Iranische Frauenrechtlerin mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet
Die iranische Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wird in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag bekannt. Sie erhält den prestigeträchtigen Preis “für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle”, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, bei der Preisbekanntgabe in Oslo.
Narges Mohammadi ist eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen im Iran. Aktuell ist sie im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis inhaftiert. Sie war im November 2021 verhaftet worden, als sie an einer Gedenkfeier für einen Mann teilgenommen hatte, der während der regierungskritischen Proteste im Jahr 2019 getötet wurde. Ihr im Exil in Frankreich lebender Ehemann, der Journalist Tahi Rahmani, erklärte Anfang 2022, seine Ehefrau sei in einem fünfminütigen Prozess zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Berichten zufolge wurde sie trotz Herzproblemen im Gefängnis gefoltert.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Mohammadi in Haft befindet: Laut dem Nobelpreiskomitee hat das iranische Regime sie bereits 13 Mal verhaften lassen. Fünfmal wurde sie verurteilt – zu insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 Peitschenhieben.
Engagement seit Jahrzehnten
Bereits während ihres Physikstudiums in den 1990er Jahren habe sich Narges Mohammadi für Frauenrechte eingesetzt, erklärte das Komitee. Nach dem Abschluss ihres Studiums begann sie auch, für verschiedene reformorientierte Zeitungen als Kolumnistin zu schreiben.
Im Jahr 2003 schloss sie sich dem Defenders of Human Rights Center an, dessen Leiterin Shirin Ebadi im selben Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war. Später wurde Mohammadi Vizepräsidentin der iranischen Menschenrechtsorganisation.
Einsatz gegen Todesstrafe
Mohammadi ist auch bekannt für ihren Einsatz gegen die Todesstrafe – im Jahr 2015 wurde sie deshalb verhaftet. Menschenrechtsorganisation beklagen seit langem, dass die Todesstrafe vom Regime als Mittel politischer Unterdrückung eingesetzt wird. Alleine in den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden mindestens 94 Menschen hingerichtet.
In einem Interview aus dem Jahr 2021 hatte Mohammadi erklärt: “Mein Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe ist den Behörden ein Dorn im Auge. Die Todesstrafe ist für sie das wichtigste Instrument zur Unterdrückung und Einschüchterung der Zivilgesellschaft. Wer sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt, den sehen sie als Feind.”
Die Justiz gehe vor allem deshalb so hart gegen sie vor, weil sie eine Frau sei, “die sich nicht beugt”. In der Islamischen Republik Iran würden Frauen bereits seit der Gründung im Jahr 1979 unterdrückt.
Mohammadis Bericht brachte Folter ans Licht
Auch als in Folge des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini im Herbst 2022 landesweite Proteste im Iran ausgebrochen waren, drückte Mohammadi ihre Unterstützung für die Demonstrierenden aus und organisierte Solidaritätsaktionen unter ihren Mitgefangenen – worauf die Gefängnisleitung mit strengeren Auflagen reagierte.
Im Dezember 2022 beschrieb Mohammadi in einem Brief an die BBC, wie bei den Demonstrationen festgenommene Frauen in der Haft misshandelt werden.
Anlässlich des ersten Todestages von Mahsa Amini veröffentlichte zudem die New York Times einen Brief von Mohammadi mit der Botschaft: “Je mehr sie einsperren, desto stärker werden wir.”
Reiss-Andersen vom Nobelpreiskomitee erklärte, mit der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises würdige das Komitee auch die Hunderttausenden Menschen, die im Iran gegen die frauenfeindliche Politik des Regimes protestiert haben.
International stieß die Entscheidung auf positive Reaktionen. Die Vereinten Nationen forderten nach der Preisbekanntgabe die Freilassung von Mohammadi und aller inhaftierten Menschenrechtsverteidiger im Iran. “Frauen im Iran sind eine Inspiration für die Welt”, sagte Liz Throssell, Sprecherin des UN-Büros für Menschenrechte, in Genf.
Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Hoffmann, sagte: “Die Auszeichnung von Frau Mohammadi steht auch stellvertretend für alle mutigen Frauen Irans, die sich für Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen.” Dies geschehe oft unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit.
Tirana Hassan, Leiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, kommentierte: “Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Narges Mohammadi ein wichtiges Mitglied der iranischen Zivilgesellschaft, die sich trotz starker Repressionen für Menschenrechte und Gleichberechtigung einsetzt.” Auch Hassan forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung von Mohammadi und anderen Menschenrechtlern im Iran.
Preis wird seit 1901 verliehen
Der Friedensnobelpreis gilt als weltweit wichtigster politischer Preis. Seit der ersten Vergabe 1901 haben ihn über 140 Personen und Organisationen erhalten. Im vergangenen Jahr waren der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki sowie die Menschenrechtsorganisationen Memorial aus Russland und Center for Civil Liberties aus der Ukraine ausgezeichnet worden. Sie wurden damit unter anderem für ihren Einsatz für die Zivilgesellschaften in ihren Heimatländern, das Recht auf Machtkritik und den Schutz der Grundrechte der Bürger geehrt.
Die Nobelpreise gehen auf das Testament des schwedischen Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Der Friedensnobelpreis ist dabei der einzige, der nicht in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo vergeben wird. In Stockholm waren von Montag bis Donnerstag bereits die Preisträgerinnen und Preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Literatur verkündet worden. Zum Abschluss der diesjährigen Preisbekanntgaben folgt am Montag noch der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
Alle Auszeichnungen sind in diesem Jahr mit 11 Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) pro Kategorie und damit mit einer Million Kronen mehr als in den Vorjahren dotiert. Überreicht werden die Preise traditionell am Todestag von Stifter Nobel, dem 10. Dezember, der gleichzeitig internationaler Tag der Menschenrechte ist – Narges Mohammadi wird der Zeremonie allerdings nicht beiwohnen können. (dpa / js)