Urteil: Frankreich verantwortlich für Klima-Versäumnisse
Das Pariser Verwaltungsgericht hat am Mittwoch entschieden, dass der französische Staat für Versäumnisse im Kampf gegen den Klimawandel verantwortlich ist. Geklagt hatten mehrere Umweltorganisationen – sie werten die Entscheidung als “historischen Sieg für das Klima”.
Die Richter hatten geprüft, ob es einen Kausalzusammenhang zwischen Umweltschäden und dem Staat vorgeworfenen Mängeln bei den Maßnahmen gegen die Klimakrise gebe. Nach Auffassung der Richter ist der Staat zumindest für einen Teil dieser Schäden verantwortlich. Das Gericht hat sich nun eine zweimonatige Frist gegeben, um eventuell Maßnahmen zu bestimmen, die der Staat zur Senkung der Treibhausgasemissionen ergreifen muss. Frankreich kann gegen die Entscheidung Berufung einlegen.
Das Land will bis zum Jahr 2050 die CO2-Neutralität erreichen. Umweltschützer werfen der Regierung jedoch vor, auf Worte keine Taten folgen zu lassen.
Im März 2019 hatten die Organisationen Greenpeace, Oxfam, Notre Affaire à Tous sowie die Stiftung Nicolas Hulot pour la Nature et l’Homme vier Klagen eingereicht. Nicolas Hulot war von 2017 bis 2018 Umweltminister in Frankreich. Er hatte im August 2018 seinen Rücktritt erklärt, da die Umwelt für Präsident Macron keine Priorität habe und er “nicht länger lügen” wolle.
“Die Jahrhundertfrage”
Die Organisationen hatten sich 2018 zum Bündnis “L’Affaire du siècle” (sinngemäß: die Jahrhundertfrage) zusammengeschlossen, nachdem die Regierung eingestanden hatte, dass die bestehenden Klimaziele wohl nicht erreicht würden. Ende 2018 hatte das Bündnis die Regierung aufgefordert, mehr für den Klimaschutz zu tun – und war letztlich vor Gericht gegangen.
Zahlreiche Prominente unterstützen das Bündnis. Insgesamt sprachen 2,34 Millionen Menschen in einer Petition ihre Unterstützung aus. Nach Angaben von Oxfam war es die größte Online-Petition in der Geschichte Frankreichs. “Die Justiz hat anerkannt, dass die Untätigkeit des Staates in Bezug auf den Klimawandel rechtswidrig ist”, hieß es von dem Bündnis als Reaktion auf das Urteil.
Signal an weitere Regierungen
Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig begrüßte das Urteil: “Jedes Zögern und Zaudern beim Klimaschutz in Ländern wie Frankreich oder Deutschland trägt zur Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen bei – vor allem in den Ländern des Globalen Südens. Mit diesem Urteil haben die Richter der französischen Regierung gehörig die Leviten gelesen!” Er rechnet damit, dass das Urteil auch den Druck auf andere Regierungen erhöht: “Das Urteil ist auch ein Signal an andere Staaten, deren Regierungen sich bislang in Fensterreden zum Pariser Abkommen bekennen, den konkreten Klimaschutz aber immer wieder verwässern, verschieben oder verhunzen – zulasten der Menschen im Globalen Süden, wo die Klimakrise Armut, Hunger und Ungleichheit weiter verschärft.”
Jean-François Julliard, Geschäftsführer von Greenpeace Frankreich, will nun erreichen, dass das Gericht konkrete Maßnahmen anordnet: “Wir werden diese Entscheidung als einen entscheidenden ersten Schritt nutzen, um unsere wissenschaftlich fundierten Argumente voranzutreiben und das Gericht in den kommenden Monaten dazu zu bringen, den französischen Staat zum Handeln gegen den Klimanotstand anzuweisen.”
Auch in Deutschland sind Klimaklagen anhängig: So liegt dem Bundesverfassungsgericht seit 2018 eine Klage des BUND und anderer Kläger vor. Die Kläger hatten der Bundesregierung vorgeworfen, ihre Klimaziele für 2020 nicht zu erreichen und damit die Grundrechte auf Leben und Gesundheit zu verletzen.
Zudem klagen mehrere junge Menschen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das deutsche Klimaschutzgesetz – darunter Luisa Neubauer von Fridays For Future. Sie sehen ihre Grundrechte durch die Auswirkungen der Klimakrise gefährdet. Eine weitere Verfassungsbeschwerde von 15 Menschen aus Bangladesch und Nepal, richtet sich ebenfalls gegen das deutsche Klimaschutzgesetz. (dpa / js)