Japan will ab diesem Jahr verstrahltes Wasser ins Meer leiten
Eine Million Tonnen aufbereitetes Wasser sollen nach Plänen Japans ab diesem Jahr in die Gewässer vor der Pazifikküste geleitet werden. Das Wasser stammt aus dem vor 12 Jahren havarierten Atomkraftwerk Fukushima. Wie der leitende Regierungssekretär Hirokazu Matsuno mitteilte, hat die Internationale Atomenergiebehörde IAEA nun grünes Licht für die Entsorgung des gesammelten Kühlwassers gegeben.
Für die finale Freigabe will die japanische Regierung noch einen “umfassenden Bericht” der Vereinten Nationen abwarten. Dann soll das angesammelte Wasser über mehrere Jahrzehnte nach und nach ins Meer geleitet werden. Dafür werden kilometerlange Unterwasserleitungen gebaut. “Wir gehen davon aus, dass die Freisetzung irgendwann in diesem Frühjahr oder Sommer erfolgen wird”, sagte Matsuno. Die Anlagen müssen bis dahin noch fertiggestellt und getestet werden.
Nachbarländer Japans wie China und Südkorea haben Bedenken gegenüber der Freisetzung des Wassers. Und auch Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisieren das Vorhaben. Sie befürchten, radioaktive Bestandteile des Wassers könnten Schäden bei Mensch und Umwelt anrichten. Beispielsweise könnten Fischbestände verseucht werden, die in der Region für den Verzehr gefangen werden. Ortsansässige Fischer befürchten mindestens einen Imageschaden für ihre Produkte – selbst wenn keine signifikante Strahlenbelastung auftreten sollte – und wirtschaftliche Einbußen.
Zwar beteuert der Kraftwerksbetreiber, das aufbereitete Wasser entspreche den nationalen Normen, mit Ausnahme des Tritium-Gehaltes. Experten schätzen das radioaktive Wasserstoff-Isotop hochdosiert als schädlich für den Menschen ein.
Millionen Liter giftiges Wasser
Seit dem Super-GAU in dem Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 haben sich mehr als 1,3 Million Tonnen verstrahltes Wasser in Tausenden Tanks angesammelt. Allein von April bis November 2022 fielen täglich durchschnittlich 100.000 Liter kontaminiertes Wasser an. Es setzt sich aus Kühlwasser für die Reaktoren, aber auch aus Grund-, Meer- und Regenwasser zusammen. Vor Ort werden die Unterbringungsmöglichkeiten allmählich knapp und an einigen Behältern hatten sich in der Vergangenheit Lecks gezeigt.
In der Frage, wie gefährlich das abzuleitende Wasser für Umwelt und Mensch ist, gehen die Meinungen auseinander. Der Atomkraftwerkbetreiber Tokyo Electric Power Company (TEPCO) will das Wasser vor der Einleitung verdünnen, um den Tritiumgehalt weiter zu senken. Die IAEA erklärte, die Freisetzung entspreche den internationalen Standards und werde “der Umwelt keinen Schaden zufügen”.
Die Ärzteorganisation IPPNW hatte jedoch bereits im Jahr 2021 vor den Plänen der japanischen Regierung gewarnt. Die Verklappung des kontaminierten Wassers bezeichnete die Organisation als “Horrorszenario für Anwohner*innen und die Fischerei in der Region”.
Hinzu käme, dass TEPCO in der Vergangenheit immer wieder zugeben musste, über die Fähigkeiten ihrer Filtersysteme die Unwahrheit veröffentlicht zu haben. In angeblich gereinigten Wasserbehältern seien deutlich erhöhte Werte von krebserregenden Stoffen wie Strontium-90 gefunden worden. Greenpeace hatte diesen Fund bestätigt.
Regierung weiter auf Atomkurs
Auf die Energiepolitik Japans haben die fatalen Ereignisse in Fukushima keine nachhaltige Wirkung: Eine Ende des Jahres von der Regierung beschlossene Richtlinie sieht eine Verlängerung der Laufzeit bestehender Meiler über die bisherige Begrenzung auf 60 Jahre hinaus vor.
Zudem sollen Reaktoren der nächsten Generation gebaut werden, die langfristig die alten ersetzen sollen. Damit kehrt die vor Deutschland drittgrößte Volkswirtschaft der Welt vollends vom vorübergehenden Atomausstieg ab, der nach dem Super-GAU eingeleitet worden war.
Zum einen will das rohstoffarme Land seine Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verringern und Stromengpässe vermeiden. Zum anderen will Japan mithilfe der Atomkraft seine Klimaschutzziele erreichen. Zwar sollen auch die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, doch zugleich wird die Nutzung der Atomkraft ungeachtet der Gefahr durch Erdbeben und der Fukushima-Katastrophe fortgeführt.
Betreiber werden für GAU entschädigt
Nach Fukushima hatte Japan sämtliche Meiler im Land heruntergefahren und deutlich verschärfte Sicherheitsstandards eingeführt. Die Regierung will nun die Zeit der Zwangspause den Betreibern anrechnen. Damit dürfte ein AKW dann sogar 70 Jahre betrieben werden.
Für 27 abgeschaltete Reaktoren haben die Betreiber die Genehmigung zum Wiederanfahren beantragt. 17 Reaktoren haben die Sicherheitsauflagen erfüllt, zehn Meiler davon wurden bereits wieder ans Netz genommen.
Forderungen von Anwohnern von Kraftwerken wie in Mihama wurden indes gerichtlich zurückgewiesen. Die Kläger hatten Sicherheitsbedenken geäußert und die Abschaltung gefordert. Der Reaktor dort läuft seit mehr als 40 Jahren. (dpa / hcz)