Extremwetter wird Alltag für zukünftige Generationen
Heute lebende Erwachsene können maßgeblich dazu beitragen, den Planeten für heutige Kinder und zukünftige Generationen weniger bedrohlich zu gestalten. Denn laut einer neuen Studie wird ein Kind, das 2021 geboren wird, viel mehr Extremwetterereignisse erleben als seine Großeltern. Mit der düsteren Prognose erinnern die Wissenschaftler einen Tag nach der Bundestagswahl an Nachholbedarf in der globalen Klimapolitik.
Ein heute geborenes Kind wird in seinem Leben aufgrund des Klimawandels im Schnitt doppelt so viele Waldbrände, drei Mal so viele Überschwemmungen und Ernteausfälle, sowie sieben Mal so viele Hitzewellen ertragen müssen als ein 1960 geborener Erdenbürger – zumindest solange die Länder ihre derzeitigen Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasen beibehalten. Das geht aus der Studie “Ungleichheit zwischen den Generationen bei der Exposition gegenüber Klimaextremen” von internationalen Wissenschaftlern hervor, die am Montag in der Fachzeitschrift “Science” veröffentlicht wurde. Das Einhalten des 1,5-Grad-Ziel könne einen großen Unterschied machen und somit viel Leid verhindern.
“Die Klimakrise ist in ihrem Kern eine Kinderrechtskrise”, kommentierte Inger Ashing, Geschäftsführerin von der Hilfsorganisation Save the Children die Studie, “wir können das Ruder herumreißen – aber wir müssen auf die Kinder hören und aktiv werden.”
Ständige Hitzewellen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten aus Europa, China, Japan und den USA legten vorhandene Daten zu globalen Temperaturverläufen und Projektionen für Extremwetterereignisse mit Bevölkerungsdaten und Lebenserwartungszahlen übereinander. Dabei betrachteten sie unterschiedliche Szenarien, was die Erhöhung der weltweiten Durchschnittstemperatur angeht.
Ein Beispiel: Eine 1960 geborene Person erlebt der Rechnung zufolge im Schnitt etwa zwei bis sechs Hitzewellen. In die Lebenszeit eines 2020 geborenes Kindes fallen dagegen durchschnittlich 10 bis 26 Hitzewellen, wenn der globale Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt wird. 15 bis 29 Hitzewellen sind es bei einem Anstieg von 2,0 Grad – und 21 bis 39 Hitzewellen, wenn die derzeitigen Klimastrategien der Regierungen beibehalten werden.
Ärmere besonders betroffen
Einen Anstieg gibt es demnach auch bei anderen Extremwetterereignissen, zum Beispiel Waldbränden. Das hatte beispielsweise auch der im August veröffentlichte Klimabericht des UNO-Weltklimarats (IPCC) belegt.
Menschen, die heute jünger als 40 Jahre sind, würden “ein bisher nie dagewesenes Leben” führen, was Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen und Ernteausfälle angehe, erklärte Hauptautor Wim Thiery von der Freien Universität Brüssel. Die Ergebnisse zeigten eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der jungen Generationen und legten drastische Emissionsreduzierungen nahe. Thiery ergänzte: “Wir haben leider gute Gründe für die Annahme, dass unsere Berechnungen den tatsächlichen Anstieg, dem junge Menschen ausgesetzt sein werden, sogar noch unterschätzen.”
Besonders stark wird der Anstieg von Extremwetter-Ereignissen demnach für derzeit junge Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika. Grundsätzlich werden junge Generationen in Ländern mit geringem Durchschnittseinkommen laut der Prognose stärker betroffen sein als in reicheren Ländern. Zwischen 2016 und 2020 im Afrika südlich der Sahara geborene Kinder werden fünfeinhalb bis sechs Mal mehr Extremwetter erleben.
Aber auch Europa wird es demnach treffen: Hier werden für heutige Kleinkinder etwa vier Mal mehr Extremwetter-Ereignisse prognostiziert. Die Zahlen auf Deutschland herunterzubrechen ist laut den Studienautoren aber schwierig. Belastbar seien die Durchschnittswerte, wenn man sie auf kontinentaler Ebene oder für sehr große Länder betrachte.
Es ist nicht zu spät
“Die gute Nachricht ist: Wir können tatsächlich einen Großteil der Klimabelastung von den Schultern unserer Kinder nehmen, wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, indem wir aus der Nutzung fossiler Brennstoffe aussteigen”, stellte Mitautorin Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung klar. Global könne das für die junge Generation 24 Prozent weniger Extremwetterereignisse bedeuten im Vergleich zu der Entwicklung, wenn die Nationen bei ihren derzeitigen Zusagen zur Emissionsreduzierung bleiben. Für Europa wäre es ein Minus von 28 Prozent, im Nahen Osten und Nordafrika sogar minus 39 Prozent. (dpa / hcz)