Russland: Soziale Netzwerke sollen Inhalte zu Protesten löschen
Russland geht weiter gegen Aufrufe zu nicht genehmigten Protesten im Internet vor und erhöht den Druck auf soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube und Twitter. Zahlreiche Plattform-Betreiber hätten bereits Warnungen der Behörden erhalten, weil sie den neuen repressiven Gesetzen nicht Folge leisteten, meldet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
So trat am 1. Februar das Gesetz “‘Über Änderungen des Bundesgesetzes’ Über Information, Informationstechnologien und Informationsschutz” in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke unter anderem verpflichtet, aktiv Informationen zu Demonstrationen zu suchen und solche Inhalte zu blockieren.
Auch Inhalte über Terrorismus und Staatsgeheimnisse sollen nicht mehr aufgerufen werden können. Blockiert werden müssen zudem Anleitungen zum Herstellen von Drogen, kinderpornografisches Material, Aufrufe zum Suizid und Äußerungen, die die russische Verfassung missachten.
Geldstrafen gegen Meinungsfreiheit
Die russischen Behörden hatten bereits Ende Januar erste Geldstrafen gegen Facebook, Twitter und Youtube wegen der Verbreitung von Potestaufrufen für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny verhängt. Die Strafsumme darf bis zu 10 Prozent des jährlichen Einkommens der Firma betragen, laut des Gesetzes “Über Änderungen des Kodex für Verwaltungsverstöße der Russischen Föderation”, das am 10 Januar in Kraft trat.
Aufrufe zur Teilnahme von Jugendlichen an den Protesten wurden zu sogenannten “illegalen Inhalten” der sozialen Netzwerke erklärt. Auch angeblich falsche Berichte über Polizeigewalt wurden kurzerhand verboten.
Ob, und wenn ja in welchem Umfang die sozialen Netzwerke Folge leisten, ist unklar: Die russische Medienaufsicht Roskomnadzor hatte am 23. Januar in einer Mitteilung erklärt, dass die Plattformbetreiber den Anweisungen der Behörden Folge leisteten und 89 Prozent aller beanstandeten Inhalte gelöscht hätten. Die Nachrichtenagentur dpa widerspricht aber dieser Darstellung und schreibt, dass keine Inhalte gelöscht wurden. Auch Human Rights Watch kann diese Behauptung nicht unabhängig bestätigen, und fordert in Russland agierende Netzwerke zu Transparenz auf.
Massenverhaftungen und Polizeigewalt
Aufforderungen von Regierungen, Inhalte zu entfernen, werde zuweilen nicht stattgegeben, wenn durch diese Informationen nicht die Regeln von Facebook verletzt würden, sagte ein Sprecher des Unternehmens gegenüber der dpa. In Russland habe sich Facebook für die Redefreiheit zu den Protesten der vergangenen Wochen entschieden.
Auch Menschenrechtler betonen immer wieder das Recht auf Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken. “Die Zensur in sozialen Medien gehört zu den Instrumenten, mit denen die russischen Behörden friedliche Proteste unterdrücken”, sagte Hugh Williamson, Direktor für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. “Die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet sowie das beispiellose Ausmaß der jüngsten willkürlichen Verhaftungen verletzt das Recht der Menschen in Russland, ihre Ansichten auf friedliche Weise zu äußern.”
Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verhaftete die russische Polizei in den letzten Wochen über 10.000 Menschen. Darunter waren viele friedliche Demonstranten; aber auch Passanten und Journalisten inhaftierten die Sicherheitskräfte, ohne dass von ihnen eine Gefahr ausging. Ortsansässige Menschenrechtsorganisationen berichteten in diesem Zusammenhang von Polizeigewalt.
“Konkurrenz für den Staat”
Präsident Wladimir Putin, der das neue Gesetz unterzeichnet hatte, beklagte vorige Woche in einem Online-Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum Davos den starken Einfluss der Internetriesen auf das Leben der Menschen. Sie seien eine Konkurrenz für den Staat, meinte er.
Ende Dezember verabschiedete Moskau ein Gesetz, das sozialen Netzwerken verbietet, staatstreue Inhalte zu sperren. Auch hier drohen den Plattformen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 33.000 Euro oder eine Sperrung der Seite. Die neuen Gesetze sollen die Social-Media-Plattformen einerseits daran hindern, regierungsfreundliche Propaganda zu löschen und andererseits möglichst viele regierungskritische Inhalte aus der Öffentlichkeit verbannen.
Der Oppositionelle Nawalny beispielsweise nutzt wie kein anderer Politiker in Russland die sozialen Medien. Welch hohe Reichweiten er dabei erzielt, zeigt sein jüngstes Enthüllungsvideo “Ein Palast für Putin”, in dem er dem Präsidenten ein aus Schmiergeldern finanziertes luxuriöses Anwesen am Schwarzen Meer zuschreibt. Putin weist das zurück. Der Film wurde bei YouTube bereits mehr als 106 Millionen Mal aufgerufen.
In Russland sind bereits Hunderte Internetseiten gesperrt, darunter auch solche von Regierungsgegnern. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte im Sommer diese Praxis als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit verurteilt und Russland aufgefordert, die Seiten freizugeben und den Zugang zu Informationen zu gewährleisten.
Der Oppositionelle Nawalny beispielsweise nutzt wie kein anderer Politiker in Russland die sozialen Medien. Welch hohe Reichweiten er dabei erzielt, zeigt sein jüngstes Enthüllungsvideo “Ein Palast für Putin”, in dem er dem Präsidenten ein aus Schmiergeldern finanziertes luxuriöses Anwesen am Schwarzen Meer zuschreibt. Putin weist das zurück. Der Film wurde bei YouTube bereits mehr als 106 Millionen Mal aufgerufen. (dpa / hcz)