Griechenland: Schleppende Ermittlungen zu abgehörtem Journalisten
Der griechische Geheimdienst EYP hat den Journalisten Stavros Malichoudis überwacht – doch die Ermittlungen dazu kommen nicht voran. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) berichtet nun, Malichoudis sei Einsicht in die Ermittlungsakten verweigert worden. Es sei zu befürchten, dass die Verantwortlichen straffrei bleiben.
Im November 2021 war durch eine Medienrecherche öffentlich geworden, dass der Geheimdienst Malichoudis überwacht hatte. Ziel soll es gewesen sein, die Quellen des Journalisten zu ermitteln, der über Migration berichtet. Malichoudis zufolge recherchierte er damals zu einem 12-jährigen Syrer, der in Abschiebehaft saß.
Im Februar 2022 hatte der Journalist aufgrund der Überwachung gegen den Staat geklagt.
Keine Akteneinsicht
RSF berichtet nun, der stellvertretende Staatsanwalt des griechischen Obersten Gerichtshofs habe Ende Oktober den Antrag des Journalisten auf Einsicht in die Ermittlungsakte zu dem Fall endgültig abgelehnt – was die Ermittlungen behindere. Die Entscheidung sei nicht inhaltlich begründet worden. In einer handschriftlichen Notiz, die RSF eigenen Angaben zufolge vorliegt, sei nur vermerkt worden, dass Malichoudis “kein direktes Opfer” war.
Laut RSF hat Malichoudis keine Möglichkeit, diese Entscheidung anzufechten, obwohl seine Kommunikation und seine Kontakte ausgespäht worden seien. RSF stuft die staatliche Überwachung des Journalisten als “Angriff auf den Quellenschutz” ein – dabei handle es sich um einen “Eckpfeiler der Pressefreiheit”. Die Organisation befürchtet nun, die unrechtmäßige Überwachung des Medienschaffenden könne straffrei bleiben.
RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus sagte: “Juristisch hängt die unrechtmäßige Überwachung von Stavros Malichoudis damit weiter in der Schwebe, und die Verantwortlichen werden vermutlich nie mehr zur Rechenschaft gezogen. Wir fordern die griechische Justiz auf, schleunigst zu erklären, warum dem Reporter Einsicht in die Ermittlungsakte verweigert wurde. Vor allem ist es höchste Zeit, dass eine rasche und effiziente Untersuchung angeordnet wird.”
Der NGO zufolge gab es bereits mehrere “alarmierende verfahrenstechnische Unregelmäßigkeiten”: Normalerweise endeten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen entweder mit einer Anklageerhebung oder mit der Einstellung des Verfahrens. In diesem Fall seien die Ermittlungen aber nicht abgeschlossen worden und dem Opfer werde der Zugang zu allen Dokumenten der Ermittlungsakte verweigert. Aus Sicht von RSF wirft das die Frage auf, ob der Fall jemals wirklich untersucht wurde.
Der Anwalt von Malichoudis, Dimitris Georgakopoulos, kommentierte: “Der Fall Malichoudis ist ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit in Griechenland: Selbst Journalisten, die legitime Recherchen durchführen und Quellen treffen, können als ‘Bedrohung für die nationale Sicherheit’ überwacht werden.”
RSF berichtet außerdem, Malichoudis habe seine Klage aufgrund des öffentlichen Interesses direkt beim Obersten Gerichtshof eingereicht – der Fall sei aber schnell an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben worden, was die Ermittlungen verzögert und erschwert habe. Nach mehr als einem Jahr sei der Fall zurück an den Obersten Gerichtshof verwiesen worden – und wurde mit dem als “Predatorgate” bekannten Abhörskandal in Verbindung gebracht.
Medienschaffende und Politiker ausgespäht
Der Skandal kam ins Rollen, als IT-Sicherheitsforscher im Frühjahr 2022 nachweisen konnten, dass der griechische Journalist Thanasis Koukakis mit der Spähsoftware Predator überwacht wurde. Auch dafür soll der griechische Geheimdienst verantwortlich gewesen sein. Laut RSF wurden insgesamt etwa zehn Medienschaffende und Verleger überwacht – teils mit Spähsoftware, aber auch mit konventioneller Telefonüberwachung. Auf welche Art Malichoudis ausgespäht wurde, bleibt unklar.
Und auch Oppositionspolitiker wurden in Griechenland überwacht – ebenso wie eine ehemalige Meta-Angestellte.
Zwar war im Zusammenhang mit “Predatorgate” der damalige Geheimdienstchef zurückgetreten, den staatlichen Einsatz der Spionagesoftware hatte Premierminister Kyriakos Mitsotakis jedoch stets bestritten. Nach seinem Amtsantritt im Jahr 2019 hatte er den Geheimdienst direkt unter seine Verantwortung gestellt. Seinem Neffen Grigoris Dimitriadis hatte er die Aufsicht über den EYP übertragen – auch Dimitriadis war im Jahr 2022 zurückgetreten.
Ermittlungen eingestellt
Ende Juli hatte die oberste Staatsanwältin des Landes die Ermittlungen zu dem Abhörskandal schließlich eingestellt. Sie hatte dazu erklärt, es seien keine Beweise dafür gefunden worden, dass Politiker oder Behörden in den Kauf oder die Verwendung der Spähsoftware Predator involviert gewesen. Das schließe auch den Nachrichtendienst EYP ein.
Auch an dieser Entscheidung hatte es scharfe Kritik gegeben, unter anderem aus der griechischen Opposition. Helene Hahn von RSF sagte im Juli gegenüber Posteo: “Die Untersuchung der griechischen Datenschutzbehörde als auch zahlreiche Medienberichte verweisen auf eine anzunehmende Beteiligung griechischer Behörden in diesem Skandal. Unsere Forderung nach einer lückenlosen und unabhängigen Aufklärung wurde nicht einmal ansatzweise erfüllt.”
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF ist kein EU-Land so schlecht positioniert wie Griechenland: Es belegt Rang 88 von insgesamt 180 Staaten. (js)