Fluggastdatenanalyse: Viel Überwachung für wenige Ergebnisse

Passagierabfertigung
Ist es das wert? Die Reisedaten Millionen Unbeteiligter werden überwacht, um ein paar wenige Verdächtige zu fassen. (Quelle:Mikano – CC BY-SA 3.0)

Es steht die Frage im Raum, bei welchen Erfolgsquoten Massenüberwachung wie die Fluggastdatenerfassung verhältnismäßig ist: Im Jahr 2019 hat die Fluggastdatenzentralstelle des Bundeskriminalamtes (BKA) über 78 Millionen Passagierdatensätze (Passenger Name Record, kurz PNR) von knapp 24 Millionen Fluggästen gesammelt. Um gesuchte Straftäterinnen und Straftäter sowie Verdächtige und terroristische Gefährder zu identifizieren, glich das BKA die Daten von 111.588 Personen mit der polizeilichen Fahndungsdatenbank ab.

Die Anzahl der tatsächlichen Fahndungstreffer betrug 1960; das entspricht gerade einmal 0,0082 Prozent der kontrollierten Passagiere. Die Zahlen gehen aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich (Die Linke) hervor, die der IT-Nachrichtenseite heise online vorliegt.

2020 mehr Daten zur Verfügung

Für das erste Quartal 2020 liegen auch bereits Daten vor. Hier hat sich die Quote etwas verbessert: Die Erfolgsquote lag bei 0,011 Prozent. Das BKA sammelte 43 Millionen Passagierdatensätze zu 12 Millionen Fluggästen, überprüfte 33.530 Personen und erzielte insgesamt 1277 Datenbanktreffer. Für das zweite Quartal nennt das Bundesinnenministerium keine Zahlen. Der Flugverkehr sei wegen der Corona-Pandemie eingebrochen und die Daten statistisch nicht vergleichbar.

1 Treffer auf 400 Fehler

Die veröffentlichten Erfolgsquoten sind allerdings mit Vorsicht zu bewerten. Denn laut Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im April 2019 liefert das automatische System zum Abgleich mehr Fehler als korrekte Treffer. Auf eine korrekte Verdachtsmeldung kommen 400 falsche Treffer.

Im Anschluss müssen Beamte die falschen Treffer händisch aussortieren. Zum Zeitpunkt der Anfrage waren damit 40 Beamte beschäftigt, die ununterbrochen im Schichtdienst arbeiteten.

Was das BKA analysiert

Die gestiegenen Fahndungstreffer fürs erste Quartal 2020 lassen sich laut heise online damit erklären, dass den Behörden inzwischen mehr Daten zur Verfügung stehen. Die Steigerungen seien laut Bericht “durch den sukzessiven Aufwuchs des PNR-Systems durch Anbindung weiterer Luftfahrtunternehmen und Flugverbindungen” erfolgt.

Im Passenger Name Record (PNR) speichern die Fluglinien Daten zum Passagier und Flug. Die Datensätze enthalten Name, Anschrift und Zahlungsdaten der Reisenden. Außerdem enthält der PNR Informationen zum gebuchten Flug wie Datum, Uhrzeit, Start- und Zielflughafen. Das Fluggastdatengesetz schreibt den Fluggesellschaften seit Mai 2018 vor, die Informationen automatisch an das BKA weiterzuleiten. Die Einträge werden nach einem halben Jahr “depersonalisiert” und nach fünf Jahren vollständig gelöscht.

Bereits vor der Einführung stand die Fluggastdatenspeicherung bei Politikern, Datenschützern und Bürgerrechtlern in der Kritik. Sie halten die Überwachung aller Fluggäste für unverhältnismäßig und sehen alle Passagiere einem Generalverdacht ausgesetzt. Der Streitfall liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof.

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich kritisierte das Gesetz gegenüber heise online: “Die massenhafte Speicherung und Verarbeitung von Passagierdaten ist weder erforderlich noch verhältnismäßig. Sie trifft auch vorwiegend Unbeteiligte.”

Österreich hat die Fluggastdatenanalyse beispielsweise bereits am 16. Juni 2020 ausgesetzt. PNRs speichern die Behörden dort nur noch von Flügen zwischen EU und Drittstaaten; innereuropäische Verbindungen werden nicht mehr erfasst. hcz