeit hat, eine neue Verordnung zu erlassen, teilte das Gericht in einer Mitteilung mit.
Seit August 2021 ist in Deutschland jede Person verpflichtet, bei Beantragung eines neuen Personalausweises Fingerabdrücke im Einwohnermeldeamt abnehmen zu lassen. Deutschland hat damit eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2019 umgesetzt.
Die Abdrücke werden laut Bundesinnenministerium nur auf dem Ausweis selbst gespeichert, nicht aber in einer zentralen Datenbank. Allerdings dürfen sie bis zu 90 Tage lang in den Behörden gespeichert werden. Datenschützer sehen dabei die Gefahr, die biometrischen Daten könnten gestohlen und missbraucht werden.
Verwaltungsgericht hatte Kläger recht gegeben
Hintergrund war die Klage eines Deutschen vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Er hatte beanstandet, dass ihm kein neuer Personalausweis ohne Fingerabdrücke ausgestellt wird. Der Verein Digitalcourage unterstützte ihn in dem Verfahren. Die Richter hatten dabei Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bestimmungen angemeldet. Das Verwaltungsgericht legte den Fall daraufhin dem EuGH vor. Das höchste europäische Gericht sollte klären, ob die Speicherung von zwei Fingerabdrücken gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten verstößt.
Das verneinten die Richter nun mit ihrem Urteil am Donnerstag. Zwar würden die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz der personenbezogenen Daten eingeschränkt. Dies sei allerdings gerechtfertigt, weil damit die Herstellung von gefälschten Ausweisen und Identitätsdiebstahl bekämpft werden könne. Außerdem ermögliche es EU-Bürgern, ihr Recht auf Freizügigkeit in der EU leichter auszuüben.
Damit folgte das Gericht dem Schlussantrag der Generalanwältin des EuGH. Sie hatte die verpflichtende Speicherung von zwei Fingerabdrücken im Personalausweis in einer Stellungnahme Mitte 2023 als rechtens beurteilt.
In Bezug auf Reisepässe hatte der EuGH bereits 2013 entschieden, dass eine Speicherung der Fingerabdrücke mit EU-Recht vereinbar ist. Biometrische Daten sind besonders sensibel, weil sie sich nicht verändern lassen und Menschen ein Leben lang über sie identifiziert werden können. Kritiker sehen daher ein großes Missbrauchspotenzial durch die verpflichtende Fingerabdruckabgabe.
Neue Rechtsgrundlage nötig
Allerdings stütze sich die aktuell zugrunde liegende Verordnung auf die falsche Rechtsgrundlage, teilten die Richter mit. Das habe zur Folge gehabt, dass das falsche Gesetzgebungsverfahren angewandt wurde. Es brauche unter anderem Einstimmigkeit unter den EU-Ländern. Daher erklärte das Gericht die Verordnung für ungültig.
Weil dies aber nach Ansicht des Gerichts “schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit” haben könnte, bleibt die Verordnung dem Urteil zufolge wirksam, bis eine neue Verordnung erlassen wurde. Dafür setzten die Richter eine Frist bis zum 31. Dezember 2026.
Der an der Klage beteiligte Verein Digitalcourage betonte, dass die neue Verordnung nur mit Einstimmigkeit im EU-Rat zustande kommen kann.
Der Bürgerrechtler Patrick Breyer interpretierte das Gerichtsurteil als Etappensieg und betonte auf Mastodon, dass die aktuelle Regelung bis 2027 an Gültigkeit verliert. Er appellierte an die Bundesregierung, sich gegen die “Überwachungsaltlast der GroKo” zu stellen. Der gesamten Bevölkerung wie sonst nur Tatverdächtigen zwangsweise die Fingerabdrücke abzunehmen, sei durch allenfalls minimale Sicherheitsgewinne nicht zu rechtfertigen.
Über den konkreten Fall muss nun das Gericht in Wiesbaden entscheiden. (dpa / hcz)