Inselbewohner gewinnen Klimabeschwerde gegen Australien
Australien hat laut einem Entscheid der Vereinten Nationen Inselbewohner im Pazifik zu lange nicht ausreichend vor den Auswirkungen des Klimawandels geschützt. Wegen der Versäumnisse sei der Staat verpflichtet, Bewohner der australischen Torres-Strait-Inseln zu entschädigen, hieß es in dem Entscheid des UN-Menschenrechtsausschusses am Freitag in Genf.
Acht indigene Inselbewohnerinnen und -bewohner hatten sich im Jahr 2019 an das Gremium gewandt, das die Einhaltung von international vereinbarten bürgerlichen und politischen Rechten überwacht – 173 der 193 UN-Mitgliedsstaaten haben den Pakt ratifiziert, darunter Australien. Die Beschwerdeführer argumentierten, dass das Leben und die Kultur auf ihren Inseln wegen des steigenden Meeresspiegels und häufigerer Überflutungen in Gefahr seien.
Die Menschenrechtsausschuss stellte fest, dass Australien sowohl das Recht der Kläger, “ihre Kultur zu genießen” verletzt habe als auch das Recht, “frei von willkürlichen Eingriffen in ihr Privatleben, ihre Familie und ihr Zuhause zu sein”. Eine Verletzung ihres Rechts auf Leben bestätigte der Ausschuss hingegen nicht.
Die australische Klimaanwältin Sophie Marjanac, die die Insulaner vertrat, nannte die Entscheidung einen “historischen Sieg für Klimagerechtigkeit”. Yessie Mosby, einer der Antragsteller sagte gegenüber ABC News: “Bis zum heutigen Tag haben wir gesehen, wie viele unserer Häuser weggefressen wurden.” Er habe sich vor drei Jahren zu der Beschwerde entschieden, nachdem er die Überreste seiner Urgroßmutter gefunden hatte, die von der steigenden See aus dem Grab gespült wurden. “Wir haben sie wie Muscheln vom Strand aufgesammelt”, erklärte er.
Zu Schadensausgleich verpflichtet
Die UN-Einrichtung berücksichtigte bei ihrer Entscheidung, dass seit 2019 ein staatliches Programm zur Errichtung von Uferdämmen auf den Inseln läuft. Die Maßnahme sei jedoch zu spät erfolgt, hieß es.
Die für die Einwohner wichtigen Obstbäume, Gärten und Begräbnisstätten seien bereits der Zerstörung ausgesetzt. Nahrungsquellen seien vernichtet und menschliche Überreste verstreut worden. Unsere Kokospalmen erkranken aufgrund des Eindringens von Salzwasser bei steigendem Meeresspiegel", erklärte Mosby in einer Stellungnahme. Minderheitenrechte sowie die Rechte auf Wohnung, Privatleben und Familie seien verletzt worden.
Gemäß dem UN-Vertrag über bürgerliche und politische Rechte müsse Australien nun “den Klägern angemessene Entschädigung für die erlittenen Schäden zu gewähren”, hieß es in dem Entscheid. Die australische Regierung solle den Inselbewohnern wirksame Mittel zur Verfügung zu stellen. Da die Empfehlungen des Ausschusses rechtlich nicht bindend sind, gibt es keine Möglichkeit für die Beschwerdeführer, die Feststellung durchzusetzen. Es ist aber ein Anschlussverfahren vorgesehen, in welchem die UN die Umsetzung der Empfehlungen durch den Staat prüft.
Wegweisender Entscheid
Die Torres-Strait-Inseln liegen an der Nordspitze Australiens an der Meerenge zu Papua-Neuguinea. Überwiegend gehören sie zum australischen Bundesstaat Queensland. Von über 270 Inseln sind nur 21 bewohnt. Die gesamte Einwohnerzahl belief sich 2016 auf rund 4500 Personen.
Der Entscheid sei ein wichtiger Schritt, sagte Ausschuss-Mitglied Hélène Tigroudja: “Der Ausschuss hat einen Weg geschaffen, auf dem Einzelpersonen Ansprüche geltend machen können, wenn staatliche Maßnahmen besonders gefährdete Gruppen unzureichend vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Menschenrechte schützt.”
Beschwerdeführer Mosby formulierte gegenüber ABC News die Hoffnung, dass der Erfolg auch anderen vom Klima betroffenen Gemeinden auf der ganzen Welt helfen wird, Gerechtigkeit und Schutz zu suchen. “Wenn wir kämpfen können, um unser Zuhause zu retten, dann können sie auch kämpfen, um ihr Zuhause zu retten, da sie wissen, dass die Tür jetzt bereits geöffnet wurde”, sagte er.
Anwältin Marjanac stellte fest: “Nationen können sich nicht länger hinter dem Mythos verstecken, dass der Klimawandel ein kollektives Problem ist und sie von rechtlichen Verpflichtungen befreit sind.”
Die vorangegangene Regierung Australiens unter dem konservativen Premierminister Scott Morrison hatte stets die Einstellung des Verfahrens gefordert. Sie stritt ab, dass es ausreichend Beweise dafür gibt, dass die Folgen des Klimawandels die Rechte der Inselbewohner beeinträchtigen würden.
Die seit Mai 2022 amtierende Regierung unter dem Sozialdemokraten Anthony Albanese kündigte hingegen an, den Inselbewohnern bei der Bewältigung der Klimakrise helfen zu wollen. Sowohl der Premierminister als auch der Minister für indigene Angelegenheiten und der Minister für Klimawandel und Energie reisten bereits auf die Inselgruppe, um sich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern über die Bedrohungen auszutauschen.
Mosby schrieb: “Wir fordern die neue australische Regierung auf, diesen Aufruf zu mehr Klimaschutz bei den internationalen Klimaverhandlungen im November in Ägypten vorzubringen und die Welt dazu zu drängen, die globale Erwärmung auf weniger als 1,5 Grad zu begrenzen.” Australien solle sich zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren verpflichten.
Angepasstes Völkerrecht gefordert
Indessen regte Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag eine internationale Debatte über völkerrechtliche Konsequenzen aus den Folgen des Klimawandels an – unter anderem für bedrohte Inselstaaten im Pazifik. Der Wandel des Klimas sei “die größte Sicherheitsbedrohung, der wir als Welt und internationale Gemeinschaft ausgesetzt sind”, warnte die Grünen-Politikerin am Rande der UN-Generalversammlung in New York.
Die pazifischen Inselstaaten stünden "an vorderster Front der Klimakrise. Der steigende Meeresspiegel bedrohe Lebensgrundlagen und die Existenz ganzer Staaten. Betroffen seien etwa die Ozeanstaaten des Pazifiks, des Indischen und des Atlantischen Ozeans.
Sie verwies zudem auf weitere aktuell beobachtbare Auswirkungen der Klimakrise wie die schweren Überschwemmungen in Pakistan und die durch Dürren bedingten Hungersnöte in Äthiopien.
Es müsse bewertet werden, wie internationale rechtliche Rahmenbedingungen wie das Völkerrecht angepasst werden müssen. Beispielsweise müsse geklärt werden, was geschehe, wenn steigende Meeresspiegel einen Staat physisch gefährdeten, sagte Baerbock. So sei nicht geklärt, was mit Staatsangehörigkeiten der Menschen passiert. (dpa / hcz)