EU-Parlament stimmt für Verbot von Gesichtserkennung

EU-Parlament
Zwar ist die aktuelle Abstimmung rechtlich nicht bindend, doch setzt sie ein klares Zeichen. (Quelle: Diliff – CC BY-SA 3.0

Das Europaparlament hat sich klar gegen Massenüberwachung mittels automatisierter Gesichtserkennung und anderer biometrischer Erkennungsverfahren ausgesprochen. Am Dienstag stimmten die Abgeordneten für eine Resolution, die die EU-Kommission dazu auffordert, solche KI-unterstützten Systeme im öffentlichen Raum zu verbieten. Die Abgeordneten fordern zudem ein Ende der EU-finanzierten Entwicklung solcher Technologien.

Rechtlich bindend ist die Resolution nicht. Doch sie übt Druck auf die EU-Kommission aus, die automatisierte Gesichtserkennung und andere biometrische Überwachungstechnologien nicht verbieten, sondern nur einschränken möchte. Mit 259 zu 403 Stimmen bei 30 Enthaltungen fiel das Abstimmungsergebnis deutlich aus. Die Abgeordneten der Union waren die einzigen deutschen, die gegen ein Verbot stimmten; SPD, Grüne, Linke, FDP, Die Partei und Piraten stimmten dafür, die AFD-Mitglieder enthielten sich.

Mit der Resolution fordern die Abgeordneten zudem, “die Finanzierung von Forschungsarbeiten, Einsätzen oder Programmen im Zusammenhang mit biometrischen Identifikatoren einzustellen”, wenn diese zur Massenüberwachung in öffentlichen Räumen genutzt werden könnten.

Zu biometrischen Erkennungssystemen zählen außer Gesichtserkennung auch Technologien, die Menschen beispielsweise anhand ihres Ganges, ihrer Fingerabdrücke oder der Stimme erkennen können.

Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer schrieb von einem “historischen Erfolg für die Bewegung, die eine dystopische Zukunft der biometrischen Massenüberwachung nach chinesischem Vorbild in Europa verhindern will”. Biometrische Überwachung habe in “keinem einzigen Fall” einen Terroranschlag verhindern können. Stattdessen erfassten die Technologien viele unschuldige Bürgerinnen und Bürger und diskriminierten “unterrepräsentierte Gruppen”.

Datenschützer warnen

Noch am Montag hatten 25 Abgeordnete verschiedener Fraktionen einen offenen Brief an ihre Kolleginnen und Kollegen gerichtet. Darin riefen sie dazu auf, biometrische Überwachung abzulehnen.

Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte und der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) warnten bereits im Juni vor den Gefahren biometrischer Erkennungstechniken in der Öffentlichkeit. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprachen sie sich ebenfalls für ein EU-weites Verbot aus, wegen “extrem hoher Risiken”.

Die Initiative Reclaim Your Face will seit Februar ein Verbot für biometrische Massenüberwachung erwirken. Auf ihrer Webseite versucht sie eine Million Unterschriften zu sammeln, damit sich die EU-Kommission mit der Forderung auseinandersetzen muss. Die Bürgerinitiative wird von über 40 Organisationen unterstützt – darunter der Chaos Computer Club (CCC), Digitalcourage, Access Now und Amnesty International. Die benötigte Anzahl an Unterzeichnern hat sie noch nicht erreicht.

Ella Jakubowska von European Digital Rights (EDRi), die ebenfalls an Reclaim Your Face beteiligt sind, kommentierte gegenüber der Nachrichtenseite netzpolitik.org: “Die Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (MdEP) hat unmissverständlich klargemacht, dass Überwachung nicht gleichbedeutend mit Sicherheit ist und dass sie biometrische Massenüberwachungspraktiken nicht unterstützen.”

Nun stehen Verhandlungen an

Das Parlament widerspricht mit seiner Entscheidung der bisherigen Richtung von EU-Kommission und EU-Ratspräsidentschaft. Die Kommission hatte im April einen Verordnungsentwurf für den Einsatz von künstlicher Intelligenz vorgestellt. Dieser sieht zwar vor, sogenannte Hochrisiko-Anwendungen stärker zu regulieren, doch für biometrische Echtzeit-Überwachung ist eine Vielzahl von Ausnahmen enthalten bei denen Gesichtserkennung erlaubt bliebe.

Die EU-Ratspräsidentschaft hatte sich im Juni gegen ein Verbot von automatisierter biometrischer Überwachung in der Öffentlichkeit ausgesprochen. Unter anderem warnte sie vor finanziellen Verlusten für Firmen im Bereich der Sicherheitstechnologie.

Den finalen Gesetzestext müssen nun Parlament, Kommission und Rat im Trilog verhandeln. (hcz)