Weltwetterorganisation meldet 1,45 Grad Erderwärmung

Starkregen
Bereits jetzt bekommen einige Regionen den Klimawandel deutlich heftiger zu spüren als andere.(Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

“Noch nie waren wir der 1,5-Grad-Celsius-Schwelle des Pariser Klimaschutzabkommens – obgleich auch nur vorübergehend – so nahe” warnte Celeste Saulo, Chefin der Weltwetterorganisation (WMO). Anlässlich der Veröffentlichung des abschließenden WMO-Berichts über den Zustand des Weltklimas 2023 am Dienstag sprach sie von “Alarmstufe Rot”.

Der Bericht bestätigt die vorläufigen Schätzungen: Die global gemittelte Durchschnittstemperatur lag 2023 rund 1,45 Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung (1850-1900) – und somit so hoch, wie noch nie zuvor gemessen. Auch handele sich aktuell um die wärmste Zehnjahresperiode seit Beginn der Aufzeichnungen. Davor war 2016 das wärmste Jahr, mit rund plus 1,3 Grad.

Der europäische Klimawandeldienst Copernicus hatte die Erwärmung 2023 mit plus 1,48 Grad angegeben. Die WMO betrachtet jeweils Datensätze von Copernicus und mehrerer anderer renommierter Institute zusammen. Deshalb ist ihr Bericht über Klimaveränderungen besonders breit abgestützt und gilt als globale Referenz.

Laut dem Bericht gab es im vergangenen Jahr – neben der Erderwärmung selbst – allerlei weitere Gründe zur Sorge: Alarmierende Rekorde wie bei den Treibhausgaswerten, der Erwärmung und Versauerung der Ozeane, dem Rückzug der Gletscher und dem Verlust des antarktischen Meereises zählten dazu. 2023 sei der Klimawandel deutlicher denn je sichtbar geworden.

Die Folgen des fortschreitenden Klimawandels verbreiteten Elend und Chaos. Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und tropische Wirbelstürme hätten 2023 den Alltag von Millionen Menschen verändert und wirtschaftliche Verluste in Milliardenhöhe verursacht.

Rekorde bei Eisverlust

Im Laufe des Jahres hätten 90 Prozent der Ozeanregionen eine Hitzewelle erlebt, so die WMO. Zudem hätten die Gletscher mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1950, vor allem in Nordamerika und Europa.

Auch die Ausdehnung des antarktischen Meereises habe einen Negativ-Rekord erreicht: Die maximale Ausdehnung sei eine Million Quadratkilometer kleiner gewesen als beim vorherigen Negativ-Rekord: Das entspricht einer Fläche etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen.

Der global durchschnittliche Meeresspiegel sei im vergangenen Jahr so hoch gewesen wie nie seit Beginn der Satellitenmessungen 1993. In den vergangenen zehn Jahren sei der Meeresspiegel doppelt so schnell gestiegen wie in den ersten zehn Jahren seit Beginn der Satellitenmessungen. Ursachen seien sowohl die Schmelze von Gletschern und Meereis als auch die thermische Ausdehnung des wärmeren Wassers.

Folgen für die Menschen

Überschwemmungen im Zusammenhang mit extremen Regenfällen hätten 2023 unter anderem die Mittelmeerregion getroffen: Im September seien besonders viele Todesopfer in Libyen zu beklagen gewesen. Tropische Wirbelstürme hätten auch den Südosten Afrikas und den Golf von Bengalen besonders schwer getroffen und Millionen Menschen aus ihren Wohnorten vertrieben. Südeuropa und Nordafrika waren in der zweiten Jahreshälfte zudem von extremer Hitze betroffen – mit Rekordtemperaturen um die 50 Grad Celsius.

Die Klimakrise gehe mit einer Krise der Ungleichheit einher, so Generalsekretärin Saulo. Sie bringe für Teile der Menschheit wachsende Ernährungsunsicherheit, Vertreibung und Verlust biologischer Vielfalt.

Wetterbedingte Gefahren hätten auch 2023 Vertreibungen ausgelöst. “Klimaschocks” untergrüben die Widerstandsfähigkeit und schüfen neue Risiken für gefährdete Bevölkerungsgruppen. Die Wetter- und Klimaextreme hätten zudem die akute Ernährungsunsicherheit verschärft, von der im Jahr 2023 rund 333 Millionen Menschen weltweit betroffen waren.

Abwarten wird teuer

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig kritisierte anlässlich des Berichts, dass in der öffentlichen Debatte hierzulande verbreitet der Eindruck dominiere, die Klimawandelfolgen seien durch Technologie schon irgendwie zu bewältigen. Es fehle an Willen, die Klimakrise ernst zu nehmen.

“Tatsache ist, dass die durch Nichthandeln entstehenden Klimawandel-Folgekosten die nötigen Kosten, um den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen, um fast den doppelten Betrag jährlich übersteigen werden.” Je mehr jetzt investiert werde, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, desto mehr Geld werde insgesamt mittelfristig gespart. “Heutige Untätigkeit wird unsere Kinder und Enkel teuer zu stehen kommen.”

Dem Bericht zufolge besteht global weiterhin eine große Finanzierungslücke: Um die Erderwärmung wie in Paris vereinbart auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die jährlichen Investitionen um mehr als das Sechsfache steigen, bis 2030 fast 9 Billionen US-Dollar betragen und bis 2050 weitere 10 Billionen US-Dollar erreichen.

Hoffnung besteht der WMO zufolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Im Jahr 2023 sei der Zubau erneuerbarer Kapazitäten gegenüber dem Vorjahr um fast 50 Prozent auf insgesamt 510 Gigawatt angestiegen. Dadurch bestünde das Potenzial, dass die Dekarbonisierungsziele noch erreicht werden könnten. (dpa / hcz)