Frankreich: Nationalversammlung beschließt Klimaschutzgesetz
Die französische Nationalversammlung hat in dieser Woche ein Gesetz zum Klimaschutz verabschiedet. Die Gesetzesinitiative hatte zuvor eine der längsten parlamentarischen Debatten in der Geschichte ausgelöst. Die Abstimmung im Senat wird im Sommer erwartet.
Das Gesetz sieht ein Verbot von bestimmten Kurzstrecken-Inlandsflügen vor, bewusste Umweltzerstörung soll mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden – und öffentliche Kantinen sollen zumindest gelegentlich Gerichte ohne Fleisch anbieten.
Vor der Abstimmung hatte es Proteste gegen das geplante Gesetz gegeben. Aktivistinnen und Aktivisten der Umweltbewegung ketteten sich an das Tor der Nationalversammlung – ihnen und vielen anderen Bürgern gehen die Pläne der Regierung nicht weit genug.
Teile des Gesetzesvorhabens gehen aus einem Bürgerkonvent zum Klima hervor, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach den Protesten der “Gelbwesten” ins Leben gerufen hatte. Macron wollte durch den Bürgerkonvent die Zustimmung der Bevölkerung für die Klimapolitik erhöhen. 150 Bürgerinnen und Bürger wurden zufällig für das Gremium ausgewählt und erarbeiteten Lösungsvorschläge.
Im vergangenen Sommer hatte der Konvent dann 149 Vorschläge zur Bekämpfung des Klimawandels vorgelegt. Die nun geplanten Maßnahmen der Regierung schnitten bei den Mitgliedern des Konvents aber schlecht ab. Sie kritisierten, dass der Gesetzesentwurf nicht ehrgeizig genug sei und laut Medienberichten nur 70 der Vorschläge in das Gesetz übernommen worden seien – teils in stark abgeschwächter Form. Drei Vorschläge hatte Macron schon im Vorhinein nicht akzeptiert: ein Tempolimit von 110 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, eine vierprozentige Ökosteuer auf Unternehmensdividenden und die Verankerung des Umweltschutzes als vorrangiges Ziel in der Präambel der französischen Verfassung. Auch wurden fast alle der 7000 eingegangenen Änderungsanträge abgelehnt, die Verschärfungen vorgesehen hätten; 20 bis 25 Prozent wurden laut Greenpeace Frankreich für unzulässig erklärt.
“Erst kommen Wachstum und Konsum”
“Die Regierung hatte gesagt, sie wolle, dass wir Lösungen liefern. Aber sie haben sich jetzt einfach das herausgepickt, was ihnen passt”, kritisierte der Konventteilnehmer William Aucant gegenüber der Deutschen Welle. Es sei bitter und er sei wirklich sauer.
“Der Bürgerkonvent hatte ein klares Mandat, Vorschläge zu erarbeiten, mit der die französische Klimapolitik eine 40-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen gegenüber den Werten von 1990 erreichen kann”, sagt Meike Fink vom Climate Action Network, das die Konventteilnehmer zu Klimathemen informierte, der Deutschen Welle. Mit den Vorschlägen und den politischen Maßnahmen, die bereits in Kraft sind, würde keines dieser Ziele eingehalten. Die Regierung habe den Lobbyisten der Industrie nachgegeben, vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäudesanierung. Beispielsweise wurde ein Vorschlag verworfen, der eine Steuer auf Autos mit hohen Emissionswerten gefordert hatte.
Auch Greenpeace Frankreich sieht das neue Gesetz als nicht ambitioniert genug an, um die Treibhausgasemissionen ausreichend zu senken: “Die Regierung hat ihre Arbeit fortgesetzt, um die Vorschläge der Bürgerkonvention für das Klima zu untergraben, und lehnt es immer noch ab, Maßnahmen zu ergreifen, die den Klimaproblemen angemessen sind.”
Verwässert: Ökozid und weniger Inlandsflüge
Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem das Verbot bestimmter Kurzstreckenflüge in Frankreich vor, wenn alternativ eine Zugverbindung existiert, deren Fahrtzeit nicht mehr als zweieinhalb Stunden beträgt. Die Mitglieder des Bürgerkonvents hatten eine maximale Fahrtzeit von vier Stunden gefordert. Laut Spiegel Online kritisieren Umweltschützer, dass die nun untersagten Kurzstrecken-Inlandsflüge nur weniger als ein Prozent der gesamten CO2-Emissionen des französischen Luftverkehrs ausmachen.
