WMO: Klimawandel trifft Afrika besonders hart

Boote am Niger
Einige afrikanische Staaten haben parallel mit Dürren, Starkregen und Hochwasser zu kämpfen. (Quelle: IMAGO / agefotostock)

Der Klimawandel verschärft mit steigenden Temperaturen, zunehmenden Extremwetterlagen und veränderten Regenfällen die Hungerkrise in Afrika und vertreibt Menschen aus ihrer Heimat. Das berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) am Dienstag zusammen mit der Afrikanischen Union und anderen Partnern in Genf. Der Kontinent sei von Überschwemmungen, Dürren und Erdrutschen unverhältnismäßig stark betroffen.

“Das rapide Schrumpfen der letzten noch verbliebenen Gletscher in Ostafrika, die in naher Zukunft voraussichtlich vollständig schmelzen werden, zeigt die Gefahr unmittelbar bevorstehender und unumkehrbarer Veränderung des Erdsystems”, sagte WMO-Chef Petteri Taalas anlässlich der Veröffentlichung des Berichts “State of the Climate in Africa 2020”.

Die Entwicklung unterstreiche die dringende Notwendigkeit, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, mehr für den Klimaschutz zu tun und mehr Geld für Anpassungsprozesse bereitzustellen, sagte Taalas gut eine Woche vor Beginn der Weltklimakonferenz in Glasgow (COP26).

Extreme Temperaturen

Die Klimaerwärmung und ihre Folgen seien in Afrika bereits heute stärker zu spüren als im weltweiten Durchschnitt, heißt es in dem Bericht. 2020 gehörte dort zu den zehn wärmsten Jahren seit Messbeginn.

In Algerien und Marokko lagen die monatlich gemittelten Temperaturen 2020 bis zu 3,5 Grad Celsius beziehungsweise 4 Grad höher als der Durchschnitt. Im Juli wurden in beiden Ländern regional Temperaturen um die 48 Grad Celsius erreicht. Tunesien erlebte 2020 das drittwärmste Jahr seit 1950 mit einer Durchschnittstemperatur von über 20 Grad Celsius.

Hochwassertote

Der Meeresspiegelanstieg an Afrikas südlichen Küsten liege ebenfalls über dem globalen Durchschnitt. An der Südatlantikküste betrage er 3,6 Millimeter pro Jahr, am Indischen Ozean 4,1 Millimeter. Sowohl die Erwärmung der Ozeane als auch das Abschmelzen von Landeis zeigten hier ihre Wirkung. Hinzu kamen der Eismassenverlust der Westantarktis und Grönlands, Grundwasserentnahmen, der Bau von Stauseen sowie Veränderungen von Wind und Luftdruck in der Atmosphäre.

Überschwemmungen traten 2020 vermehrt auf: Viele Seen und Flüsse wie der Viktoriasee, der Niger oder der Blaue Nil erreichten Rekordhöchststände. Betroffen waren vor allem der Sudan und Kenia, aber auch viele weitere Staaten in Ost- und Westafrika. 285 Menschen sind wegen der Hochwasser allein in Kenia umgekommen; im Sudan gab es 155 Todesopfer und über 800.000 Betroffene, die beispielsweise ihr Zuhause verloren oder deren Heimat dauerhaft unbewohnbar wurde – etwa durch Erdrutsche. Darüber hinaus gab es indirekte Auswirkungen wie Krankheitsausbrüche, bei denen sich Erreger über verschmutztes Trinkwasser oder Stechmücken verbreiteten.

Die Hochwasser des Flusses Niger zogen im Jahr 2020 knapp 558.000 Menschen in Mitleidenschaft. 66 Personen starben, weil Gebäude kollabierten und 14 Opfer ertranken. Fast 52.000 Häuser und Hütten wurden zerstört und 9741 Hektar Anbaufläche überflutet.

Dürren, Hunger, Heuschrecken

Immerhin halfen die teils heftigen Regenfälle beispielsweise in Kapstadt, die Wasserspeicher bis zur vollen Kapazität aufzufüllen. Andererseits traten im südlichen Afrika vermehrt extreme Dürren auf, die ihren Höhepunkt im Jahr 2018 hatten. Teilweise hielten diese Trockenperioden schon etwa sieben Jahre lang an. Besonders betroffen seien die Nord- und Ostkap-Provinzen Südafrikas.

