Fehler in britischer Einwanderungsdatenbank betrifft 76.000 Menschen
In einer Einwanderungsdatenbank des britischen Innenministeriums wurden massenhaft Daten unterschiedlicher Personen falsch miteinander verknüpft. Es soll Zehntausende Betroffene geben. Für diese bedeutet das beispielsweise, dass falsche Angaben zu ihrem Visum angezeigt werden. Das berichtet die Zeitung The Guardian unter Berufung auf interne Dokumente des Ministeriums.
Laut dem Bericht sind in der sogenannten “Person Centric Data Platform” alle Interaktionen von Migranten mit dem britischen Einwanderungssystem hinterlegt – auch Visumsanträge, Ausweisdokumente und biometrische Daten. Insgesamt sollen in der Datenbank Informationen zu 177 Millionen Menschen gespeichert sein. Sie ist Teil eines Projektes zur vollständigen Digitalisierung der Visums- und Einwanderungssysteme.
Bei mindestens 76.000 Personen sollen biografische und biometrische Daten fälschlicherweise mit denen anderer Personen verknüpft worden sein.
Auch das von Grenzbeamten und Behördenmitarbeitern genutzte System “Atlas” greift auf diese Datensätze zu. Die falsch zugeordneten Datensätze führen laut Bericht dazu, dass Beamte eine Passnummer abfragen und unter Umständen Namen, Foto oder Einwanderungsstatus einer anderen Person angezeigt bekommen. Britische Medien hatten bereits Anfang März über vermehrt auftretende Probleme mit “Atlas” berichtet.
Konsequenzen für Betroffene
Die Datensätze fließen zudem in staatliche Online-Systeme ein, mit denen Menschen beispielsweise ihre Arbeitserlaubnis gegenüber Arbeitgebern nachweisen. In solchen Fällen könne es ebenfalls vorkommen, dass falsche Daten angezeigt werden – und potenzielle Arbeitsplätze nicht angetreten werden können.
Mehrere Betroffene haben gegenüber dem Guardian Situationen geschildert, in die sie durch die fehlerhafte Datenbank geraten sind. Ein aus Nicaragua stammender Geflüchteter konnte beispielsweise seinen Status nicht nachweisen und sagte: “Es wird behauptet, ich sei nicht berechtigt zu arbeiten, obwohl ich es bin. Ich habe das Gefühl, dass das Innenministerium meinem Leben und meiner mentalen Gesundheit geschadet hat.”
Auch eine in Großbritannien lebende Polin erzählte, neben ihrem Foto würden die Angaben zum Visum einer anderen Person angezeigt. Deshalb habe sie bisher keine Arbeit aufnehmen können.
Eine Geflüchtete aus Simbabwe berichtete, beim Aufruf ihrer Daten würden Fotos einer anderen Frau angezeigt – sie habe gedacht, ihre Identität sei gestohlen worden. Das Innenministerium habe sie abgewimmelt. Sie sagte dem Guardian, sie fühle sich an den Postskandal erinnert. In Großbritannien waren über Jahre hinweg Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post wegen Betrugs und Diebstahl fälschlicherweise strafrechtlich verfolgt worden. Tatsächlich aber waren Softwarefehler die Ursache für Fehlbeträge in zahlreichen Postfilialen.
Eine weitere Frau, deren Daten vertauscht wurden, sagte: “Wir sind Geiseln dieses lächerlichen Systems. Wir sind gezwungen zu beweisen, wer wir sind. Mein Leben ist nicht mehr mein eigenes.”
Andreea Dumitrache von der Initiative the3million, die sich für EU-Bürger in Großbritannien einsetzt, erklärte: “Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Tages auf und es steht Ihr Wort gegen ein Computersystem – und Ihre Zukunft hängt davon ab.”
Untersuchung eingeleitet
Was genau zu den Fehleinträgen geführt hat, bleibt unklar. In den vom Guardian eingesehenen Dokumenten werden diese jedoch als ein “seit langem bestehendes Problem” bezeichnet – eine Arbeitsgruppe soll sich bereits damit beschäftigen. Öffentlich habe sich das Innenministerium bisher jedoch bedeckt gehalten und nur vage von “IT-Problemen” gesprochen. Minister hätten bestritten, dass ein systematisches Problem vorliege. Allerdings gehe aus den Dokumenten hervor, dass das Innenministerium das Problem im Januar sogar wissentlich verschlimmert hat, als nicht näher erläuterte Änderungen an der Methode zur Verknüpfung von Datensätzen vorgenommen wurden.
Der kürzlich entlassene Chefinspektor für Grenzen und Immigration, David Neal, sagte, der Bericht des Guardian scheine seine “früheren Befürchtungen zu bestätigen, dass die Daten des Innenministeriums unverzeihlich miserabel sind.” Und weiter: “Die Tatsache, dass das Innenministerium diese Fehler offenbar in Kauf genommen hat, sollte Anlass zu großer Besorgnis sein.” Er forderte eine unabhängige Untersuchung.
Laut dem Guardian untersucht die britische Datenschutzbehörde bereits, ob es sich um einen Datenschutzverstoß handelt. Das Innenministerium versuche zudem, mit einer Software potenziell falsch verknüpfte Identitäten zu finden. (js)