Iran: Mehr als 90 Hinrichtungen seit Jahresbeginn

Protest gegen Hinrichtungen im Iran
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum habe es einen “deutlichen Anstieg” der Exekutionen gegeben, kritisiert Amnesty. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Die iranischen Behörden haben in den ersten beiden Monaten des Jahres bereits mindestens 94 Menschen hinrichten lassen. Das haben Recherchen von Amnesty International und dem Abdorrahman-Boroumand-Zentrum für Menschenrechte im Iran ergeben. Einige der Getöteten seien zuvor gefoltert worden.

Die beiden Organisationen zeigen sich alarmiert angesichts eines “deutlichen Anstiegs” der Hinrichtungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Amnesty International beklagt auch die zunehmende Anwendung der Todesstrafe gegen ethnische Minderheiten – sie werde als Instrument der Repression eingesetzt. So wurden nach Angaben der Organisationen im Iran seit Jahresbeginn mindestens 14 Kurden, 13 Belutschen sowie ein Ahwazi-Araber getötet.

Dieter Karg, Iran-Experte bei Amnesty International in Deutschland, erklärte: “Die schiere Anzahl der Hinrichtungen ist erschütternd. Die Hinrichtungen folgen auf äußerst unfaire Verfahren, in denen systematisch durch Folter erpresste ‘Geständnisse’ verwendet werden, um Angeklagte zu verurteilen.”

Roya Boroumand, Geschäftsführerin des Abdorrahman-Boroumand-Zentrums, sagte, das Vorgehen der iranischen Behörden ziele darauf ab, “Angst zu schüren, dass Kritik mit brutaler Gewalt begegnet wird”.

Erzwungene Geständnisse

Amnesty berichtet, dass Ende Februar Hassan Abyat und Arash Sarkawt Ahmadi im Iran hingerichtet wurden. Hassan Abyat wurde demnach von einem Revolutionsgericht wegen “Feindschaft gegen Gott” zum Tode verurteilt. Zusätzlich habe ein Strafgericht ihn wegen Mordes an einem Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz im Jahr 2011 ebenfalls zum Tode verurteilt – er hatte jegliche Schuld bestritten.

Auch Arash Sarkawt Ahmadi wurde laut Amnesty wegen “Feindschaft gegen Gott” verurteilt. Ihm wurde die Mitgliedschaft in einer verbotenen iranisch-kurdischen Oppositionsgruppe und der Tod eines Mitglieds der Sicherheitskräfte vorgeworfen.

Beide Männer seien in Haft gefoltert worden, um Geständnisse zu erzwingen, die anschließend über staatliche Medien verbreitet wurden. Amnesty kritisiert dies als einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Außerdem wertet die Organisation das Vorgehen als einen Versuch der Behörden, die beiden Männer zu diffamieren und ihre Hinrichtung zu rechtfertigen. Der Zugang zu einem Rechtsbeistand soll den beiden Getöteten verweigert worden sein. Darüber hinaus hätten ihre Familien sie nicht ein letztes Mal besuchen können.

Insgesamt wurden 28 Angehörige von Minderheiten hingerichtet. Sieben seien wegen Mordes verurteilt worden. 19 Todesurteile wurden wegen Drogendelikten vollstreckt und zwei in Folge von vage formulierten Anklagen wie “Feindschaft gegen Gott” oder “Korruption auf Erden”. Amnesty weist darauf hin, dass die Todesstrafe nach internationalem Recht bei Straftaten verboten ist, die nicht die Schwelle “schwerster Verbrechen” erreichen.

Hinrichtungsmoratorium gefordert

Amnesty International lehnt die Todesstrafe ohne Ausnahme ab: Sie verletze das Recht auf Leben und sei die “ultimative grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe”. Diana Eltahawy, bei Amnesty für den Nahen Osten und Nordafrika zuständig, forderte: “Die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln und Druck auf die iranischen Behörden ausüben, damit ein offizielles Moratorium für Exekutionen verhängt wird. Die Todesurteile müssen aufgehoben und alle Anklagen im Zusammenhang mit der friedlichen Teilnahme an Protesten fallengelassen werden.”

Wie die Organisationen berichten, wurden in den vergangenen Wochen mindestens zwölf Angehörige der Minderheiten der Ahwazi-Araber und Belutschen zum Tode verurteilt – teils in Zusammenhang mit den seit September 2022 stattfindenden Protesten. Auch diese Urteile seien in unfairen Verfahren gefällt worden; in einigen Fällen sollen Geständnisse unter Folter erzwungen worden sein.

Auslöser der seit Monaten anhaltenden Demonstrationen gegen das iranische Regime war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verhaftet worden war. Bisher wurden mindestens vier Demonstranten exekutiert.

Amnesty International kritisiert schon lange, der Iran lasse “systematisch” Menschen hinrichten, die in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden. Die Todesstrafe werde bei zahlreichen Straftaten angewendet, beispielsweise bei Finanzdelikten und bewaffneten Raubüberfällen. Auch völkerrechtlich geschützte Aktivitäten wie einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und außereheliche sexuelle Beziehungen würden mit der Todesstrafe geahndet.

Auch der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte im Iran hatte im Jahr 2021 kritisiert, im Iran gebe es vage und willkürliche Gründe für die Verhängung der Todesstrafe. (js)