Kirgisistan geht gegen Investigativmedium vor
Die Staatsanwaltschaft der kirgisischen Hauptstadt Bischkek hat Klage gegen den Betreiber eines der wichtigsten Nachrichtenportale des Landes erhoben. Die Behörde wirft der Nachrichtenseite Kloop vor, sich nicht ordentlich registriert und gegen die eigene Satzung verstoßen zu haben.
Das Medium weist die Vorwürfe als unbegründet zurück und sieht das Vorgehen gegen sie als politisch motiviert an. Die Chefredakteurin von Kloop, Anna Kapushenko, bezeichnete gegenüber der Journalistenorganisation Committee to Protect Jornalists (CPJ) die Behauptungen der Staatsanwaltschaft als eine “lange Kette” repressiver Maßnahmen der Behörden gegen Menschenrechtsverteidiger und die Presse.
“Der Antrag der kirgisischen Behörden, Kloop zu schließen, ist ein ungeheuerlicher und zutiefst zynischer Versuch, einige der aufschlussreichsten investigativen journalistischen Arbeiten Kirgisistans zu unterdrücken, darunter auch Untersuchungen über mutmaßliche Korruption, in die führende Staatsbeamte verwickelt sind”, sagte Carlos Martínez de la Serna, Programmdirektor bei CPJ.
Auch die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) bezeichnete die Vorwürfe am Montag als vorgeschoben. Sie wirft den Behörden vor, das einflussreiche Medium eigentlich zerschlagen zu wollen. RSF zufolge handelt es um das wichtigste Investigativmedium des Landes.
Fadenscheinige Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft hat am 22. August Klage gegen die gemeinnützige Stiftung Kloop Media erhoben. Kloop hatte darüber berichtet, dass sich Verwandte des Präsidenten Dschaparow und Söhne des Geheimdienstchefs Kamtschybek Taschijew Aufträge für ein lukratives Bauvorhaben verschafft haben sollen: dem Bau einer Fußballakademie des spanischen Fußballvereins FC Barcelona in Kirgisistan. Auch ein russischer Geschäftsmann mit guten Kontakten zum russischen Atomenergiekonzern Rosatom sei in das Vorhaben eingebunden, hieß es in dem Artikel.
Nach dem Erscheinen des Textes reichte die Staatsanwaltschaft noch am selben Tag Klage ein. Medien wie Kloop würden Kirgisistan nur Schaden und keinen Nutzen bringen, schimpfte Präsident Dschaparow wenige Tage später in einem Interview.
Die Staatsanwaltschaft wirft Kloop vor, gegen die eigene Satzung verstoßen zu haben, die eigentlich keine journalistischen Tätigkeiten vorsehe. Nach kirgisischem Recht kann ein Medium deswegen geschlossen werden.
Gegenüber CPJ wies die Anwältin des Mediums, Fatima Yakupbayeva, darauf hin, dass Kloops Berichterstattung durchaus in der Satzung der Stiftung verankert sei. Allerdings spielt dieser Vorwurf laut RSF ohnehin nur eine untergeordnete Rolle in der Anklagebegründung. Vielmehr gehe es in dem Schreiben um die angeblichen Schäden, die die kritische Berichterstattung des Mediums verursache. RSF sieht dadurch die Annahme bestätigt, dass das eigentliche Ziel ist, Kloop zum Schweigen zu bringen.
Die Nachrichtenseite ist laut RSF besonders für umfangreiche Investigativrecherchen zu der Korruption im Umfeld des Präsidenten Sadyr Dschaparow bekannt.
Angeblich “psychische Störungen” wegen Investigativartikeln
Laut RSF wirft die Anklage dem Medium vor, die öffentliche Meinung zu manipulieren, zu Hass anzustacheln sowie Regierung und Behörden zu diskreditieren. Die Anklage zitiere zudem aus von den Behörden in Auftrag gegebenen Gutachten, denen zufolge die Texte des Mediums bei den Lesenden angeblich Angst, Besorgnis, Hoffnungslosigkeit und Depressionen sowie psychische Störungen, Aggressionen, kriminelles Verhalten, sexuelle Anomalien, Süchte und Selbstmordgedanken auslösen sollen.
Auch bemängele die Staatsanwaltschaft, dass die Publikationen des Mediums Russen verhöhnten und die Beziehungen zu Moskau in einem negativen Licht darstellen würden.
Präsident baut Demokratie ab
Sollte die Klage erfolgreich sein, könnte das Urteil das Ende von Kloop in Kirgisistan bedeuten. “Die Schließung wäre ein weiterer dramatischer Rückschlag für die Pressefreiheit in dem Land, das bis zu Dschaparows Machtantritt als demokratische Ausnahme in Zentralasien galt”, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von RSF. Die Klage müsse zurückgenommen werden.
RSF führt das Land auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 122 von 180 Staaten. Innerhalb eines Jahres ist es um 50 Plätze abgestiegen: Mit dem Amtsantritt des populistischen Präsidenten Sadyr Dschaparow im Januar 2021 habe sich die Lage der Pressefreiheit in Kirgisistan stetig verschlechtert.
Während das Land lange Zeit eine relativ vielfältige Medienlandschaft aufweisen konnte, stünden regierungskritische Journalistinnen und Journalisten nun zunehmend unter Druck. Unabhängige Medien seien Repressalien ausgesetzt und es gäbe immer weniger Raum für öffentliche Kritik. (hcz)