Kritik: Verkehrskommission der Bundesregierung zu autolastig

Modellautos
Die Verkehrskommission setzt sich unter anderem aus Vertretern der Autoindustrie zusammen. (Quelle: IMAGO / MiS)

Mehrere Verbände haben den heute vorgelegten Abschlussbericht der Regierungskommission “Nationale Plattform Zukunft der Mobilität” (NPM) als zu autolastig gerügt. “Insbesondere kritisiert das Bündnis den fehlenden Willen, den Autoverkehr spürbar zu reduzieren”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

“Von der nächsten Bundesregierung fordern die Organisationen klare Priorität für Fuß-, Rad- sowie öffentlichen Nah- und Fernverkehr.” Unter dem Strich bezweifeln die Verbände, dass die von dem Expertengremium empfohlenen Maßnahmen ausreichen, um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. Die Kritik wird unter anderem getragen vom Fahrradclub ADFC, der Allianz pro Schiene, dem Umweltverband BUND, dem Branchenverband des öffentlichen Nahverkehrs, VDV, sowie dem Deutschen Städtetag.

Zu einseitig

Zum Ende der Amtszeit der jetzigen Bundesregierung übergibt das Beratergremium seinen Abschlussbericht an Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der Bericht wurde am heutigen Mittwoch während des internationalen Mobilitätskongresses ITS in Hamburg vom Vorsitzenden der Kommission, Henning Kagermann, vorgelegt. Die im Koalitionsvertrag von Union und SPD verankerte Kommission sollte Vorschläge für Klimaneutralität im Verkehr erarbeiten, sich aber zugleich auch dazu äußern, wie die deutsche Autoindustrie wettbewerbsfähig bleiben kann.

Die Expertinnen und Experten der NPM stellen im aktuellen Bericht fest: “Trotz erheblicher technischer Fortschritte konnte der Verkehrssektor in den letzten Jahren die CO2-Emissionen nicht reduzieren.” Als Lösung sehen sie weitere technische Entwicklungen und vorrangig die Elektrifizierung.

Bis zum Jahr 2030 müssten bis zu 14 Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs sein, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Bislang sei man von sieben bis zehn Millionen erforderlichen E-Pkw ausgegangen. Doch diese Anzahl werde voraussichtlich nicht mehr der nächsten Verschärfung der Flottengrenzwerte der EU-Kommission gerecht werden. Von den Zielwerten ist Deutschland weit entfernt: Laut Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) waren Anfang des Jahres hierzulande nur rund 309.000 reine Elektroautos zugelassen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres kamen allerdings knapp 237.000 hinzu.

Keine Alternativen zum Auto

Besonders gerügt wird seitens der Verbände, dass die Einschätzungen der NPM “zu einseitig auf technischen Lösungen beim Autoverkehr” beruhten – “anstatt den Schwerpunkt auf die Vermeidung und Verlagerung von Autofahrten zu legen”. Es müsse aber ein “völlig neues Verständnis von Mobilität der Zukunft” entwickelt werden. Deutschland brauche in erster Linie attraktive Alternativen zum eigenen Pkw. Der Bericht sei aber von einem “Weiter so” beim automobilen Lebensstil geleitet und vermeide eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen Verkehrsvermeidung und lebenswerte Städte.

Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND mahnte in dem gemeinsamen Schreiben: “Wer Klimaschutz und Mobilitätswende ernsthaft angehen will, muss vor allem Verkehr allgemein und die Zahl der Autos und Lkw im Speziellen reduzieren. […] Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr müssen zukünftig das Rückgrat einer nachhaltigen Mobilitätspolitik sein.” Noch benötigte Pkw müssten zukünftig klein, leicht und elektrisch sein sowie energie- und ressourcensparend.

Auch die aktuelle Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer (VMK), die Bremer Senatorin Maike Schaefer (Grüne), äußerte sich in der gemeinsamen Stellungnahme der Verbände in diese Richtung: “Noch immer werden die Autos größer und beanspruchen immer mehr Platz im begrenzten Straßenraum. Viele der Ansätze aus dem NPM-Bericht verlangen aber nach Platz im Straßenraum: egal ob Elektroladesäulen, neue Logistikkonzepte oder bessere Bedingungen für Fuß- und Radverkehr.” Die Mobilitätswende brauche deshalb mehr Alternativen zum Autobesitz.

Lobby-Vertretung

Der sogenannte Lenkungskreis der NPM besteht unter anderem aus Vertretern verschiedener Behörden, Vereinen wie dem Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie dem Branchenverband Bitkom und weiteren Industrievertretern wie Autoherstellern. Die Zusammensetzung wurde unter anderem in der SWR-Sendung Report Mainz vom 20. April als zu industrielastig kritisiert. Ernst-Christoph Stolper, vom Bund für Umwelt- und Naturschutz – einer der wenigen Vertreter von Umweltverbänden im NPM – wies in dem Beitrag darauf hin, dass Verkehrsvermeidung bei NPM keine Rolle spiele.

Immerhin in einem Punkt dürften sich Kritiker und Gremium einig sein. Letzteres schreibt: “Die Notwendigkeit zum Handeln ist dringender denn je.” (dpa / hcz)