Klima: Bahnfahrten in Europa meist teurer als Flüge
In Europa ist es auf den meisten Reisestrecken teurer, klimafreundlich mit der Bahn zu fahren als mit dem Flugzeug zu reisen. Zu diesem Ergebnis kommt die Umwelt-Organisation Greenpeace, die europaweit die Preisunterschiede für beide Verkehrsmittel auf 112 beliebten Strecken verglichen hat.
Im Durchschnitt waren die Bahnreisen doppelt so teuer wie die entsprechenden Flüge. Nur auf 23 von 112 untersuchten Verbindungen war die Bahnreise meist preiswerter als der Flug. Die Hälfte dieser günstigen Bahnverbindungen hatte aber den Nachteil, besonders langsam oder umständlich zu sein.
31 der analysierten Routen hatten ihren Start- oder Endpunkt in Deutschland. Hier war die Bahn durchschnittlich rund 50 Prozent teurer.
Flugverbindungen von und nach Spanien, Italien, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die nordischen Länder waren immer oder fast immer billiger. Immer günstiger waren die Züge hingegen auf den Strecken Hamburg-Brüssel und Hamburg-München.
Die größte Preisdifferenz in Europa registrierten die Testerinnen und Tester auf der Strecke Barcelona-London, die mit dem Zug bis zu 384 Euro kosten sollte. Das sei 30-mal mehr als mit dem Flugzeug bei einem Ticketpreis ab 12,99 Euro, kritisiert Greenpeace. Einige weitere Verbindungen zwischen europäischen Großstädten waren etwa um das 15- (London-Bratislava) oder 12-fache (Budapest-Brüssel) teurer.
Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer nannte die Untersuchungsergebnisse “eine Bruchlandung für den Klimaschutz”. Sie erklärte: “Immer mehr Menschen wollen mit der Bahn reisen und auf Flüge verzichten, doch die fehlende Kerosinsteuer und weitere klimaschädliche Subventionen für die Flugindustrie verzerren die Preise.” Schnäppchenpreise seien nur möglich, weil andere die Kosten trügen, etwa durch schlechte Arbeitsbedingungen und die Folgen der Klimakrise.
Laut Greenpeace ist nur ein Prozent der Weltbevölkerung für die Hälfte aller Emissionen aus dem Luftverkehr verantwortlich. Unter den Negativfolgen würde jedoch die gesamte Weltbevölkerung leiden. Die Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs haben laut der Organisation zwischen 2009 und 2019 – vor der Pandemie – um knapp 30 Prozent zugenommen. Somit zähle der Luftverkehr zu den am schnellsten wachsenden europäischen Emissionsquellen.
Verhältnis in Osteuropa umgekehrt
Die Umweltschutzorganisation hat für die Analyse die jeweils niedrigsten Preise für 112 Routen per Bahn beziehungsweise Flugzeug an neun verschiedenen Reisetagen recherchiert. Sowohl kurzfristige Buchungen (zwei bis sieben Tage vor Abreise) als auch mittel- (ein Monat entfernt) und langfristige (in vier Monaten) wurden untersucht . Die Reisedauer betrug bei allen Verbindungen maximal einen Tag. Die Preise galten ohne Bahncard und Vielflieger-Rabatte.
Im Ländervergleich konnte Greenpeace ein Ost-West-Gefälle feststellen: Die Länder mit den teuersten Zugverbindungen im Vergleich zum Flugzeug seien das Vereinigte Königreich, Spanien, Belgien, Frankreich und Italien. In Mittel- und Osteuropa seien hingegen die Züge häufiger preiswerter. Allerdings waren Zugfrequenz, Geschwindigkeit, Verbindungen und Service dort oftmals schlechter als in westlicher gelegenen Staaten.
Bei 12 Prozent der untersuchten Verbindungen war ein Flug mit Umstieg die preiswerteste Flugoption. Laut Greenpeace sollen solche Verbindungen bis zu zehnmal mehr Treibhausgase als die ohnehin schon klimaschädlichen Direktflüge verursachen. Rein finanziell würde es sich beispielsweise lohnen, über Bergamo in Norditalien zu fliegen, wenn man von Budapest nach Paris reisen möchte. Die preiswerteste Verbindung von Luxemburg nach Mailand machte Halt in London.
Kerosinsteuer für bessere Bahnverbindungen
Greenpeace kritisiert die bestehenden Subventionen in Europa für den klimaschädlichen Luftverkehr. Es sei höchste Zeit, dass der Zugverkehr in ganz Europa billiger werde als das Fliegen. Dazu müssten Steuerbegünstigungen wie die Kerosin-Steuerbefreiung fallen und Flugticket-Abgaben erhöht werden. Gleichzeitig fordert die Organisation, das Zugnetz auszubauen. Greenpeace schlägt zudem ein preiswertes, europaweites Klimaticket vor – und eine europaweite Kerosinsteuer von 50 Cent pro Liter, die jährliche Einnahmen von 46,2 Milliarden für den europäischen Haushalt brächten. Diese Mittel könnten in die Bahninfrastruktur gelenkt und dazu genutzt werden, bezahlbare Bahnfahrkarten in ganz Europa anzubieten. “Die Bürger verdienen Zugang zu einem sauberen, umweltfreundlichen und erschwinglichen Verkehrssystem, das dem Klima, den Menschen und unserem Planeten nicht schadet”, so Greenpeace. (dpa / hcz)