Indische Regierung droht Twitter-Mitarbeiter zu inhaftieren

Indische Aufstände
Stein des Anstoßes waren Tweets über die Bauernproteste. Nun liefern sich Twitter und Indiens Regierung ein Kräftemessen. (Quelle: IMAGO / Hindustan Times)

Sollte Twitter den Forderungen der indischen Regierung nicht Folge leisten, will diese Mitarbeiter des sozialen Netzwerks mit Geldstrafen belegen oder bis zu sieben Jahre lang ins Gefängnis sperren. Dies stellten Regierungsvertreter in einer Mitteilung an Twitter klar. In dieser fordern sie das Unternehmen dazu auf, mehr als 250 Konten von Aktivisten, Politikern, Journalisten und Prominenten abermals zu sperren.

Twitter war am vergangenen Montag einer Anordnung der Regierung zunächst gefolgt und hatte Accounts blockiert, die sich laut der Nachrichtenseite Buzzfeed News kritisch über Indiens Premierminister Narendra Modi geäußert hatten. Einige thematisierten auch die Bauern-Proteste in Delhi. Daraufhin waren diese Kanäle in Indien nicht mehr sichtbar für Nutzer.

Sechs Stunden später, am Dienstag, gab Twitter die Accounts aber wieder frei – gegen den Willen der Regierung. Kurz zuvor hatte sich ein Anwalt des Social-Media-Unternehmens mit Vertretern der indischen Regierung getroffen und erklärt, dass die Tweets von der Redefreiheit gedeckt seien und Nachrichtenwert hätten. Außerdem habe es keine Rechtfertigung gegeben, ganze Konten zu sperren – vielmehr hätte die Regierung einzelne Tweets sperren lassen sollen. Nach dem Treffen sandte Twitter eine Mitteilung an die Regierung, dass sich das Unternehmen weigert, die Anordnung zu befolgen.

Staatliche Drohungen

Die indischen Autoritäten entgegneten, das Unternehmen habe keine “verfassungsmäßige, gesetzliche oder rechtliche Grundlage”, um zu interpretieren, was nach indischem Recht Redefreiheit ausmache. Anschließend forderte das indische IT-Ministerium Twitter auf, die bemängelten Accounts wieder zu blockieren.

Einher ging die Drohung, indische Angestellte von Twitter für das Wiederherstellen der beanstandeten Accounts zur Verantwortung zu ziehen. Angedroht wurden Geldstrafen oder bis zu sieben Jahre Gefängnis, wenn der Konzern den Forderungen nicht nachkommt. In dem Schreiben hieß es, die Tweets hätten “Falschinformationen über die Proteste verbreitet” und das “Potenzial zu drohender Gewalt zu führen, die die Situation der öffentlichen Ordnung im Land beeinflusst”. Laut Buzzfeed sei Twitter nach indischem Recht dazu verpflichtet, den Anordnungen Folge zu leisten.

Die Konten hätten einen Hashtag verwendet, der “die Menschen dazu veranlasst hat, Straftaten in Bezug auf die öffentliche Ordnung und die Sicherheit des Staates zu begehen”. Laut Buzzfeed sei das bei zahlreichen Presse-Konten aber nicht der Fall gewesen.

Als juristische Grundlage für die Forderungen der Regierung dient die Section 69A des indischen Information Technology Act. Das Gesetz erlaubt der Regierung, digitale Informationen für die Öffentlichkeit zu sperren, wenn sie die “Sicherheit des Staates” oder “die öffentliche Ordnung” bedrohen.

Angriff auf die freie Presse

Gegenüber der Nachrichtenseite äußerte sich Nikhil Pahwa, Gründer der von der Sperre betroffenen IT-Nachrichtenseite MediaNama, folgendermaßen: “Ich hoffe, dass dieser Fall vor Gericht kommt, weil ich daran glaube, dass die Regierung rational den Fall wahrscheinlich verlieren wird.” Er verstehe nicht, warum die indische Regierung versuche, Tweets zu zensieren, wenn sie viel größere Probleme habe.

Ebenfalls vorübergehend gesperrt war der Account des Polit-Magazins The Caravan. Dessen Chefredakteur, Vinod K. Jose, erklärte gegenüber Buzzfeed: “Wir verstehen nicht, warum die indische Regierung plötzlich feststellt, dass Journalisten nicht mit allen Seiten eines Problems sprechen sollten.” Die Mitarbeiter des Magazins seien der Ansicht, dass die Sperrung nur einer von vielen Angriffen auf das Medium gewesen sei, weil dieses “wichtige Geschichten” furchtlos verfolgt habe.

Nachdem The Caravan wieder auf Twitter verfügbar war, schrieben die Redakteure: “Unser Konto wurde wiederhergestellt. Heute ist mehr denn je klar, dass echte Medien echte Verbündete brauchen. Wir danken unseren Lesern, Abonnenten und Mitwirkenden für ihre unermüdliche Unterstützung.” (hcz)