EuGH weist Klage gegen EU-Urheberrechtsreform zurück
Der umstrittene Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie ist mit den Grundrechten vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden. Die Verpflichtung für Online-Dienste, hochgeladene Inhalte vorab auf mögliche Urheberrechtsverstöße zu prüfen, enthalte angemessene Garantien, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Kritiker der Reform begrüßten dennoch, dass der EuGH in seinem Urteil enge Grenzen für den Einsatz sogenannter Uploadfilter setzt.
Nach der Richtlinie aus dem Jahr 2019 haften Plattformen, wenn Nutzerinnen und Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material rechtswidrig hochladen. Um sich von dieser Haftung zu befreien, müssen die Anbieter Uploads vorab prüfen – und gegebenenfalls sperren. Im Frühjahr 2019 waren europaweit viele Menschen auf die Straße gegangen, weil sie die freie Meinungsäußerung auf Plattformen wie YouTube durch die sogenannten Uploadfilter gefährdet sahen. Sie kritisierten, die Technik könne fehlerhaft arbeiten – und legale Inhalte sperren.
Polen hatte vor dem EuGH auf Nichtigerklärung von Artikel 17 geklagt und ebenfalls argumentiert, er verletze die in der europäischen Grundrechtecharta festgeschriebenen Rechte auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. Der EuGH hat diese Klage nun abgewiesen.
“Klare und präzise Grenzen”
Das oberste EU-Gericht erklärte, durch die in Artikel 17 vorgesehene Haftungsbefreiung seien Dienstanbieter “de facto verpflichtet […], eine vorherige Kontrolle der Inhalte durchzuführen, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten”. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie von den Rechteinhabern die notwendigen Informationen erhalten haben. Um eine Kontrolle durchzuführen, könnten die Anbieter auch gezwungen sein, “auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen” – also auf die umstrittenen Uploadfilter. Unter Umständen bewirke die Regelung “eine Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit”.
Die Richtlinie sehe “klare und präzise Grenzen” für den Einsatz von Uploadfiltern vor. Insbesondere seien Maßnahmen ausgeschlossen, die rechtmäßige Inhalte beim Hochladen filtern oder sperren. Der Einsatz eines Filtersystems, das “nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheidet”, sei nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit vereinbar.
Außerdem gebe es Ausnahmen für Parodien und sogenannte Pastiches. Ferner sehe Artikel 17 vor, “dass seine Anwendung nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf”. Für Nutzerinnen und Nutzer gebe es zudem verfahrensrechtliche Garantien, falls zulässige Inhalte irrtümlich gesperrt werden.
Mitgliedsstaaten müssen Gleichgewicht wahren
Das Gericht sieht daher insgesamt das Gleichgewicht zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit sowie dem Recht des geistigen Eigentums als sichergestellt. Der EuGH konstatierte, es sei Sache der Mitgliedsstaaten, bei der Umsetzung von Artikel 17 in nationales Recht darauf zu achten, dieses Gleichgewicht zu wahren.
Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sieht in dem Urteil einen Pyrrhussieg für die Befürworter von Uploadfiltern. Der EuGH habe die Filter zwar grundsätzlich für rechtmäßig erklärt. Gleichzeitig hätten die Richter jedoch klargestellt, dass dies nur der Fall sei, “weil das Sperren oder Filtern rechtmäßiger Inhalte explizit ausgeschlossen ist”. Unzuverlässige Filter dürften daher nicht eingesetzt werden.
Oliver Süme, Vorstand des eco-Verbands der Internetwirtschaft, kritisierte: “Das Urteil ist ein schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit im Netz. Zwar sieht der EuGH Art. 17 mit ausreichenden Garantien gegen das unerwünschte Overblocking an. Jedoch zeigen bereits erlassene Gesetze der Mitgliedsstaaten, dass die automatische Erkennung und Filterung zur Regel werden.” Automatische Filter würden immer auch die Gefahr von Overblocking bergen – also dem Sperren von rechtmäßigen Inhalten. “Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies weiterhin Rechtsunsicherheit darüber, in welchem Maß und Umfang sie Maßnahmen zum Schutz des Urheberrechts zu treffen haben, um nicht von Rechteinhabern in Anspruch genommen zu werden. Sie werden dadurch in eine Rolle von staatlichen Institutionen gedrängt und übernehmen faktisch die Rolle von Gerichten, wenn es um die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von Nutzer:innen eingestellten Inhalte geht.”
Auch Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Bitkom, zeigte sich enttäuscht: “Das Urteil des EuGH betrifft Internetnutzerinnen und Internetnutzer ebenso wie die Betreiber sozialer Medien und Urheberinnen und Urheber. Uploadfilter bleiben faktisch bestehen, was dem Grundgedanken des freien Internet diametral gegenübersteht.”
Ausnahmen im deutschen Gesetz
In Deutschland wurde die Urheberrechtsreform im vergangenen Jahr in nationales Recht umgesetzt: Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) sieht allerdings Ausnahmen beispielsweise für “geringfügige Nutzung” vor. So ist es pauschal erlaubt, bis zu 160 Zeichen eines Textes, 15 Sekunden eines Videos und Bilder mit bis zu 125 Kilobyte zu nutzen. (dpa / js)