Iran: Amnesty kritisiert brutales Vorgehen gegen Demonstrierende
In der Stadt Zahedan im Südosten des Iran sind Sicherheitskräfte in der vergangenen Woche erneut brutal gegen friedliche Demonstrierende vorgegangen. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Hunderte Personen seien verhaftet worden – darunter auch Kinder.
Das Vorgehen der Behörden gegen die friedlichen Demonstrierenden sei am 20. Oktober eskaliert, so die Organisation. Von Amnesty gesammelte Beweise, darunter Interviews mit Augenzeugen und Videos, zeichneten ein düsteres Bild der Brutalität.
Amnesty zufolge wurden am 20. Oktober Tausende Gläubige nach dem Freitagsgebet von iranischen Sicherheitskräften zunächst mit Steinen beworfen. Als sich ein Protestmarsch mit etwa 1000 Menschen bildete, hätten die Sicherheitskräfte die Menschen eingekesselt.
Nur Minuten später hätten sie begonnen, Tränengas auf die Demonstrierenden abzufeuern – auch mit Schrotflinten sei teils geschossen worden. Ein Augenzeuge berichtete Amnesty International, er habe mehrere Jugendliche gesehen, die durch Schüsse verwundet wurden.
Einige Demonstrierende hätten auf die Gewalt mit Steinwürfen reagiert – laut Amnesty handelte es sich um eine “kleine Minderheit”. Der Großteil der Demonstration habe sich aufgelöst, nachdem die Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet hatten. Außerdem sei mit Wasserwerfern eine gelbe Flüssigkeit versprüht worden – um Demonstrierende anschließend identifizieren und verhaften zu können.
Auch Kinder wurden verhaftet
Wie Amnesty weiter berichtet, wurden die fliehenden Demonstrierenden verfolgt. Wer nicht entkommen konnte, sei verprügelt und verhaftet worden. Die Organisation spricht von willkürlichen Festnahmen, von denen auch Kinder nicht verschont wurden.
Einige der Verhafteten seien später wieder freigelassen worden und hätten von Folter und Misshandlungen berichtet. Andere seien in Gefängnisse verlegt worden.
Ein Verwandter von zwei eingesperrten Kindern erklärte gegenüber Amnesty, die Behörden hätten eine Haft von 30 Tagen angeordnet – und würden sich weigern, den Aufenthaltsort der Kinder preiszugeben.
Die Angriffe waren laut Amnesty International von einer Spezialeinheit der iranischen Polizei und den sogenannten Revolutionsgarden ausgegangen. Außerdem seien maskierte Personen in Zivil beteiligt gewesen, die die traditionelle Kleidung der Belutschen trugen.
Bereits am Morgen des 20. Oktober seien in Zahedan vermehrt Sicherheitskräfte unterwegs gewesen; auch habe es neue Kontrollpunkte auf den Straßen gegeben. Dies lässt nach Einschätzung von Amnesty darauf schließen, dass es sich um ein gezieltes Vorgehen der Behörden gehandelt hat.
Die Organisation erklärte, die Eskalation in der vergangenen Woche hänge mit verstärkten Versuchen zusammen, die wöchentlichen Proteste in Zahedan zu unterdrücken. Laut der lokalen Menschenrechtsorganisation Haalvsh hat der Chef der iranischen Polizei, Ahmadreza Radan, sogar örtliche Religionsführer wegen der Proteste bedroht.
Diana Eltahawy von Amnesty erklärte: “Die Behörden gegen mit zunehmender Brutalität dagegen vor, dass sich die Belutschen jede Woche in Zahedan versammeln.”
“Blutiger Freitag”
Im Iran war im September 2022 die 22-jährige Mahsa Amini verstorben, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden war. Ihr Tod hatte landesweite Proteste gegen das Regime ausgelöst. In Zahedan in der Provinz Sistan und Belutschistan, in der die Minderheit der Belutschen lebt, finden seitdem nach dem Freitagsgebet Demonstrationen statt.
Die Organisation NetBlocks berichtet regelmäßig an Freitagen von Internetblockaden in der Stadt – diese zielten auf die Anti-Regierungsproteste ab. Auch am 20. Oktober war demnach eine Netzsperre verhängt worden.
Am 30. September 2022 hatten Sicherheitskräfte die Proteste in Zahedan blutig niedergeschlagen. Laut Amnesty International sind damals mindestens 66 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Auch in der Folge der Proteste seien mindestens 16 weitere Menschen getötet worden.
Auch am Jahrestag dieses “blutigen Freitags” Ende September waren Sicherheitskräfte Berichten zufolge brutal gegen die Demonstrierenden vorgegangen.
Erst kürzlich hatte Amnesty International den Behörden im Iran vorgeworfen, zahlreiche völkerrechtliche Verbrechen begangen zu haben, um jegliche Kritik im Keim zu ersticken. Landesweit seien bei den Protesten Hunderte Menschen getötet worden. Tausende Menschen seien außerdem durch scharfe Geschosse und Metallkugeln verletzt worden. Auch die willkürliche Inhaftierung Zehntausender Menschen hatte die Organisation kritisiert.
Diana Eltahawy erlärte, die internationale Gemeinschaft müsse von den iranischen Behörden ein Ende der rechtswidrigen Gewalt gegen friedliche Demonstrierende fordern. Die neue Welle von Folter sei durch systematische Straflosigkeit im Iran ermöglicht worden. Nach dem Weltrechtsprinzip müssten Staaten weltweit strafrechtliche Ermittlungen “zu den von den iranischen Behörden begangenen Verbrechen” einleiten. (js)