Hongkong: Google, Facebook & Co. drohen mit Rückzug

Hongkong
Die Unterdrückung nimmt in Hongkong zu: Oppositionelle werden verhaftet, Zeitungen geschlossen und soziale Netzwerke zensiert. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Eine Vereinigung von Firmen wie Google, Twitter und Facebook warnt vor einem Abzug der Internet-Riesen und ihrer Dienste aus Hongkong. Die Asia Internet Coalition (AIC) kritisiert, ein aktuelles Gesetzesvorhaben gefährde die Meinungsfreiheit. Das geht aus einem Brief an Hongkongs Datenschutzkommissarin Ada Chung Lai-ling hervor, der seit Dienstag auf der AIC-Webseite zu finden ist.

Die Hongkonger Regierung will mit dem kritisierten Gesetzesvorhaben angeblich gegen sogenanntes Doxxing vorgehen. Das neue Gesetz sieht für das Sammeln und Veröffentlichen personenbezogener Daten Strafen von bis zu 1 Million Hongkong-Dollar, umgerechnet etwa 109.000 Euro, und bis zu fünf Jahren Haft vor.

Die Asia Internet Coalition warnt, dass künftig selbst eine nicht böswillige Verbreitung von Informationen online als gesetzwidrig angesehen werden könnte. Das Gesetz könne auch angewandt werden, wenn jemand beispielsweise Zwischenfälle an Medien berichte, bei denen es um persönliche Informationen gehe. Juristen geben zu bedenken, dass im öffentlichen Raum aufgenommene Fotos einer Person oder eines Polizeibeamten schon als schutzwürdige persönliche Information gewertet werden könnten, deren Verbreitung auf sozialen Medien dann gesetzwidrig sei. Alles mit einem Bezug zu einer Person könnte im engeren Sinne dazu gehören.

Gesetz mit Unterdrückungspotenzial

Das Gesetzesvorhaben sei deshalb zu weit gefasst, sodass die freie Meinungsäußerung gefährdet werde, heißt es in dem Brief der Internetunternehmen. Auch sei es “unangemessen und unnötig”, lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strafrechtlich zu verfolgen, wenn ihre im Ausland ansässigen Arbeitgeber Inhalte nach Aufforderung der Behörden nicht von ihren Plattformen beseitigen. Das entspreche “nicht den globalen Normen und Trends sowie dem Deliktsrecht im Allgemeinen”. Solche Sanktionen gegen einzelne Personen seien denen vorbehalten, die “aktiv und vorsätzlich an Aktivitäten teilnehmen und diese leiten, die nachweislich körperlichen Schaden verursachen”. Der einzige Weg für Technologie-Unternehmen, diese Strafen zu vermeiden, sei nicht mehr in Hongkong zu investieren und dort keine Dienste mehr anzubieten.

Die AIC teile die “ernste Sorge” der Regierung über Doxxing, betonte aber, dass Gesetze dagegen “auf den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit aufgebaut sein müssen”. In dem Gesetzesvorhaben fehle eine Definition von Doxxing, was eine “problematische Zweideutigkeit” schaffe. Generell gebe es keine “keine allgemein akzeptierte oder anerkannte Definition für Doxxing”. Es lasse zu Recht die Sorge aufkommen, dass der Begriff “übermäßig breit interpretiert” werde.

Beim sogenannten Doxxing werden üblicherweise personenbezogene Daten im Internet zusammengetragen und veröffentlicht. Zum Beispiel, um Personen zu schaden, sie öffentlich bloßzustellen oder zu identifizieren. Die Hongkonger Regierung wirft Oppositionellen vor, bei Protesten 2019 persönliche Daten von (teils gewalttätigen) Polizeibeamten und deren Familien offengelegt zu haben. Das Gesetz könnte diesen Monat vom nicht frei gewählten Hongkonger Parlament angenommen werden.

Ergänzung zum “Sicherheitsgesetz”

Die Debatte erfolgt vor dem Hintergrund wachsender Einschränkungen der politischen Freiheiten in Chinas Sonderverwaltungsregion. Die chinesische Führung hatte vor einem Jahr schon das umstrittene Sicherheitsgesetz zum “Schutz der nationalen Sicherheit” durchgesetzt, das sich gegen Aktivitäten richtet, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Seither gehen die Behörden gezielt gegen die Demokratiebewegung in der früheren britischen Kronkolonie vor.

Facebook, WhatsApp, Google, Twitter und Telegram hatten damals als Reaktion auf das Sicherheitsgesetz angekündigt, vorerst keine Anfragen Hongkonger Behörden nach Nutzerdaten mehr zu beantworten. Die Videoplattform TikTok zog sich daraufhin vom Hongkonger Markt zurück. Die zensierte und in der kommunistischen Volksrepublik verfügbare chinesische Version Douyin wird aber in Hongkong weiter betrieben.

Ziel: Opposition

Regierungschefin Carrie Lam spielte die aktuellen Bedenken herunter. Jedes neue Gesetz sorge für Aufregung, wie auch schon das Sicherheitsgesetz im vergangenen Jahr. Die Sorgen würden sich mit der Zeit zerstreuen, zitierte sie der Sender RTHK. Doch aus Sicht von Kritikern haben sich die damaligen Bedenken gegen das Sicherheitsgesetz mittlerweile bestätigt – es zielte klar auf die Opposition ab. Erst Ende Juni musste die letzte prodemokratische Zeitung Hongkongs Apple Daily auf Druck der Behörden aufgeben.

(dpa / hcz)