Netzneutralität: Bundesnetzagentur untersagt "Zero Rating"

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Sowohl im Jahr 2020 als auch 2021 hatte der Europäische Gerichtshof bereits zu Zero Rating entschieden – auch zu den deutschen Tarifen. (Quelle: Deutsche Telekom)

Die sogenannten Zero-Rating-Angebote der Deutschen Telekom und von Vodafone verstoßen gegen die Netzneutralität. Deshalb hat die Bundesnetzagentur den Anbietern jetzt die Vermarktung dieser Tarife untersagt. Auch bestehende Verträge müssen sie abwickeln. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, die Tarife seien mit dem Unionsrecht unvereinbar.

Konkret geht es um die Telekom-Tarifoptionen “StreamOn” sowie um “Vodafone Pass”. Bei diesen werden beispielsweise die beim Streaming von bestimmten Anbietern übertragenen Daten nicht auf das monatliche Datenvolumen angerechnet. Die Bundesnetzagentur teilte am Donnerstag mit, die Tarife behandelten den Datenverkehr nicht gleichberechtigt – und das sei ein Verstoß gegen die Netzneutralität. Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten im Internet gleichbehandelt werden müssen – unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger.

Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller kommentierte: “Wir beenden die Ungleichbehandlung von Datenverkehren, die mit den Zero-Rating-Optionen verbunden sind.”

EuGH hatte zu den Tarifen geurteilt

Die Bundesnetzagentur verwies auf drei Urteile des EuGH vom September 2021: Die Richter hatten damals entschieden, dass die beiden Zero-Rating-Tarife gegen die EU-Verordnung “über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet” verstoßen. In dieser ist der Grundsatz der Netzneutralität auf europäischer Ebene verankert. Der EuGH hatte erklärt, bei den Tarifen werde “auf Grundlage kommerzieller Erwägungen” eine “Unterscheidung innerhalb des Internetverkehrs” vorgenommen.

Entschieden hatte der Gerichtshof in insgesamt drei Verfahren, die ihm vom Verwaltungsgericht Köln und dem Oberlandesgericht Düsseldorf vorgelegt worden waren. Geklagt hatte zum einen der Bundesverband Verbraucherschutzentralen (vzbv) gegen Vodafone. In den anderen beiden Verfahren hatten die Netzbetreiber gegen die Bundesnetzagentur geklagt, weil diese die Anbieter zuvor zur Änderung ihrer Tarife verpflichtet hatte.

Schon damals hatte die Bundesnetzagentur erklärt, es sei zu erwarten, “dass die auf Anordnung der Bundesnetzagentur bereits 2019 angepassten Angebote in ihrer jetzigen Form nicht aufrechterhalten werden können”.

Nach der Entscheidung der Bundesnetzagentur müssen die Telekom und Vodafone die Vermarktung ihrer Zero-Rating-Tarife nun bis zum 1. Juli einstellen. Um bestehende Verträge abzuwickeln, haben die Anbieter bis Ende März 2023 Zeit. Die Behörde teilte mit, diese Frist sei “angesichts der großen Anzahl von Bestandskunden” erforderlich, “auch um einen verbraucherfreundlichen Übergang auf andere Tarife zu ermöglichen”.

Verbraucherschützer hoffen auf mehr Wettbewerb

Behördenchef Müller sagte: “Wir erwarten, dass die Anbieter nun Tarife mit höheren Datenvolumina oder günstigere Mobilfunk-Flatratetarife anbieten. Verbraucherinnen und Verbraucher werden davon profitieren.”

Der vzbv schrieb auf Twitter, er erhoffe sich durch die Entscheidung mehr Wettbewerb und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Ein Telekom-Sprecher sagte auf Anfrage von Posteo: “Die Bundesnetzagentur hat Zero-Rating-Angebote in Deutschland leider weitgehend untersagt. Dies hat Auswirkungen auf das StreamOn-Angebot der Telekom. Entsprechend der neuen Vorgaben wird das Unternehmen StreamOn nicht mehr zur Verfügung stellen können. Wir werden unsere Kunden und Partner unter Berücksichtigung der behördlich vorgegebenen Übergangsfristen über den Zeitpunkt, ab dem der Service nicht mehr genutzt werden kann, informieren.”

Vodafone erklärte gegenüber Posteo, die Anordnung derzeit zu analysieren. Im Anschluss werde das Unternehmen über weitere Schritte informieren. “Aktuell bleibt für unsere Kunden alles wie gehabt.”

Europaweites Verbot von Zero Rating gefordert

Aufgrund der EuGH-Urteile aus dem vergangenen Jahr überarbeitet aktuell das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation seine Leitlinien zur Durchsetzung der Verordnung “über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet”. Vor diesem Hintergrund hatten im Oktober 13 Organisationen gefordert, Zero-Rating-Tarife in Europa zu verbieten. Das Gremium müsse Schlupflöcher für solche Tarife schließen. Unterzeichnet hatten die Forderung unter anderem der Chaos Computer Club, Epicenter Works und Access Now.

Die Organisationen hatten geschrieben, es sei bemerkenswert, dass der EuGH seine Begründung in allen drei Urteilen wortgleich formuliert hat. Daher sei es “offensichtlich”, dass alle Zero-Rating-Tarife gegen das Unionsrecht verstoßen.

Bereits im Jahr 2020 hatte der EuGH die EU-Verordnung zur Netzneutralität in einem Urteil zum Angebot eines ungarischen Netzbetreibers zum ersten Mal ausgelegt. Die Richter hatten argumentiert, solche Tarife könnten die Rechte der Kundinnen und Kunden erheblich einschränken. Sie könnten unter anderem dazu beitragen, dass die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen erhöht und der anderen Anwendungen verringert werde.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass bei Zero Rating nur die Dienste großer Anbieter vom Datenvolumen ausgenommen werden. Epicenter Works hatte 2019 festgestellt, dass sich gleich zwei Facebook-Dienste unter den drei häufigsten Angeboten in solchen Tarifen im Europäischen Wirtschaftsdienst finden. Unter den 20 am häufigsten angebotenen Diensten waren zudem nur drei europäische Anbieter. (dpa / js)