New York City: Algorithmen sollen Schwarzfahrer zählen

Zugangsschranken an einer U-Bahn-Station in New York City
Der Betreiber des U-Bahn-Systems plant, die Software künftig in weiteren Stationen einzusetzen. Im vergangenen Jahr gab es dort mehr als 10.000 Überwachungskameras. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

In einigen U-Bahn-Stationen in New York City erfassen Algorithmen, wie viele Fahrgäste die Zugangsschranken ohne Ticket überwinden. Die Verkehrsgesellschaft Metropolitan Transportation Authority (MTA) will den Einsatz künftig weiter ausbauen – angeblich aber nur zu Statistikzwecken. Die Videoaufnahmen speichert die MTA jedoch. Bürgerrechtler kritisieren eine allgegenwärtige Überwachung in der Stadt und warnen, die Aufnahmen könnten in Zukunft auch an die Polizei übermittelt werden.

Wie aus einem Bericht der MTA zu Fahrten ohne Ticket hervorgeht, wurde das System im Mai bereits an sieben U-Bahn-Stationen in New York City eingesetzt. Bis zum Jahresende sollen demnach “etwa zwei Dutzend weitere Stationen” folgen.

Fahrgäste müssen beim Zugang zur New Yorker U-Bahn Zugangsschranken passieren, die sich nach dem Vorhalten einer gültigen Fahrkarte öffnen. Laut dem MTA-Bericht erkennen die Algorithmen anhand von Kameraaufnahmen, wenn und wie Personen diese Schranken überwinden – beispielsweise indem sie darüber springen oder sich darunter hindurch ducken.

Der Kommunikationschef der MTA, Tim Minton, erklärte gegenüber dem Nachrichtensender NBC News, mithilfe des Systems solle herausgefunden werden, wie viel Geld das Unternehmen durch Fahrten ohne Ticket verliert. Wie lange die aufgenommenen Videos gespeichert werden, bleibt unklar: Minton sprach gegenüber NBC nur von einem “begrenzten Zeitraum”.

System erstmals 2020 getestet

Nach Angaben der Verkehrsbetriebe handelt es sich bei der eingesetzten Software um “Detector” von der spanischen Firma AWAAIT. Laut Verträgen, die nach Informationsfreiheitsanfragen veröffentlicht wurden, wurde das System bereits im Jahr 2020 erstmals in New York City getestet.

In einem Werbevideo zeigt AWAAIT, wie die Software das Umgehen von Zugangsschranken in Barcelona erkennt und Kontrolleure informiert – diese erhalten Fotos direkt auf ihr Smartphone.

So viel Überwachungstechnik wie nie zuvor

Eine Sprecherin der New Yorker Verkehrsgesellschaft betonte gegenüber NBC, das System melde Vorfälle nicht der Polizei. Ob sich dies in Zukunft ändern könnte, wollte sie allerdings nicht beantworten. Bei Fahrten ohne Ticket in New York ist das “Transit Bureau” der Polizei zuständig. Nach Angaben von NBC wurde die Zahl der Polizeibeamten in den Stationen seit dem vergangenen Jahr erhöht.

Kritiker sehen den Einsatz des Systems als Teil eines wachsenden Überwachungsapparats in New York City. Caitlin Seeley von der NGO Fight for the Future sagte gegenüber Gizmodo, die Polizei in New York habe sich bereits in der Vergangenheit der Aufsicht über die von ihr eingesetzten Technologien entzogen. Es sei schwer zu glauben, dass keine Pläne existieren, die Technologie zur Ausweitung der Polizeiarbeit zu verwenden. Das System habe das Potenzial, die “Überwachung von Fahrgästen auszuweiten”.

Albert Fox Cahn, Direktor der Bürgerrechtsorganisation Surveillance Technology Oversight Project, erklärte gegenüber NBC, die Bewegungen von Bürgern seien in New York noch nie so sehr überwacht worden, wie heute. So nehme beispielsweise der Einsatz von automatischen Kennzeichenscannern zu – und es gebe Zehntausende Kameras, auf die die New Yorker Polizei zugreifen könne.

Im vergangenen Jahr hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Untersuchung veröffentlicht, wonach die New Yorker Polizei auf etwa 20.000 staatliche und private Kameras auf den Straßen zugreifen kann. Auch Gesichtserkennungssoftware verwendet die Behörde demnach.

Kathy Hochul, Gouverneurin des Bundesstaats New York, hatte im vergangenen September angekündigt, jeder U-Bahn-Waggon in New York City werde künftig mit zwei Überwachungskameras ausgestattet. Es sollen bereits mehr als 10.000 Kameras in den 472 U-Bahn-Stationen der Stadt installiert sein. Hochul sagte damals auch: “Glauben Sie, dass Big Brother Sie in der U-Bahn beobachtet? Da haben Sie absolut recht.”

Fox Cahn kritisierte, es werde immer schwieriger, sich in New York zu bewegen, ohne beobachtet zu werden. Er erklärte außerdem: “Wir kennen die Gründe, warum New Yorker ohne zu bezahlen [mit der U-Bahn] fahren: Armut, verlorene MetroCards und Beschränkungen für Schülerfahrkarten.” Und weiter: “Egal wie viele Überwachungssysteme wir installieren, wir können die Leute nicht dazu bringen, für den Zug zu bezahlen, wenn sie es sich nicht leisten können.” (js)