Frankreich: Amazon kassiert Millionenstrafe wegen Mitarbeiterüberwachung

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Die CNIL setzte die Strafe unter anderem deswegen so hoch an, weil sie es als erwiesen ansah, dass der ungerechtfertigte Druck auf die Mitarbeiter der Gewinnsteigerung von Amazon dient und einen Wettbewerbsvorteil bedeutet.(Quelle: IMAGO / YAY Images)

Frankreichs nationale Datenschutzbehörde (CNIL) hat eine Strafe von 32 Millionen Euro gegen Amazon wegen einer “übermäßig aufdringlichen” Überwachung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verhängt. Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, hielt sie die Einführung eines Systems für rechtswidrig, das die Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit penibel misst. Es verstoße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Das in den Lagern des weltgrößten Online-Händlers in Frankreich verwendete System habe mithilfe der von den Beschäftigten verwendeten Scanner erfasst, wie lange die Unterbrechungen zwischen bestimmten Arbeitsschritten sind – auf hundertstel Sekunden genau. Das führe dazu, dass Arbeitnehmer potenziell jede Pause oder Unterbrechung rechtfertigen müssen.

Die Lagermitarbeiter bei Amazon sind mit Scannergeräten ausgestattet, mit denen sie in Echtzeit die Ausführung bestimmter Aufgaben dokumentieren. Dazu zählen beispielsweise die Einlagerung oder Entnahme eines Artikels aus den Regalen oder das Verpacken. Amazon nutze die Aktivitäts- und Leistungsdaten, um die Arbeit in seinen Lagern zu planen, die Mitarbeiter wöchentlich zu bewerten und zu schulen.

Des einen Leid, des anderen Gewinn

“Jeder von den Mitarbeitern durchgeführte Scan führt zur Aufzeichnung von Daten, die gespeichert werden und die es ermöglichen, eine Reihe von Indikatoren zu berechnen, die Aufschluss über die Qualität, Produktivität und Inaktivitätszeiten jedes einzelnen Mitarbeiters geben”, kritisiert die CNIL in ihrer Mitteilung. Das setze die Beschäftigten unter Druck.

Betroffen seien mehrere Tausend Personen. Die Einschränkungen, die sie durch die Überwachung erlebten, trügen direkt zu den wirtschaftlichen Gewinnen von Amazon bei und ermöglichten dem US-Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten in der Branche.

Die Behörde hielt es außerdem für übertrieben, alle durch das System gesammelten Daten und erstellten Statistiken für alle Arbeitnehmer 31 Tage lang aufzubewahren.

Dabei stellte die Behörde explizit nicht infrage, dass die Geschäftstätigkeit von Amazon sowie die hohen Leistungsziele ein Scannersystem grundsätzlich rechtfertigen können.

Beanstandet hat die Datenschutzbehörde außerdem, dass Beschäftigte und Besucher unzureichend über die Videoüberwachung in den Lagern informiert wurden. Auch seien Zeitarbeitskräfte bis April 2020 nicht ordnungsgemäß über die Datenschutzrichtlinie informiert worden, bevor ihre personenbezogenen Daten mithilfe von Scannern erfasst wurden.

Amazon uneinsichtig

Amazon selbst bezeichnete die Schlussfolgerungen der CNIL als sachlich falsch und behielt sich das Recht vor, Berufung einzulegen, wie ein Sprecher sagte. Lagerverwaltungssysteme gehörten zum Industriestandard und seien notwendig, um die Sicherheit, Qualität und Effizienz der Abläufe zu gewährleisten und die Lagerung der Bestände und die Verarbeitung der Pakete rechtzeitig und entsprechend den Kundenerwartungen zu verfolgen. Amazon kritisierte, die Behörde habe sich trotz Einladung die Abläufe nicht vor Ort angeschaut.

Die CNIL schreibt in ihrer Mitteilung hingegen, sie habe mehrere Inspektionsbesuche durchgeführt. Anlass für diese seien sowohl Beschwerden von Mitarbeitern an die Behörde als auch einschlägige Presseberichterstattung gewesen.

Bei der Festlegung der Strafgeldhöhe sei es ausschlaggebend gewesen, dass sich die Aktivitätsverfolgung per Scanner nach Ansicht der CNIL von “klassischen Methoden der Aktivitätsverfolgung” unterscheidet. Denn aufgrund des Umfangs, der Vollständigkeit und der Dauerhaftigkeit handele es sich um eine außergewöhnlich engmaschige und detaillierte Überwachung der Arbeit der Arbeitnehmer.

Eine solche Detailtiefe sei jedoch nicht nötig, um die Mitarbeiter zu organisieren und Schwierigkeiten festzustellen. Wöchentliche Zusammenfassungen würden laut CNIL dafür ausreichen.

Amazon und der Datenschutz

Amazon ist in den vergangenen Jahren immer wieder durch Datenschutzvergehen aufgefallen – sei es wegen der Zusammenarbeit mit Detektivagenturen, der Überwachung seiner Lieferwagen oder Missbrauch der hauseigenen Türkameras.

Ende 2020 wurde bekannt, dass der Konzern systematisch Gewerkschaftstreffen infiltriert und überwacht hatte. Auch Umweltschutzorganisationen ließ Amazon ausspähen. Hierzu legten Sicherheitsmitarbeiter beispielsweise fingierte Social-Media-Accounts an, zudem wurde die Detektivagentur Pinkerton engagiert.

In den USA mussten Lieferwagenfahrer im Jahr 2021 schriftlich einwilligen, sich während der Arbeit mit Kameras, Sensoren und KI-Analyse überwachen zu lassen. Das in die Lieferfahrzeuge eingebaute System identifiziert die Angestellten per Gesichtserkennung und loggt sie automatisch in ihr Fahrerkonto ein. Sensoren erfassen unter anderem Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsmanöver sowie Kurvenfahrten und melden angebliche Verstöße gegen die hauseigenen Richtlinien und Verkehrsverstöße. Fahrer beschwerten sich nach Einführung über Fehlmeldungen und mussten teils um ihre Beschäftigung bangen. (dpa / hcz)