Die Dürren in ganz Afrika hätten bereits Auswirkungen auf die Nahrungsversorgung der Bevölkerung: Tiere würden sich weniger vermehren – und die Landwirtschaft sei generell weniger ertragreich. Von Wüstenbildung und Ertragsverlusten sind Menschen in Westafrika stark betroffen. 2020 stieg die Anzahl der von Ernährungsunsicherheit bedrohten Personen allein in der Demokratischen Republik Kongo auf 21,8 Millionen. In Nigeria erreichte die Ernährungsunsicherheit den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen, mit etwa 9,2 Millionen Menschen. Nach Angaben des World Food Programme der Vereinten Nationen litten 2020 in ganz Afrika rund 98 Millionen Menschen unter Ernährungsunsicherheit und benötigten humanitäre Hilfe. Das ist ein Anstieg von fast 40 Prozent im Vergleich zu 2019.

Untersuchungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben laut WMO gezeigt, dass ein breiterer Zugang zu Frühwarnsystemen und Informationen über Lebensmittelpreise und Wetter das Risiko einer prekären Ernährungslage um 30 Prozentpunkte senken können. So könnten beispielsweise Text- oder Sprachnachrichten darüber informieren, wann gepflanzt, bewässert oder gedüngt werden soll.

Heuschreckenplage in Ostafrika

Der Osten Afrikas erlitt 2020 massive Ernte- und Weideverluste durch die eine Heuschreckenplage. Hohe Niederschläge und anormales Vegetationswachstum hätten ungewöhnlich günstige Bedingungen für die Ernährung und Vermehrung von Wüstenheuschrecken geboten. Somalia und Äthiopien waren besonders betroffen. Äthiopien hat 2020 über 350.000 Tonnen Getreide verloren, wovon mehr als 800.000 Bauernhaushalte betroffen waren.

Massiver Gletscherschwund

Gletscherschwund zeigt sich in den drei Gletscherregionen am Mount-Kenya-Massiv in Kenia, dem Kilimandscharo in Tansania, und dem Ruwenzori-Gebirge in Uganda. Das Mount-Kenya-Massiv dürfte in den 2030er Jahren eine der ersten Bergketten der Welt werden, die ihre Gletscher gänzlich verliert, so der Bericht. Bei den anderen beiden Gebirgen könnte es bei gleichbleibenden Trends in den 2040er Jahren so weit sein.

Die Gletscherschmelze auf dem Mount Kenia und Kilimandscharo stellt auch für die Tourismus-Branche ein Problem dar. Denn mit den Gletschern geht eine Attraktion und Einnahmequelle verloren, die jährlich rund 25.000 (Mount Kenia) beziehungsweise 10.000 Besucher (Kilimandscharo) vornehmlich aus Europa und den USA anzieht.

Armut breitet sich aus

Die Folgen des Klimawandels seien außerdem gekoppelt mit wirtschaftlichen Einbrüchen, anhaltenden Konflikten und politischer Instabilität.

“Bis 2030 werden in Afrika schätzungsweise bis zu 118 Millionen extrem arme Menschen (mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung) von Dürren, Überschwemmungen und extremer Hitze betroffen sein, wenn keine angemessenen Gegenmaßnahmen ergriffen werden”, schrieb Josefa Leonel Correia Sacko im Vorwort des Berichts, Kommissarin für Landwirtschaft der Kommission der Afrikanischen Union. Bei härteren äußeren Bedingungen steige zugleich die Zahl der betroffenen Menschen. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara könnte der Klimawandel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2050 um bis zu 3 Prozent weiter senken.

Es wird teuer

Afrika sei im Vergleich zu vielen anderen Ländern besonders anfällig für Klimaveränderungen. Auch, weil fast die Hälfte der Bevölkerung südlich der Sahara unterhalb der Armutsgrenze lebe. Diese Menschen seien auf wetterabhängige Tätigkeiten wie Regenfeldbau, Viehzucht und Fischerei angewiesen. Aufgrund fehlender finanzieller Puffer, niedrigem Bildungsstand und mangelhafter Gesundheitsversorgung könnten sie sich kaum gegen Lebensmittelunterversorgung oder Arbeitslosigkeit in Folge des Klimawandels schützen.

“Investitionen sind insbesondere in den Kapazitätsaufbau und den Technologietransfer sowie in die Verbesserung der Frühwarnsysteme der Länder, einschließlich der Wetter-, Wasser- und Klimabeobachtungssysteme, erforderlich”, schreibt Taalas von der Weltwetterorganisation im Bericht. Schon jetzt investierten die Länder Afrikas mit schätzungsweise 2 bis 9 Prozent des jeweiligen BIP einen “erheblichen Anteil” ihres Einkommens in Klimaschutz und -anpassung.

Die jährlichen Kosten für die Anpassung an den Klimawandel würden aber bis 2050 auf 50 Milliarden US-Dollar steigen – auch wenn es gelingen sollte, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen. Insgesamt wird Afrika bis 2030 Investitionen von über 3 Billionen US-Dollar für den Klimaschutz und zur Anpassung an die Klimaveränderungen benötigen. (dpa / hcz)