Amnesty prangert Menschenrechtsverletzungen im Iran an

Protest gegen Hinrichtungen im Iran
Die Menschenrechtsorganisation wirft dem Regime unter anderem vor, die Todesstrafe als Mittel politischer Unterdrückung einzusetzen. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den iranischen Behörden vor, Protestierende gefoltert und getötet zu haben. Die Täter müssten von der internationalen Gemeinschaft unter dem sogenannten Weltrechtsprinzip strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, fordert die Organisation am Mittwoch. Anlass ist der erste Todestag der jungen iranischen Kurdin Mahsa Amini in dieser Woche – nach ihrem Tod vor einem Jahr waren im Iran landesweite Proteste gegen das Regime ausgebrochen. Seitdem halten die Repressionen im Land an.

Die damals 22-jährige Mahsa Amini war am 16. September 2022 gestorben, nachdem sie drei Tage zuvor von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden war – weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hatte. Der Tod der jungen Frau hatte eine massive Protestwelle im Iran ausgelöst.

Amnesty International wirft den Behörden im Iran vor, “zahlreiche völkerrechtliche Verbrechen” begangen zu haben, um jegliche Kritik im Keim zu ersticken. Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, erklärte: “Die iranischen Behörden haben im vergangenen Jahr unsägliche Grausamkeiten gegen Menschen im Iran verübt, die sich mutig gegen jahrzehntelange Unterdrückung und Ungleichheit gewehrt haben. Ein Jahr nachdem Jina Mahsa Amini im Gewahrsam gestorben ist, sind diejenigen Staatsbediensteten, die während und nach den Unruhen Verbrechen begangen haben, immer noch nicht strafrechtlich verfolgt und bestraft worden.”

Behörden wollen Proteste am Jahrestag verhindern

Auch übt die Regierung weiterhin Druck auf die Bevölkerung aus: So wurden zuletzt beispielsweise sechs Männer festgenommen, weil sie mutmaßlich Proteste am Todestag von Amini geplant haben sollen. Amnesty berichtet außerdem, Tausende Studierende seien im Iran gezwungen worden, sich schriftlich zu verpflichten, nicht an Protesten zum Jahrestag teilzunehmen.

Die Behörden gehen zudem zunehmend gegen Frauen vor, die sich dem Kopftuchzwang widersetzen. Einem Bericht von Amnesty aus dem Juli zufolge setzen die Behörden Überwachungstechnik ein, um Frauen zu identifizieren, die beim Autofahren kein Kopftuch tragen. Per SMS erhielten diese umgehend eine Warnung – im Wiederholungsfall werden Fahrzeuge sogar beschlagnahmt.

Auch in Fußgängerzonen kommt demnach automatische Gesichtserkennung zum Einsatz, um Frauen in der Öffentlichkeit zu identifizieren und der Justiz zu melden. Und die sogenannte Sittenpolizei patrouilliert seit Mitte Juli wieder auf den Straßen des Landes, nachdem sie zuvor einige Monate lang verschwunden war. Frauen, die sich ohne Kopftuch zeigen, werden laut Amnesty strafrechtlich verfolgt und von Gerichten verurteilt.

Erst Ende August hatte eine Kommission des iranischen Parlaments eine Strafreform gebilligt, die noch härtere Strafen bei Missachtung der Kleidungsregeln vorsieht. Medienberichten zufolge sind in bestimmten Fällen bis zu 15 Jahre Haft vorgesehen; Prominente sollen mit Berufsverboten belegt werden können.

Brutales Vorgehen

Bereits nach Ausbruch der Proteste vor einem Jahr waren die iranischen Sicherheitskräfte brutal gegen diese vorgegangen: Hunderte Demonstrierende und Unbeteiligte wurden getötet; darunter auch Dutzende Minderjährige. Tausende Menschen wurden darüber hinaus durch scharfe Geschosse und Metallkugeln verletzt – laut Amnesty sind Menschen in Folge dessen beispielsweise erblindet oder haben Gliedmaßen verloren.

Zudem seien Zehntausende Menschen willkürlich festgenommen worden. Amnesty kritisiert, Tausende inhaftierte Demonstrierende seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden – darunter auch Kinder. Im März hatte die Organisation in einem Bericht dokumentiert, dass Jungen und Mädchen in iranischen Gefängnissen unter anderem mit Schlägen, Peitschenhieben, Elektroschocks, Vergewaltigungen und anderer sexualisierter Gewalt – oder deren Androhung – malträtiert wurden.

Mindestens sieben Männer wurden in Verbindung mit den Protesten hingerichtet. Amnesty kritisiert, sie seien in “grob unfairen Scheinprozessen” zum Tode verurteilt worden. Nach Einschätzung der Organisation haben die iranischen Behörden die Todesstrafe zunehmend als Mittel politischer Unterdrückung eingesetzt.

Duchrow sagte: “Der Jahrestag der Protestbewegung ‘Frau, Leben, Freiheit’ ist Anlass für uns von allen Ländern der Welt zu fordern, dass die furchtbaren Verbrechen der iranischen Behörden unter dem Weltrechtsprinzip strafrechtlich aufgearbeitet werden.”

Amnesty fordert Staaten zum Handeln auf

Die internationale Gemeinschaft solle sich auf das Weltrechtsprinzip berufen, um den völkerrechtlichen Verbrechen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen durch die iranischen Behörden zu begegnen. Nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip können besonders gravierende Taten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch von Ländern ohne besondere Verbindung zu dem Fall die Straftat verfolgt werden.

Staaten sollten auch “mit angemessenen Mitteln ausgestattete strafrechtliche Ermittlungen” einleiten, um mutmaßlich Verantwortliche zu identifizieren. Wenn genügend Beweise vorlägen, müssten internationale Haftbefehle ausgestellt werden.

Duchrow fordert auch die Bundesregierung zum Handeln auf: “Die Bundesregierung muss die iranischen Behörden auffordern, den rechtswidrigen Einsatz von Schusswaffen gegen Demonstrierende einzustellen, Gefangene nicht zu foltern und alle Personen freizulassen, die lediglich wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.” (js)