Internetsperren während Protestwelle im Iran

Iranische Flagge mit Binärcode
Nach Angaben der Organisation Access Now zählt der Iran zu den drei Ländern, die weltweit am häufigsten Internetsperren einsetzen. (Quelle: IMAGO / Panthermedia)

Nach dem Tod einer jungen Frau im Iran protestieren die Menschen seit Tagen gegen das Regime. Inmitten dieser Demonstrationen hat die Regierung auch das Internet sperren lassen.

Wie die Organisation NetBlocks berichtet, kam es bereits am Freitag in der Hauptstadt Teheran zu ersten Verbindungsproblemen. Nutzerinnen und Nutzer aus verschiedenen iranischen Städten hätten seitdem von Einschränkungen berichtet.

Laut NetBlocks wurde das Internet am Montagabend dann in Teilen der westlichen Provinz Kurdistan fast vollständig gesperrt. Nach etwa dreieinhalb Stunden sei die Blockade wieder aufgehoben worden. Berichten zufolge waren bei den Demonstrationen in der Provinz mindestens vier Menschen ums Leben gekommen.

Die Organisation kritisiert, durch Internetsperren könnten die Menschen im Iran nicht frei kommunizieren. Reporter ohne Grenzen kommentierte, die Behörden wollten die Berichterstattung über die Proteste verhindern. Auch die ARD-Korrespondentin Karin Senz in Istanbul, die auch über den Iran berichtet, sagte gegenüber dem Deutschlandfunk, die Verbindungsgeschwindigkeiten seien wiederholt gedrosselt worden: “Die Menschen haben dann auch keine Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und das ist sicherlich auch eins der stärksten Mittel, die das Regime bei solchen Protesten einsetzt.”

Am heutigen Mittwoch berichtete die iranische Nachrichtenagentur IRNA, der Telekommunikationsminister habe offiziell angekündigt, das Internet könne aus “Sicherheitsgründen” blockiert werden. Dieser gab später jedoch an, falsch zitiert worden zu sein: Es habe in den vergangenen Tagen “temporäre Einschränkungen” gegeben, diese seien nun aber aufgehoben – die Möglichkeit weiterer Internetsperren erwähnte er nicht. Laut NetBlocks wurde Instagram am Mittwoch landesweit blockiert. Es sei eines der wenigen sozialen Netzwerke gewesen, die zuvor im Iran noch funktioniert hätten.

Proteste in vielen Städten

Medienberichten zufolge haben sich die Proteste in der Nacht zum Mittwoch auf 15 Städte ausgeweitet. Bei den Demonstrationen komme es zunehmend zu Gewalt zwischen Demonstrierenden und den Sicherheitskräften. Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) wurde am Montag eine Fotojournalistin in Teheran verhaftet.

Mahsa Amini
Mahsa Amini wurde am 13. September in Teheran verhaftet. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war am 13. September bei einem Besuch in Teheran von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie angeblich gegen die Kleidervorschriften für Frauen in dem Land verstoßen hatte – unter ihrem Kopftuch sollen Haare zu sehen gewesen sein. Am vergangenen Freitag wurde ihr Tod bestätigt. Die genauen Umstände ihres Todes sind bisher unklar: Nach Darstellung der Polizei soll sie infolge eines Herzversagen ins Koma gefallen sein. Kritiker werfen der Sittenpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer “willkürlichen Festnahme” und berichtete, es gebe Vorwürfe von Folter während Mahsa Aminis Untersuchungshaft. Der Vorfall müsse von den Behörden untersucht werden.

Menschenrechtler fordern Untersuchung

Auch die kommissarische UN-Menschenrechtskommissarin Nada Al-Nashif äußerte sich besorgt und forderte: “Mahsa Aminis tragischer Tod und die Vorwürfe der Folter und Misshandlung müssen unverzüglich, unparteiisch und effektiv von einer unabhängigen Behörde untersucht werden.” Sie forderte zudem die Aufhebung der diskriminierenden Gesetze im Iran. In den vergangenen Monaten habe die Sittenpolizei vermehrt Frauen verbal und körperlich belästigt, die einen losen Hidschab trugen. Das UN-Menschenrechtsbüro habe zahlreiche verifizierte Videos gesichtet, in denen Gewalt gegen Frauen zu sehen sei. “Die Behörden müssen aufhören, Frauen, die sich nicht an die Hidschab-Regeln halten, zu verfolgen, zu belästigen und zu verhaften”, forderte Al-Nashif. Der Iran müsse zudem die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit achten. Die den Berichten zufolge übermäßige Gewalt gegen Demonstranten verurteilte die Menschenrechtskommissarin.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, forderte ebenfalls, die Umstände von Mahsa Aminis Tod müssten aufgeklärt werden.

Berichten zufolge hat der iranische Präsident Raisi eine Untersuchung des Falles zwar beauftragt – die Demonstrierenden zweifeln aber an deren Unabhängigkeit.

Die Menschenrechtsorganisation Article 19 zeigte sich “zutiefst beunruhigt” über Berichte von Festnahmen auf den Demonstrationen und anschließender Folter. Auch die vom Regime verhängten Internetsperren verurteilte die Organisation. Aufgrund der Geschichte von Internetsperren im Iran seien diese besonders besorgniserregend: Im Jahr 2019 hatte es im Iran eine landesweite Internetsperre gegeben, um Proteste zu verhindern. Amnesty International hatte damals dokumentiert, wie in dieser Zeit über 300 Menschen von den iranischen Sicherheitskräften getötet wurden. Auch im vergangenen Jahr hatte der Iran nach Angaben von Beobachtern das Internet während Protesten blockiert.

Nachtrag vom 22. September: Wie NetBlocks am Mittwochabend berichtete, wird inzwischen auch WhatsApp von einigen Internetanbietern im Iran blockiert. Zudem sei landesweit das Internet über Mobilfunk bei den Provider MCI und Rightel gesperrt – auch der Mobilfunkanbieter Irancell sei teilweise betroffen. Viele Menschen im Iran würden das Internet über Mobilfunk nutzen und seien nun davon abgeschnitten. Nach Angaben der Organisation handelt es sich um die umfassendste Internetsperre im Iran seit dem Jahr 2019.

Medienberichten zufolge kam es in der Nacht zu Donnertag zu weiteren Protesten im Land – dabei sollen erneut Menschen getötet worden sein. (js)