Iran richtet erneut Demonstranten hin

Mitglieder von Amnesty International halten Fotos der Hingerichteten vor der iranischen Botschaft in Berlin
Menschenrechtsorganisationen zufolge ist der Iran eines der Länder mit der weltweit höchsten Zahl an Todesurteilen. (Quelle: Amnesty International/Daniela Sepheri)

Im Iran wurden am Dienstag erneut zwei Menschen hingerichtet. Eines der beiden vollstreckten Todesurteile stand im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten. Menschenrechtler warnen, die Exekution weiterer Menschen stehe bevor.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei den beiden Getöteten um Mohammad Ghobadlou und Farhad Salimi. Nach Angaben der in Oslo ansässigen Organisation Iran Human Rights (IHRNGO) wurde Ghobadlou Ende September 2022 während der landesweiten regimekritischen Proteste verhaftet. Die Justiz beschuldigte ihn, dabei einen Polizisten getötet und weitere verletzt zu haben – angeklagt wurde er wegen “Korruption auf Erden”.

Die Proteste waren im September 2022 ausgebrochen, nachdem die 22-jährige Mahsa Amini im Polizeigewahrsam gestorben war. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die im Iran bestehende Kleidungsvorschriften verhaftet – sie soll ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben. Im Iran – und in vielen weiteren Ländern – hatten zahlreiche Menschen daraufhin gegen das Regime protestiert.

Menschenrechtsaktivisten zufolge kamen bei der Niederschlagung von Protesten Hunderte Menschen ums Leben; zahlreiche wurden verhaftet. Laut IHRNGO ist Mohammad Ghobadlou bereits die neunte Person, die im Zusammenhang mit den Protesten hingerichtet wurde.

Hinrichtung war zunächst worden

Amnesty International kritisiert, die iranische Führung setze die Todesstrafe ein, um die Protestbewegung einzuschüchtern. Ghobadlou sei nach zwei unfairen Gerichtsverfahren im Dezember 2022 zum Tode verurteilt worden – die Justiz habe dabei durch Folter erzwungene Geständnisse verwendet.

Ghobadlou habe zudem eine psychische Erkrankung gehabt, die nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Auch benötigte Medikamente wurden ihm laut Amnesty vorenthalten. Die Organisation weist darauf hin, dass die Todesstrafe nach dem Völkerrecht und internationalen Standards nicht auf Menschen mit psychischen Erkrankungen angewendet werden darf.

Seine Hinrichtung sei im Januar 2023 zunächst ausgesetzt worden und der Prozess habe neu verhandelt werden sollen – doch am 23. Januar 2024 wurde er nun exekutiert.

Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen – darunter der Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation im Iran – kritisierten am Dienstag ebenfalls: “Wir sind beunruhigt über Berichte über unfaire Gerichtsverfahren im Fall von Herrn Ghobadlou sowie in anderen Fällen. Diese bleiben weit hinter den Standards für ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren zurück, die nach internationalen Menschenrechtsnormen erforderlich sind, an die der Iran gebunden ist.”

Auch der sunnitische Kurde Farhad Salimi wurde am Dienstag hingerichtet, wie IHRNGO berichtet. Er sei zuvor 14 Jahre lang inhaftiert gewesen. Er habe sich im Hungerstreik befunden, um gegen die Hinrichtung von Mitgefangenen zu protestieren.

Amnesty International kritisiert, auch Farhad Salimi sei in einem “grob unfairen Verfahren” verurteilt worden, das von “Folter- und Misshandlungsvorwürfen” geprägt gewesen sei.

Weiteren Menschen droht die Todesstrafe

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnt, die Hinrichtung von mindestens elf Gefangenen stehe aktuell bevor. Sie seien wegen Anschuldigungen verurteilt worden, die nach internationalem Recht nicht mit dem Tode bestraft werden dürften.

Michael Page von HRW kritisierte: “Die iranischen Behörden sind dafür berüchtigt, dass sie nach unfairen Gerichtsverfahren die Todesstrafe gegen Menschen verhängen, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen, die landesweite Proteste mit der Forderung nach grundlegenden Reformen mobilisiert hat.” Besonders hart gehe die Regierung gegen ethnische Minderheiten vor. Auch viele der elf von einer Hinrichtung bedrohten Menschen gehörten Minderheiten an – acht seien kurdisch.

Den UN-Menschenrechtlern zufolge droht auch zwei Menschen im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten die Hinrichtung. Sie erklärten: “Wir fordern die iranische Regierung auf, diese schreckliche Hinrichtungswelle zu stoppen.” Im vergangenen Jahr seien mindestens 834 Menschen im Iran hingerichtet worden.

Laut IHRNGO hat die iranische Justiz in den ersten 23 Tagen des Jahres 2024 bereits 51 Menschen töten lassen.

Lena Rohrbach von Amnesty International Deutschland sagte: “Die Hinrichtungswelle im Iran muss spürbare diplomatische Konsequenzen haben. Die internationale Gemeinschaft sowie die Bundesregierung müssen sich verstärkt dafür einsetzen, dass die Todesstrafe im Iran abgeschafft und die Praxis der Scheinprozesse beendet wird. Sie muss die Möglichkeiten universeller Gerichtsbarkeit nutzen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.” (js)