Iran: 29 Menschen an einem Tag hingerichtet

Protest gegen Hinrichtungen im Iran in Deutschland
Menschenrechtsorganisationen kritisieren, die Hinrichtungen zerstreuten alle Illusionen über Fortschritte unter dem neuen Präsidenten Massud Peseschkian. (Quelle: IMAGO / Metodi Popow)

Im Iran wurden am Mittwoch 29 Menschen hingerichtet. Das berichten Menschenrechtsaktivisten. Bereits am Dienstag hatte das Regime erneut einen Mann im Zusammenhang mit der im Jahr 2022 gestarteten Protestbewegung exekutiert.

Wie die in Oslo ansässige Organisation Iran Human Rights (IHRNGO) berichtet, wurden am Mittwoch 26 Männer in einer Massenhinrichtung im Gheselhesar-Gefängnis in Karadsch außerhalb von Teheran gehängt. In einem anderen Gefängnis in der Stadt Karadsch seien am selben Tag drei weitere Menschen exekutiert worden.

Laut der Menschenrechtsorganisation wurden die Männer unter anderem wegen Mordes und Drogendelikten verurteilt. Unter ihnen hätten sich auch zwei afghanische Staatsbürger sowie ein Angehöriger der belutschischen Minderheit befunden.

Zudem wurden Berichten zufolge auch zwei Frauen hingerichtet. IHRNGO habe diese aber bisher nicht überprüfen können.

Warnung vor weiteren Hinrichtungen

IHRNGO-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam warnte, ohne eine sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft könnten “in den kommenden Monaten Hunderte Menschen der Tötungsmaschinerie der Islamischen Republik zum Opfer fallen”.

Bereits in den vergangenen Tagen waren weitere Todesurteile vollstreckt worden: So wurde Angaben von Amnesty International zufolge am Dienstag der 34-jährige Reza (Gholamreza) Rasaei hingerichtet – das Todesurteil stand demnach im Zusammenhang mit den im Jahr 2022 ausgebrochenen Massenprotesten im Iran. Die Behörden hatten ihm vorgeworfen, bei den Protesten ein Mitglied der Revolutionsgarden erstochen zu haben.

Amnesty International kritisiert, Rasaei sei im Oktober 2023 in einem unfairen Prozess zum Tode verurteilt worden, nachdem er bereits im November 2022 festgenommen worden war. Das Gericht habe sich auf ein erzwungenes Geständnis gestützt – er sei im Gefängnis gefoltert worden.

Die Behörden hätten weder Rasaei noch seine Familie oder seinen Anwalt vor Vollstreckung des Urteils informiert. Nur wenige Stunden nach der Exekution sei seine Familie gezwungen worden, seine Leiche in einem abgelegenen Gebiet in Anwesenheit von Sicherheitskräften zu beerdigen.

Reza Rasaei gehörte der kurdischen Minderheit im Iran an. Die “Fact-Finding-Mission zum Iran” der UN hat erst vor wenigen Tagen erklärt, ethnische und religiöse Minderheiten im Iran seien von dem harten Vorgehen der Regierung gegen Demonstrierende seit dem Jahr 2022 “unverhältnismäßig stark” betroffen – insbesondere Kurden und Belutschen.

Mittel zur Repression

Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty, kritisierte, die Hinrichtung sei vollzogen worden, während sich die Aufmerksamkeit auf die regionalen Spannungen zwischen dem Iran und Israel konzentriere. Der Fall verdeutliche die “Entschlossenheit der iranischen Behörden, die Todesstrafe als politisches Repressionsinstrument einzusetzen, um der Bevölkerung Angst einzujagen”.

Eltahawy konstatierte zudem, die Hinrichtung zerstreue “alle Illusionen über Fortschritte im Bereich der Menschenrechte, nachdem der neue Präsident letzte Woche die Macht übernommen hat”.

Laut der Organisation handelt es sich bei Rasaei bereits um die zehnte Person, die im Zusammenhang mit den Protesten der “Frau, Leben, Freiheit”-Bewegung hingerichtet wurde.

Als Reaktion auf den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini waren im September 2022 landesweit regimekritische Proteste im Iran ausgebrochen. Die Behörden antworteten darauf mit verstärkten Repressionen – so wurden etwa Tausende Personen verhaftet. Verstöße gegen die Kopftuchpflicht im Land ahnden die Behörden ebenfalls wieder verstärkt; dabei kommen auch Überwachungskameras zum Einsatz.

Auch die Todesstrafe kommt in dem Land verstärkt zum Einsatz: Im Jahr 2023 wurden laut Amnesty im Iran mindestens 853 Menschen exekutiert – und damit so viele wie seit dem Jahr 2015 nicht mehr. In der Folge der Massenproteste sei die Todesstrafe eingesetzt worden, “um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen”.

Im Jahr 2024 soll die iranische Justiz laut Amnesty bis zum 30. Juni bereits mindestens 274 Menschen getötet haben. Die Organisation fordert die iranischen Behörden seit langem auf, ein Moratorium für Hinrichtungen zu erlassen. Die Organisation IHRNGO hat seit den Wahlen am 6. Juli 87 weitere Vollstreckungen gezählt. (js)