Gesichtserkennung in schottischen Schulkantinen
Neun Schulen im schottischen North Ayrshire setzen seit dieser Woche Gesichtserkennung in ihren Kantinen ein. Bürgerrechtler warnen vor dem Sammeln biometrischer Daten von Kindern. Und auch die britische Datenschutzbehörde hat sich eingeschaltet.
Seit Montag können die Schülerinnen und Schüler per Gesichtserkennung für ihr Mittagessen bezahlen. Installiert wurden die Erkennungssysteme von der Firma CRB Cunninghams. Deren Geschäftsführer David Swanston sagte der Financial Times, der Einsatz sei an insgesamt 65 Schulen geplant. An einigen Schulen müssten innerhalb kurzer Zeit bis zu 1000 Schülerinnen und Schüler mit Essen versorgt werden. Durch die Gesichtserkennung gehe das noch schneller als mit Kartenzahlungen oder den Fingerabdruckscannern, die ebenfalls bereits in Schulen in Großbritannien zum Einsatz kommen.
Doch wie der Guardian berichtet, hat die britische Datenschutzbehörde ICO angekündigt, den Einsatz der Technik mit der Verwaltung von North Ayrshire besprechen zu wollen. Das Datenschutzrecht schütze Kinder besonders – daher müsse vor dem Einsatz von Gesichtserkennung die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit abgewogen werden. Wenn möglich, solle auf Gesichtserkennung verzichtet werden. Werde die Erkennungstechnik verwendet, müsse das Datenschutzgesetz vor, während und nach dem Einsatz eingehalten werden.
Gesichtsbilder sind biometrische Daten. Diese Daten sind besonders sensibel, da sie sich nicht verändern lassen. Personen können so ein Leben lang über sie identifiziert werden.
Scharfe Kritik an Gesichtserkennung in Schulen
Nach Angaben des Gemeinderates haben 97 Prozent der Kinder oder ihre Eltern eingewilligt, das neue System zu nutzen. Eine Sprecherin der auf die digitalen Rechte von Kindern spezialisierten Organisation Defend Digital Me forderte gegenüber der BBC hingegen ein Verbot von biometrischen Erkennungstechniken in Schulen.
Silkie Carlo von der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch erklärte dem Guardian: “Es handelt sich um hochsensible, persönliche Daten. Man sollte Kindern beibringen, diese zu schützen, nicht sie aus einer Laune heraus weiterzugeben.” Sie kritisierte weiter: “Kein Kind sollte Kontrollen wie an der Grenze durchlaufen müssen, nur um eine Schulmahlzeit zu bekommen.” Die für die Gesichtserkennung zuständige Firma habe sich zudem geweigert offenzulegen, mit wem die Daten geteilt werden könnten. Die Organisation hat die Schulen aufgefordert, den Einsatz der Erkennungssysteme zu stoppen.
Emmanuelle Andrews von der Menschenrechtsorganisation Liberty forderte gegenüber der BBC, Kinder sollten zur Schule gehen können, ohne Massenüberwachung ausgesetzt zu sein. “Sie sollten nicht als Versuchskaninchen für diese diskriminierende und unterdrückende Technologie herhalten müssen.”
Auch Fraser Sampson, Beauftragter für Biometrie und Überwachungskameras in England und Wales, erklärte der BBC, der Einsatz von Gesichtserkennung in Schulen sei heikel – es bestehe die Gefahr einer “Normalisierung” der Verwendung biometrischer Daten.
EU-weites Verbot wird diskutiert
Im Jahr 2018 hatte auch eine schwedische Schule Gesichtserkennung verwendet, um die Anwesenheit von Schülerinnen und Schülern zu kontrollieren. In den französischen Städten Nizza und Marseille hatte es ähnliche Projekte gegeben. Doch die zuständigen Datenschutzbehörden hatten den Einsatz jeweils wieder gestoppt: Die Einwilligung von Schülern oder Eltern sei keine angemessene Rechtsgrundlage für die Verarbeitung biometrischer Daten gewesen. Die schwedische Behörde hatte festgestellt, dass durch das Machtungleichgewicht zwischen Schülern und Schule Druck ausgeübt werden könne, um den Einsatz der Gesichtserkennungstechnologie zu akzeptieren. Ein französisches Gericht hatte im Jahr 2020 ähnlich argumentiert.
In der EU wird währenddessen über ein Verbot von massenhafter Gesichtserkennung diskutiert: Das EU-Parlament hat sich Anfang Oktober in einer Resolution klar gegen biometrische Erkennungsverfahren zur Massenüberwachung ausgesprochen. Rechtlich bindend ist die Resolution nicht – Parlament, Kommission und Rat müssen einen finalen Gesetzestext nun im sogenannten Trilog verhandeln. (js)