Kritik an polnischem "Schwangerschaftsregister"
In Polen sollen Daten zu Schwangerschaften künftig zentral gespeichert werden. Kritiker sprechen von einem “Schwangerschaftsregister” und warnen vor staatlicher Überwachung in Polen. Schwangerschaftsabbrüche sind dort nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt.
Medienberichten zufolge hat Gesundheitsminister Adam Niedzielski am Freitag eine neue Verordnung unterschrieben. Durch sie wird die Liste der Patientendaten, die in einer zentralen Datenbank gespeichert werden, erweitert: etwa um Angaben zu Allergien – und zu Schwangerschaften.
Wie die Nachrichtenseite Notes from Poland berichtet, soll medizinisches Personal diese zusätzlichen Daten ab Oktober erheben.
Das polnische Gesundheitsministerium erklärte, mit den gespeicherten Daten solle die Behandlung von Patientinnen und Patienten verbessert werden – auch wenn sie sich in einem anderen EU-Land aufhalten. Solche Informationen seien bereits in den Patientenakten dokumentiert und würden künftig auch digital erfasst. Nur medizinisches Fachpersonal werde Zugriff auf die Daten haben.
Opposition warnt vor “Schwangerschaftsregister”
Scharfe Kritik gibt es allerdings aus der Opposition. Agnieszka Dziemianowicz-Bąk von der Linkspartei sagte: “Ein Schwangerschaftsregister in einem Land mit einem fast vollständigen Abtreibungsverbot ist erschreckend.” Laut Tagesschau warnte sie, die Datensammlung könne ungewollt schwangere Frauen davon abhalten, sich medizinische Hilfe zu suchen. “Wenn sie eine Fehlgeburt erleidet oder im Ausland einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lässt, dann wird sie Angst haben, dass sie von der Staatsanwaltschaft gejagt wird.”
Borys Budka von der Oppositionspartei Bürgerplattform kritisierte auf Twitter, anstatt Schwangeren zu helfen, würden diese überwacht. “1984 ist zum Greifen nahe”, schrieb er in Anspielung auf den Roman von George Orwell.
Auch Polens Oppositionschef Donald Tusk kritisierte, die Datenbank diene der “Kontrolle von Frauen”.
Abtreibungen nur in wenigen Ausnahmefällen legal
Das polnische Verfassungsgericht hatte im Oktober 2020 eine Regelung, die Schwangerschaftsabbrüche bei einer schweren Fehlbildung des Fötus erlaubt hatte, für verfassungswidrig erklärt. Schwangerschaftsabbrüche sind seitdem nur noch im Falle einer Vergewaltigung möglich – und bei Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren. Gegen die restriktiven Regeln hatte es wiederholt Massenproteste gegeben.
Marta Lempart von der Frauenrechtsorganisation Women’s Strike sagte der Nachrichtenagentur Associated Press, sie fürchte, Polizei und Staatsanwaltschaft könnten Zugriff auf die Daten bekommen. Schon heute würde die Polizei Frauen über das Ende ihrer Schwangerschaft befragen. Auch sie warnt, viele Frauen könnten das polnische Gesundheitssystem künftig meiden – besonders ärmere Frauen seien dann einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Wohlhabendere Frauen könnten hingegen zunehmend Behandlungen im Ausland in Anspruch nehmen. Im Jahr 2021 hat die Organisation Abtreibung ohne Grenzen 34.000 polnischen Frauen zum Zugang zur Abtreibung verholfen. Nach Angaben des Europäischen Parlaments ist dies aber nur ein Bruchteil der Polinnen, die dabei Unterstützung benötigen.
Auch die Organisation Federa, die sich für die reproduktiven Rechte von Frauen einsetzt, teilte mit, Ärzte und Staatsanwaltschaften in Polen würden dazu neigen, neue Hindernisse für Frauen zu schaffen. Auch das “Schwangerschaftsregister” könnte ein solcher Versuch sein.
Die Organisation weist aber auch daraufhin, dass Frauen keine rechtlichen Konsequenzen drohten. Denn ein Schwangerschaftsabbruch sei für die betroffenen Frauen nicht strafbar. Ihre Helfer können allerdings strafrechtlich verfolgt werden. Wegen ihres Einsatzes für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen ist etwa die Aktivistin Justyna Wydrzyńska angeklagt. Laut Amnesty International drohen ihr bei einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft. (js)