G20-Konferenz enttäuscht beim Klimaschutz
Klimaschützer beklagen eine “absurd große” Lücke zwischen den Versprechen der großen G20-Wirtschaftsnationen und ihrem tatsächlichen Engagement im Kampf gegen die Erderhitzung. “Messlatte für die Ernsthaftigkeit der Bekenntnisse zum Klimaschutz werden nun einerseits die Beschlüsse des Klimagipfels von Dubai werden und andererseits, ob eine massive Beschleunigung für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, ein Zurückfahren von Kohle, Öl und Gas sowie eine neue Größenordnung der Klimainvestitionen überall gelingt”, sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
Insbesondere die ölfördernden Staaten Russland und Saudi-Arabien hätten bei dem am Sonntag geendeten Gipfel in Neu Delhi verhindert, dass in der finalen Erklärung ein Ausstieg auch aus Öl und Gas angekündigt wurde, bilanzierte Bals. Dabei gehe es ihnen um Machterhalt. “Beide Länder wollen durch weitere Verkäufe von Öl und Gas ihre Stellung in der Welt absichern.”
Aus Sicht von Greenpeace endete der G20-Gipfel mit einem “enttäuschenden Ergebnis zum Klimawandel”. Tracy Carty, Expertin für globale Klimapolitik bei Greenpeace International, kritisierte: “Trotz rekordverdächtiger Temperaturen, wütenden Waldbränden, Dürren, Überschwemmungen und anderen Klimakatastrophen in den letzten Monaten, von denen zig Millionen Menschen betroffen waren, ist es den Staats- und Regierungschefs der G20 in diesem Jahr insgesamt nicht gelungen, etwas Sinnvolles zum Klimawandel zu liefern.”
Greenpeace wies darauf hin, dass die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe Menschenleben kosten und den Verlust von Lebensgrundlagen nach sich ziehen wird. “Fossile Brennstoffe bringen uns um”, konstatierte Carty.
Geld und Engagement gefordert
Der Präsident des World Resources Institute, Ani Dasgupta, stufte die G20-Beschlüsse ebenfalls als unzureichend ein – gerade angesichts des heißesten Sommers aller Zeiten, den der Planet gerade durchlebt habe. “Die Welt brennt, Menschen hungern und die Welt ist nicht auf dem richtigen Weg, ihre Klimaziele zu erreichen”, warnte er.
“Sie [die G20] sollten sich dazu verpflichten, erneuerbare Energien zu verdreifachen und den Transport ohne fossile Brennstoffe deutlich auszubauen, unsere Lebensmittelsysteme umzugestalten, die Widerstandsfähigkeit zu stärken und die Finanzmittel bereitzustellen, die klimagefährdete Länder benötigen”, so Dasgupta. Die wohlhabenden Staaten müssten armen Ländern, die am meisten unter der Klimakrise leiden, Schulden erlassen.
Auch müssten sich die G20 generell zügig von den klimaschädlichen Energieträgern Öl, Kohle und Gas verabschieden. Erneuerbare Energien, etwa aus Wind und Sonne, seien in den meisten Weltregionen inzwischen ohnehin günstiger. Dasgupta forderte mehr Führung seitens der wohlhabenden Länder bei diesen Maßnahmen.
Versprechen für 2030
Als einen echten Hoffnungsschimmer, auch für die Weltklimakonferenz im Dezember in Dubai, wertete Germanwatch, dass die G20 ihre Kapazität für Erneuerbare Energien bis 2030 verdreifachen wollen. “[…] in Dubai wird sich entscheiden, ob es so ausgeht, dass die Pariser Klimaziele in Reichweite kommen”, so Bals.
Außerdem haben die Staaten laut Germanwatch erstmals anerkannt, dass Finanzströme “in einer ganz neuen Größenordnung” organisiert werden müssen, um den Klimaschutz, die Anpassung an die Erderwärmung sowie die Schadensbewältigung zu bezahlen. Um dafür Geld zu beschaffen, schlug Bals vor, den internationalen Schiffs- und Flugverkehr mit zusätzlichen Abgaben zu belegen sowie die globalen Finanzinstitutionen wie Weltbank und Internationalem Währungsfonds umzubauen.
Greenpeace-Expertin Carty bewertete die Ankündigungen zum Kapazitätsausbau für Erneuerbare Energien kritisch: Den Staats- und Regierungschefs sei es nicht gelungen, sich auf den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen zu einigen. Auch hätten sie sich nur “zaghaft” und im Rahmen von bereits “bestehenden Zielen und Maßnahmen” dazu verpflichtet, die erneuerbaren Energien zu verdreifachen. Die Organisation fordert von den G20-Staaten angesichts der Lage “Einigkeit, Dringlichkeit und Ehrgeiz”.
Auch bei der Finanzierung internationaler Klimaschutzbemühungen sieht Greenpeace ein Versagen der Gipfelteilnehmer: “Die entwickelten G20-Länder haben es völlig versäumt, konkrete Schritte zu unternehmen, um die internationale finanzielle Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen.” Bereits bestehende finanzielle Zusagen an ärmere Staaten wie 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung bis 2025 blieben unerfüllt.
Keine Kehrtwende in Sicht
Die G20-Staaten sind für etwa 80 Prozent des weltweiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich – also vor allem Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan. Trotz aller Versprechen der Staatengemeinschaft haben die weltweiten Emissionen nach Zahlen der Internationalen Energie-Agentur im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand von 36,8 Gigatonnen erreicht.
Schon jetzt hat sich die Welt im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um etwa 1,1 Grad Celsius erwärmt; Deutschland sogar um 1,6 Grad. Die acht wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren die letzten acht. Fatale Folgen der Klimakrise: Längere und heftigere Dürren und Hitzewellen, Unwetter, Stürme und Überschwemmungen.
Gerade das Gastgeberland des diesjährigen G20-Gipfels Indien gehört zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern, so Greenpeace. “In den letzten Jahren haben wir in vielen Teilen des Landes eine Zunahme verheerender und häufiger extremer Wetterereignisse, darunter Wirbelstürme, Überschwemmungen und Hitzewellen, erlebt.” Weiterhin zahlten die Gemeinschaften weltweit den höchsten Preis für die Klimakrise, die am wenigsten dazu beigetragen haben. (dpa / hcz)