Singapur: Neues Gesetz bedroht Meinungsfreiheit
Mehrere Menschenrechtsorganisationen fordern die Regierung Singapurs auf, ein neues Gesetz über “ausländische Einmischung” (FICA) zurückzuziehen. Es untergrabe die Rechte auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Privatsphäre. Beispielsweise könnte die Regierung Medien zu “ausländischen Agenten” erklären und ihre Inhalte zensieren.
Das Gesetz wurde am 4. Oktober mit großer Mehrheit vom Parlament verabschiedet – nur drei Wochen, nachdem es erstmals vorgestellt wurde. Bevor es in Kraft treten kann, muss es noch von Singapurs Präsidentin Halimah Yacob unterschrieben werden. In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme kritisieren insgesamt zehn internationale Organisationen das Gesetz scharf. Zu den Unterzeichnern zählen Amnesty International, Access Now, das Asian Forum for Human Rights and Development und Human Rights Watch.
Singapurs Innenminister Kasiviswanathan Shanmugam hatte den Vorstoß mit dem Schutz der nationalen Sicherheit begründet. Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor bei Human Rights Watch, warnte hingegen: “Die Regierung Singapurs könnte das vorgeschlagene Gesetz über ausländische Einmischung als Knüppel gegen Aktivisten und Journalisten mit Kontakten außerhalb des Stadtstaates einsetzen.”
Mehrdeutige Regelungen
Die Organisationen kritisieren, die Regelungen seien weit gefasst und enthielten mehrdeutige Bestimmungen. Jede Meinungsäußerung, die sich auf Politik, soziale Gerechtigkeit oder andere Angelegenheiten von öffentlichem Interesse bezieht, könne darunter fallen. Es sei somit für Bürgerinnen und Bürger schwer erkennbar, was genau gegen FICA verstößt. Das könne zu Selbstzensur führen. Zudem werde der Exekutive ein unbegrenzter Ermessensspielraum eingeräumt und es fehle an einer unabhängigen Aufsicht.
Der Innenminister würde dazu bemächtigt, Online-Inhalte entfernen oder sperren zu lassen. Er könne auch die Veröffentlichung von Behördenmitteilungen anordnen oder den Download von Apps in Singapur verbieten. Dafür reiche der Verdacht aus, dass jemand im Auftrag eines “ausländischen Auftraggebers” Nachrichten verbreitet und ein Vorgehen dagegen im öffentlichen Interesse liegt.
Eine vom Innenminister bestimmte Behörde soll außerdem Personen und Organisationen als “politisch bedeutsam” einstufen können. Daraufhin wäre es ihnen verboten, Spenden oder freiwillige Arbeit von ausländischen Personen oder Einrichtungen anzunehmen. Zudem könne die Offenlegung privater Kommunikation mit Personen, die keine Bürger Singapurs sind, verlangt werden.
Die Organisationen warnen, der Vorstoß hätte Auswirkungen auf Mitglieder die Zivilgesellschaft, unabhängige Medienschaffende und Forschende, da diese häufig international zusammenarbeiten. Sie würden einer stärkeren Kontrolle ausgesetzt. Letztlich könnte das Gesetz dazu führen, dass die Exekutive darüber entscheidet, welche öffentlichen Debatten sie zulässt. Anstatt seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen, beschneide Singapur bürgerliche Freiheiten weiter.
Bis zu 14 Jahre Haft vorgesehen
Die Organisationen kritisieren außerdem die im Gesetz vorgesehenen harten Strafen als unverhältnismäßig: Wer sich den Regierungsanordnungen widersetzt, muss mit bis zu 14 Jahren Gefängnis und Geldstrafen von umgerechnet etwa 64.000 Euro rechnen. Zudem gebe es kaum Möglichkeiten, gegen Anordnungen Einspruch einzulegen: Dies soll nur bei einem von der Regierung eingesetzten Gericht möglich sein, das sich auf Verfahrensverstöße beschränkt.
Phil Robertson von Human Rights Watch kritisierte: “Es ist schwer zu glauben, dass die Regierung Singapurs die Gesetze gegen fundamentale Freiheitsrechte noch schlimmer machen könnte, als sie es ohnehin schon sind, aber das Gesetz über die ausländische Einmischung schafft das.” Werde es nicht zurückgezogen, verstärke sich Signapurs Ruf als “Menschenrechtskatastrophe”.
Schon im Vorfeld hatten unter anderem die Opposition sowie die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) die Regelungen heftig kritisiert. Laut RSF zielen sie darauf ab, die wenigen unabhängigen Medien und Blogger in Singapur einzuschüchtern. Denn vorgesehen ist auch, dass Medienunternehmen die Möglichkeit der Geldbeschaffung – beispielsweise durch den Verkauf von Anzeigen oder Abonnements – verboten wird, wenn der Verdacht auf eine ausländische Beteiligung besteht. RSF sieht darin eine “heimtückische Methode”, um unabhängige Medien zum Aufgeben zu zwingen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht Singapur auf Platz 160 von 180 Staaten. Die Organisation berichtet, Medien würden autoritär gelenkt und viele Journalisten übten Selbstzensur. Online-Medien würden überwacht und benötigten eine Lizenz vom Staat. Kritische Blogger und Journalisten würden mit Verleumdungsklagen oder Vorwürfen wie “Störung der öffentlichen Ordnung” zum Schweigen gebracht. (js)