Medienschaffende in Togo mit Pegasus ausgespäht

NSO-Logo auf einem Smartphone, im Hintergrund die Unternehmenswebseite.
Den Sicherheitsexperten zufolge war Togo mindestens bis zum Jahr 2021 Kunde des Pegasus-Entwicklers NSO Group. (Quelle: IMAGO / Pond5 Images)

Die Smartphones von zwei togoischen Journalisten wurden mit der Spähsoftware Pegasus überwacht. Das konnten IT-Sicherheitsexperten von Reporter ohne Grenzen (RSF) nachweisen. Wie die Organisation am Dienstag mitteilte, sind es die beiden ersten bestätigten Fälle aus Togo.

Wie RSF berichtet, wurde das Smartphone von Loïc Lawson zwischen dem 1. Februar und dem 10. Juli 2021 mehrfach mit Spionagesoftware infiziert. Lawson ist Herausgeber von “Le Flambeau des démocrates”, einer führenden unabhängigen Wochenzeitung in Togo.

Sein Kollege, der freie Journalist Anani Sossou, wurde Ende Oktober 2021 ebenfalls mit der Spähsoftware angegriffen.

Laut der Untersuchung des Digital Security Labs von RSF deuten die auf den Smartphones gefundenen Spuren auf die Spähsoftware Pegasus hin. Sicherheitsexperten von Amnesty International haben die Ergebnisse bestätigt.

Frühere Verbindungen zu Togo

Die Spionagesoftware Pegasus wird von der israelischen NSO Group entwickelt. NSO verkauft das Überwachungsprogramm eigenen Angaben zufolge nur an staatliche Stellen. Auch Togo soll mindestens bis zum Jahr 2021 Kunde von NSO gewesen sein. Kanadische Sicherheitsforscher hatten bereits im Jahr 2018 berichtet, Behörden in dem Land würden das umstrittene Überwachungsprogramm einsetzen.

Janik Besendorf vom Digital Security Lab kommentierte: “Wir konnten im Fall von Loïc Lawson nachweisen, dass sein Mobiltelefon immer wieder von dem Staatstrojaner Pegasus infiziert wurde. Es ist Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, die Regierung von Togo und die NSO Group, welche diese Spionagesoftware an Togo verkauft hat, zur Verantwortung zu ziehen.”

Als Loïc Lawson von RSF über die Überwachung informiert wurde, äußerte er sich “sehr besorgt über das Ausmaß der Informationen, zu denen die Urheber dieser Operation Zugang hatten”. Er vermutet, die Angriffe könnten dazu gedient haben, seine journalistischen Quellen zu identifizieren.

Die togoische Kommunikationsministerin und Regierungssprecherin Yawa Kouigan reagierte nicht auf Anfragen von RSF zu den Angriffen.

Journalisten vor Gericht

Die Experten von RSF hatten Anfang Dezember 2023 begonnen, die Mobiltelefone der beiden Journalisten zu untersuchen. Damals waren sie gerade aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Zuvor hatte der Minister für Städtebau, Wohnungsbau und Landreform Anzeige gegen Lawson und Sossou erstattet.

Was ist Pegasus?

Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Die Journalisten hatten berichtet, dass bei einem Einbruch in das Haus des Ministers Geld und Gegenstände im Wert von umgerechnet 600.000 Euro gestohlen wurden. Wie RSF berichtet, bestreitet der Minister diese Summe, während er die anderen Inhalte der Berichterstattung nicht beanstandet habe. RSF kritisiert, der Politiker habe nicht erklärt, inwiefern ihm die Berichterstattung geschadet habe – dennoch seien Lawson und Sossou wegen angeblicher “Verleumdung”, “Ehrverletzung” und sogar “Anstiftung zur Revolte” angeklagt worden.

Arnaud Froger von RSF sagte: “Bei der Untersuchung der Umstände der völlig willkürlichen Verhaftung dieser Journalisten und der gegen sie erhobenen Anklagen entdeckten wir, dass sie schon seit langem im Fadenkreuz der togoischen Behörden standen.” Es handle sich um die ersten bestätigten Fälle, in denen Journalisten in Togo Ziel von Spionagesoftware waren. Er fügte hinzu: “Es ist nun Aufgabe der Justiz, die Verantwortung der togolesischen Behörden und der NSO Group, des Unternehmens, das ihnen diese Spionagesoftware zur Verfügung gestellt hat, zu klären.”

Telefonnummern aus Togo auf Liste des “Pegasus Projekts”

Im Sommer 2021 hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Sie hatten einen Datensatz mit mehr als 50.000 Telefonnummern ausgewertet, die offenbar von Pegasus-Nutzern als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden waren – darunter auch mehr als 300 togoische Nummern.

Laut den Recherchen wurden diese Telefonnummern von einem NSO-Kunden innerhalb Togos ausgewählt und gehörten Aktivisten, Medienschaffenden und Oppositionellen. Damals wurden auch mehrere Journalisten identifiziert, die als mögliche Überwachungsziele ausgewählt wurden – allerdings konnten ihre Handys nicht auf Infektionen untersucht werden.

Ein Jahr nach den Enthüllungen hatten die Betroffenen gegenüber dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichtet, seit den Enthüllungen würden sie “ständige Angst” verspüren und beispielsweise nicht mehr mit ihren Quellen telefonieren.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt das autoritär regierte westafrikanische Land Rang 70 von 180 Staaten. Bereits seit dem Jahr 2005 steht Präsident Faure Gnassingbé an der Spitze des Landes, der Sohn des früheren Militärmachthabers Eyadema Gnassingbé.

Nach Angaben von RSF zensiert die staatliche Medienaufsicht HAAC kritische Medien. Wer etwa über Menschenrechtsverletzungen berichtet, werde eingeschüchtert und müsse sogar mit Gerichtsverfahren und tätlichen Angriffen rechnen. Auch würden Medienschaffende häufig ins Visier von Behörden geraten. So mussten beispielsweise der Herausgeber des Online-Mediums “L’Alternative”, Ferdinand Ayité, sowie sein Chefredakteur Isidore Kouwonou im März 2023 aus dem Land fliehen, nachdem sie festgenommen und eingeschüchtert worden waren. Sie wurden in Abwesenheit zu jeweils drei Jahren Haft wegen angeblicher “Beleidigung der Autorität” und “Verbreitung falscher Tatsachen in sozialen Netzwerken” verurteilt, nachdem sie von zwei Ministern angezeigt worden waren.

Ayité war zudem eines der mutmaßlichen Pegasus-Ziele, die Forbidden Stories im Jahr 2021 in Togo identifizieren konnte. (js)