Londoner Polizei führt Gesichtserkennung ein
Die Londoner Polizei wird künftig Videotechnik zur Gesichtserkennung einsetzen. Die im öffentlichen Raum erfassten Daten soll das System mit einer Datenbank abgleichen, in der aktuell gesuchte Personen gespeichert sind, hat die Behörde bekannt gegeben. Die Polizei beginnt im Februar damit, das System einzusetzen, schreibt der Guardian.
Schilder weisen auf Gesichtserkennung hin
Die Kameras sollen zu Beginn nur kleine Gebiete erfassen. Hinweisschilder machen auf sie aufmerksam. Außerdem sollen Polizisten Informationen zur Gesichtserkennung verteilen. Das System soll immer dann herangezogen werden, wenn Erkenntnisse vorliegen, dass sich dort gesuchte Personen aufhalten könnten. Daten von nicht gesuchten Personen soll das System unmittelbar nach dem Datenbank-Abgleich automatisch löschen.
“Ich glaube, dass wir als moderne Polizei dazu verpflichtet sind, neue Techniken zu verwenden, um die Sicherheit der Bürger von London zu gewährleisten”, kommentierte Nick Ephgrave, Assistant Commissioner vom Metropolitan Police Service den Schritt. Werde eine gesuchte Person identifiziert, liege die Entscheidung über das weitere Vorgehen immer bei der Polizei. Die Software übernehme nicht die Polizeiarbeit. Ephgrave wies weiter drauf hin, dass es sich um eine getestete Technik handeln würde.
Gesichtserkennung gilt als unzuverlässig
Doch Kritik an dem Vorhaben gab es schon während eben dieser Testphase. Wissenschaftler der Universität Essex hatten sechs von zehn Probeeinsätzen der Londoner Polizei begleitet und einen unabhängigen Bericht verfasst. Ihr Ergebnis: Nur in 19 Prozent der Fälle identifizierte das System Personen korrekt – es hat also eine Fehlerquote von 81 Prozent.
Einer der Autoren des Berichts, Professor Pete Fussey, sagte dem Guardian, er stehe hinter seinen Ergebnissen. Wie die Polizei auf eine Erfolgsquote von 70 Prozent komme, wisse er nicht, so Fussey.
Silkie Carlo von der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch bezeichnete die Ankündigung der Londoner Polizei als eine “enorme Ausweitung des Überwachungsstaates und eine ernste Bedrohung von Bürgerrechten in Großbritannien”. Die Organisation will auch vor Gericht gegen die Gesichtserkennung vorgehen.
Kritiker sehen keine rechtliche Grundlage
Anlass für diesen Schritt ist auch der Bericht der Universität Essex: Eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz der Gesichtserkennung fehle derzeit, heißt es darin. Ohne explizite gesetzliche Regelung könnte die Echtzeit-Gesichtserkennung vor Gericht mit hoher Wahrscheinlichkeit für rechtswidrig erklärt werden, schreiben die Wissenschaftler. Auch Big Brother Watch kritisiert, dass der Einsatz ohne gesetzliche Regelung und ohne Prüfung durch das Parlament erfolge.
Der oberste Gerichtshof im walisischen Cardiff hatte im September 2019 allerdings entschieden, dass der Einsatz von automatischer Gesichtserkennung rechtmäßig ist.
Zwar bedeute die Gesichtserkennung einen Einschnitt in die Privatsphäre, doch sie sei mit dem “Human Rights Act” und den Datenschutzbestimmungen vereinbar, hieß es zur Urteilsbegründung. Der Kläger, ein ehemaliger Stadtrat, hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Polizei hatte Gesichtserkennungstechnik unter anderem bei Demonstrationen gegen eine Waffenmesse eingesetzt.
Die Polizei in Wales verwendet Gesichtserkennung auch bei Fußballspielen. Im Jahr 2017 hatte das System dabei über 2.000 Menschen fälschlicherweise als Kriminelle identifiziert – die Fehlerquote lag bei 92 Prozent. Laut Big Brother Watch setzt auch die Polizei Leicestershire Gesichtserkennung ein.
Debatten in Deutschland und Europa
Auch in Deutschland gibt es eine Debatte um die Gesichtserkennung. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte gefordert, die Bundespolizei an Flughäfen und Bahnhöfen mit der Technik auszustatten. In einem aktuellen Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz wurde der entsprechende Abschnitt nun aber gestrichen. Es handle sich jedoch nicht um eine grundsätzliche Abkehr von der automatisierten Gesichtserkennung, hieß es dazu aus dem Ministerium.
Die EU-Kommission diskutiert zudem ein temporäres Verbot von Gesichtserkennung für drei bis fünf Jahre. Die Zeit solle dazu genutzt werden, die Risiken der Technik zu untersuchen. Ein temporäres Verbot kann aus Sicht der Kommission jedoch die Weiterentwicklung der Technik hemmen. Daher solle man sich vor allem darauf konzentrieren, die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vollständig umzusetzen. (js)