EuGH: Soziale Netzwerke dürfen Nutzerdaten nicht für immer nutzen
Online-Plattformen wie Facebook dürfen personenbezogene Daten nicht unbegrenzt für ihre Zwecke verwenden – auch wenn eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Freitag in einem Urteil festgelegt. Es ging bei dem Verfahren unter anderem um die Frage, welche Nutzerdaten wie lange von Social-Media-Betreibern zu Werbezwecken genutzt werden dürfen.
Geklagt hatte der Datenschutzaktivist Max Schrems von der Organisation Noyb gegen den Facebook-Mutterkonzern Meta. Schrems hatte sich wegen der – aus seiner Sicht rechtswidrigen – Datenverarbeitung im Jahr 2014 an die österreichischen Gerichte gewandt hatte. Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte daraufhin den EuGH 2021 um Auslegung der DSGVO ersucht.
Laut Gericht widerspricht es dem in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) festgelegten Grundsatz der “Datenminimierung”, wenn alle personenbezogenen Daten “zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet werden”. Wie lange genau Daten gespeichert werden dürfen, legte der EuGH aber nicht fest.
Artikel 5 der DSGVO schreibt unter dem Stichwort der “Datenminimierung” vor, dass nur personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen, die für den jeweiligen Zweck notwendig sind. Noyb wirft Meta und weiteren Online-Werbeunternehmen vor, diese Regel bislang zu ignorieren und keine Löschfristen oder Beschränkungen nach Art der personenbezogenen Daten vorzusehen.
Katharina Raabe-Stuppnig, Schrems Anwältin zeigte sich mit der Entscheidung zufrieden: “Nach diesem Urteil darf nur ein kleiner Teil des Datenbestands von Meta für Werbezwecke verwendet werden – selbst wenn die Nutzer der Werbung zustimmen.” Das Urteil gelte auch für alle anderen Online-Werbeunternehmen, die oft keine Verfahren zur Datenminimierung haben.
Industrie muss sich anpassen
Meta betonte, dass das Unternehmen den Datenschutz sehr ernst nehme und über fünf Milliarden Euro in den Datenschutz seiner Produkte investiert habe.
Der auf Datenschutz spezialisierte Jurist Daniel Rücker erklärte gegenüber der dpa, von dem Urteil sei jeder betroffen, der mit zielgruppenspezifischer Werbung arbeite. Entscheidend sei auch ein weiterer Aspekt: “Wenn gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen wurde, können Nutzer Schadenersatz verlangen.”
Auch nach Ansicht des Branchenverbands Bitkom könnte das Urteil weitreichende Auswirkungen auf Unternehmen haben, die personenbezogene Daten für personalisierte Werbung verarbeiten. “Es erhöht die Unsicherheit für Unternehmen bei der Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken, da unklar bleibt, wie genau die Begrenzung für die bezweckte Datenverarbeitung festzulegen ist und was das für die Verarbeitung bestimmter Datentypen wie zum Beispiel die besuchten Websites oder die Auswahl von Präferenzen heißt”, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung am Freitag.
Umgang mit sexueller Orientierung
Im selben Verfahren hat der EuGH auch darüber entschieden, wann Informationen über die sexuelle Orientierung einer Person für personalisierte Werbung genutzt werden dürfen. Hintergrund ist, dass Schrems in einer Podiumsdiskussion über seine Homosexualität gesprochen hatte.
Zum Einen urteilte der Gerichtshof, dass die Information zur sexuellen Orientierung – unter Einhaltung der DSGVO – grundsätzlich verarbeitet werden darf, wenn eine Person diese “offensichtlich öffentlich” gemacht hat. Allerdings betonte das Gericht: “Dieser Umstand allein berechtigt jedoch nicht, andere personenbezogene Daten zu verarbeiten, die sich auf die sexuelle Orientierung dieser Person beziehen.”
Im konkreten Fall dürfen Social-Media-Netzwerke also nicht Daten über die sexuelle Orientierung für Werbezwecke speichern und verarbeiten, wenn diese außerhalb der Plattform gesammelt wurden. Konkret nennt der EuGH “Websites und Anwendungen Dritter” als Quellen der Informationen.
Die Frage, ob Schrems seine sexuelle Orientierung tatsächlich öffentlich gemacht hat, indem er bei der Podiumsdiskussion darüber sprach, wollte der EuGH nicht beantworten. Das müsse der österreichische Oberste Gerichtshof klären, meint der EuGH. (Mit Material der dpa / hcz)