Ab dem Jahr 2025 soll die Luftfahrtbranche einen “ausreichenden Kohlenstoffpreis” zahlen. Ziel sei ein europäisches System zur CO2-Kostenberechnung im Luftverkehr. Ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes soll die Regierung dem Parlament einen Bericht über die Umsetzung des Vorhabens vorlegen.
Um die Fluggesellschaften vor zu hoher finanzieller Belastung zu schützen, soll die Regierung 2022 einen Plan gegen zu niedrige Flugticketpreise beziehungsweise “Verlustverkäufe von Flugtickets” vorlegen. Laut Gesetz sind europaweite Vorschriften für Mindestpreise das Ziel – in der ersten Jahreshälfte 2022 wird Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.
Außerdem soll der Straftatbestand des Ökozids geschaffen werden. Wer wissentlich schwer und dauerhaft die Gesundheit, die Flora, die Fauna oder die Qualität der Luft, des Wassers oder des Bodens schädigt, kann mit bis zu zehn Jahren Haft oder 4,5 Millionen Euro bestraft werden. Dieser Betrag kann auf das Zehnfache des aus der Straftat gezogenen Vorteils erhöht werden. Schäden gelten jedoch nur dann als “dauerhaft”, wenn sie mindestens zehn Jahre anhalten.
Schäden, die durch Fahrlässigkeit oder Leichtsinn entstehen, sind ausgeschlossen. Linksgerichtete Abgeordnete kritisierten dies bereits bei einer Abstimmung im April.
Vegetarische Kantinengerichte
Staatliche Küchen und Kantinen, beispielsweise in der Verwaltung, der Armee und in staatlichen Schulen, sollen zukünftig mindestens auch eine vegetarische Mahlzeit pro Tag anbieten. Allerdings erst ab dem Jahr 2023, und nur, wenn mehrere unterschiedliche Menüs angeboten werden. Bis dahin müsste in der Schulverpflegung einmal pro Woche ein vegetarisches Menü angeboten werden. “Versuchsweise” und freiwillig können staatliche Schulverpflegungsdienste dieses aber auch jetzt schon in den täglichen Speiseplan aufnehmen. Nach zwei Jahren soll dieser “Versuch” dann bewertet werden hinsichtlich Kosten, Ernährungsqualität und Auswirkungen auf das Klima.
Wer sein Auto verschrotten lässt oder sein Fahrzeug auf Elektroantrieb umrüstet, soll dafür Beihilfen bekommen, um beispielsweise ein Fahrrad oder E-Bike zu kaufen. Konkreter wird der Gesetzestext bei diesem Vorhaben nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters spricht aber von einer Förderung von 2500 Euro.
Entgegen eines Vorschlags aus dem Bürgerkonvent soll Werbung für umweltschädliche Produkte weiterhin erlaubt bleiben. Nur Reklame für fossile Brennstoffe soll verboten werden. Bei Verstoß droht eine Geldstrafe von bis zu 75.000 Euro.
Besonders große Geschäftszentren sollen laut Gesetz nicht mehr gebaut werden dürfen. Bauvorhaben mit weniger als 10.000 Quadratmetern sind aber ausgenommen – worunter laut Umweltverbänden 80 Prozent der Neubauten dieser Art fallen.
Aufzählung der verpassten Chancen
Greenpeace Frankreich hat eine Liste von Maßnahmen veröffentlicht, die von der Zivilgesellschaft und dem Bürgerkonvent vorgeschlagen worden waren, aber später von der Regierung oder den Abgeordneten abgelehnt wurden. Darunter finden sich Vorschläge wie eine Kerosinbesteuerung, eine Stickstoffdüngerabgabe, das Verbot des Verkaufs der umweltschädlichsten Fahrzeuge ab 2025 und ein Ende der Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025.
In Deutschland muss das Klimaschutzgesetz demnächst nachgebessert werden. Denn nach Klagen von jungen Erwachsenen und Umweltschutzorganisationen entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das deutsche Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 nicht mit den Grundrechten vereinbar ist. Junge Menschen würden laut Gericht übermäßig in ihren Freiheiten belastet, weil Lasten der Emissionsminderung unumkehrbar auf Zeiträume nach dem Jahr 2030 verschoben wurden. Bis Ende 2022 muss der deutsche Gesetzgeber nun die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen nachbessern. Voraussichtlich fällt diese Aufgabe der zukünftigen Bundesregierung zu. (dpa / hcz)